Langenberg/Neviges. Vor drei Jahren standen Neviges und Langenberg unter Wasser. Am Dienstag stiegen die Pegel erneut, der Tag danach bringt Überraschungen.
Arndt Backhaus ist besorgt. Nicht nur, weil am Dienstag schon wieder Hochwasser die Langenberger Altstadt bedrohte. Nein, der Apotheker hatte just am selben Tag auch ein Schreiben seiner Versicherung im Briefkasten. Ab Januar, so heißt es darin, seien Hochwasserschäden nicht mehr abgedeckt.
„Kann man sich nicht ausdenken sowas“, sagt er kopfschüttelnd. Denn eigentlich hatte er auch so schon gut genug zu tun: „Wir haben den ganzen Arznei-Keller evakuiert, alles nach oben geschleppt“, erzählt er am Tag danach. Am Ende hatte er Glück, „nur der hintere Keller ist etwas feucht geworden.“
Apotheker aus Velbert-Langenberg will zumachen, wenn er keine Versicherung findet
Die Geschichte mit der Versicherung macht dem Langenberger allerdings viel mehr zu schaffen. „Ich habe sofort mit meinem Makler telefoniert“, berichtet er. „Der betreut noch mehr Apotheken – und hat Schwierigkeiten überhaupt eine Versicherung zu finden, die Schäden durch Hochwasser abdeckt.“
Sollte es dabei bleiben, sehe er schwarz: „Noch so ein Hochwasser wie 2021 und dazu kein Versicherungsschutz? Dann mache ich hier zu.“
Tunnelsperrung verschoben
Eigentlich sollte der Tunnel in Langenberg an diesem Mittwoch (20. November) und Donnerstag zwecks Wartung gesperrt werden. Da aber die Umleitungsstrecke vom Hochwasser betroffen war, hat der zuständige Landesbetrieb Straßen.NRW die Maßnahme verschoben. Das hat Pressesprecherin Nadia Leihs auf WAZ-Nachfrage erläutert. Ein neuer Termin stehe allerdings noch nicht fest, werde aber rechtzeitig bekannt gegeben.
So war die Situation am Dienstagabend in Velbert-Neviges
Antje Grotegut aus der Weinbergstraße in Neviges atmete erstmal tief durch, als sie am Dienstagabend gegen 18.30 Uhr auf den reißenden Hardenberger Bach schaute, der nur durch einen kleinen Weg getrennt vor ihren Vorgarten herbrauste. Und das mit ordentlich Speed. Aber, und nur das zählt: Die grünbewachsene Mauer des Bachbettes war zu diesem Zeitpunkt noch gut zu sehen, da war jede Menge Luft nach oben.
„„Da kommen wieder Alpträume hoch!““
„Und der Pegel sinkt, hab ich gerade gehört“, sagte Antje Grotegut der Reporterin am Abend: „Gott sei Dank, ich sag Ihnen, da kommen wieder Alpträume hoch. Sowas wollen wir nicht noch mal erleben.“ Den Abend des 14. Juli 2021, den werden sie hier alle nie vergessen. Als das Haus der Nachbarin Anette Teml und ihrer Schwägerin Rosi im Erdgeschoss unbewohnbar wurde und Antje Grotegut seitdem an Wunder glaubt. „Das Wasser strömte damals bei mir in die Diele und machte vor einer Mini-Schwelle Halt, mein Wohnzimmer blieb trocken.“
Auf die Erleichterung wurde am Abend mit Glühwein angestoßen
Und auch jetzt hatte die Seniorin besonders viel Glück, sogar ihr Keller blieb trocken, im Gegensatz zu dem ihrer Nachbarn. „Mein Mann hat selber geschippt, die braune Brühe will man ja schnell wieder raus haben“, sagt Maria Langer, bei deren Nachbarn wiederum die Feuerwehr anrückte, um den Keller trocken zu legen. Aber alles kein Vergleich zu 2021, daher ist die Stimmung hier entspannt, alle atmen auf, sind froh, dass der Kelch an ihnen vorüber ging. „Maria, darauf müssen wir gleich einen trinken“, sagt Antje Grotegut und macht schon mal den Glühwein heiß.
Auch die Heißmangel und die Fleischerei Janutta hatten Glück
Gelassenheit und Erleichterung auch ein paar Meter weiter im Heißmangelbetrieb von Elke Grotegut. „Ette“, wie die Familie die gute, 60 Jahre alte Miele-Mangel nennt, hat dieses Mal keine nassen Füße bekommen. Beim Hochwasser 2021 wurde der Motor massiv beschädigt, die Reparatur war teuer. „Ette“ sorgte danach im Partyzelt für knitterfreie Tischtücher, denn der kleine Laden in dem Schieferhaus war Monate lang nicht nutzbar. Dieses Mal steht „nur“ der Keller unter Wasser, und darüber regt sich Elke Grotegut nach 2021 nun wirklich nicht mehr auf. „Meine Tauchpumpe arbeitet ordentlich, die hatte ich auch schon vor drei Jahren, hatte da aber nichts genutzt, weil wir da keinen Strom hatten.“ Daumen hoch auch bei Metzgermeister Miroslav Tomic in der Fleischerei Janutta: „Alles trocken“.
Chronologie der Ereignisse am Dienstagnachmittag
Kurzer Blick auf den Dienstag: Gegen 14.45 Uhr löst die Warn-App „Nina“ Alarm aus, zunächst nur für Langenberg. Betroffen sei vor allem der Bereich Grüner Winkel in Nierenhof und die Voßkuhlstraße - beides Bereiche, die auch 2021 unter Wasser gestanden hatten.
Zu diesem Zeitpunkt, meldete die Feuerwehr Velbert, waren die beiden größeren Bäche – Hardenberger und Deilbach – bereits an einigen Stellen über die Ufer getreten und die Regenrückhaltebecken voll. „Das war ganz merkwürdig“, sagt der Langenberger Apotheker Arndt Backhaus am Tag danach. „Es hat zwar viel geregnet, aber nicht so viel, dass die Bäche überlaufen könnten.“
Innerhalb von zwei Stunden sei dann allerdings das Wasser rapide gestiegen – am Pegel Deilbach bis auf zwei Meter. „Da muss irgendwas noch dazu gekommen sein“, mutmaßt er.
Das sagt der Bergisch-Rheinische Wasserverband
Es habe sich um eine Mischung verschiedener Umstände gehandelt, analysiert Kristin Wedmann, Geschäftsbereichsleiterin Technik des Bergisch-Rheinischen Wasserverbandes (BRW) am Tag nach der Hochwasserwarnung. Es habe zwar stark geregnet, aber es sei kein außergewöhnliches Ereignis gewesen. Allerdings seien die Böden bereits sehr wassergesättigt gewesen und möglicherweise habe der starke Laubfall der vergangenen Tage auch dazu geführt, dass die Kanalisation nicht so aufnahmefähig wie sonst gewesen sei. Weitere Probleme habe Treibgut - darunter auch dicke Baumstämme - verursacht.
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An einigen Stellen hätte sich Treibgut dann verfangen und somit das Wasser zusätzlich gestaut. „Wir räumen hochwassergefährdete Gewässerbereiche viel intensiver als noch vor 2021“, so Wedmann, „dass dann doch etwas mitgerissen wird oder durch den Sturm akut etwas ins Wasser fällt, lässt sich leider dadurch nicht verhindern“.
Viel Lob für die Velberter Feuerwehr
Ein dickes Lob für die Einsatzkräfte gibt es aus Langenberg. „Das war ganz tolle Arbeit“, sagt Apotheker Arndt Backhaus, „die Feuerwehr war sofort da, es gab Durchsagen, die haben Keller ausgepumpt und Sandsäcke gebracht.“ Die Feuerwehr wiederum dankt den Anwohnerinnen und Anwohnern für Kaffee und Verpflegung.
Insgesamt, meldet Feuerwehr-Sprecher Marcel Borowski, waren 140 Männer und Frauen der Feuerwehr im Einsatz. Neben den Velberter Kräften eilten Kolleginnen und Kollegen aus Mülheim, Ratingen und Langenfeld zur Hilfe. Einen der insgesamt 34 Einsätze hebt der Feuerwehr-Sprecher besonders hervor.
Am Abend rückte Spezialgerät der Mülheimer Feuerwehr an. Gemeinsam mit dem THW musste die Feuerwehr an der Märkischen Straße in Langenberg einen dicken Baumstamm aus dem Bach holen: Der behinderte nicht nur den Durchfluss des Wassers, sondern drückte auch auf einen Stützpfeiler eines Fachwerkhauses.
Viele Velberter boten freiwillig ihre Hilfe an
Hilfe gab es im Langenberger Tal aber nicht nur von offizieller Seite. „Kaum erschienen die ersten Posts bei Social Media, kamen Freiwillige aus der ganzen Stadt, mit Gummistiefeln und Werkzeug und haben Hilfe angeboten“, freut sich der Apotheker. Wie damals, 2021. Nur dass diese Wiederholung wirklich keiner gebraucht hätte.
Haben auch Sie Post von Ihrer Versicherung bekommen, dass Hochwasserschäden nicht mehr abgedeckt werden? Wenn ja, melden Sie sich doch bei uns in der Redaktion: per Mail an redaktion.velbert@waz.de oder telefonisch bei Sascha Döring, 02051 49538.