. In Neviges rettet ein Landwirt ein Fachwerkhaus vor dem Verfall. 17 Jahre stand das Schmuckstück leer, bis sich ein Architekt darin verliebte.
Die schmale Treppe knarzt bedenklich, auf den Eichenbalken liegt dicker Staub. Strahlend streicht Architekt Martin Straßen mit der Hand über die Wand aus Lehm und Stroh. „Ein Juwel. Wunderbar, es ist noch so viel da.“ Das historische Nebengebäude vom Hof „In den Stöcken“ an der Donnenberger Straße wird nach 17 Jahren Leerstand liebevoll saniert.
Wie gut, dass Martin Straßen im Sommer 2016 einen Schuppen suchte, um Holz für den heimischen Kachelofen zu lagern. Fündig wurde er auf dem Hof im Windrather Tal – und entdeckte dabei rein zufällig das völlig verfallene Fachwerkhaus, gebaut zwischen 1650 und 1710. „Es sah wüst aus, aber ich sah auch gleich, es hat eine Schokoladenseite.“
Denkmalgeschützes Haus gammelte vor sich hin
Ob er eigentlich wisse, was er da für eine Kostbarkeit auf der Wiese stehen habe, fragte er Hofbesitzer Friedrich-Wilhelm Papenhoff (70). Der wusste vor allem, dass da ein oller Kotten steht, mit dem man wenig anfangen kann. Abreißen durfte er ihn nicht, das Haus steht seit dem Jahr 2000 unter Denkmalschutz. Heute ist er froh, stolz und noch immer ein wenig ungläubig, was da gerade vor seiner Nase passiert: Die Bauruine wird in Schuss gebracht. „Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Aber das Haus ist mir auch wichtig. Und verkauft wird nicht, das bleibt hier in der Familie.“
Auch Rainer Helfers von der unteren Denkmalbehörde der Stadt Velbert ist sehr erleichtert über die Rettung des historischen bergischen Fachwerkhauses. „Ehrlich gesagt, ich hatte das schon abgeschrieben.“ Das Dilemma: Ein Denkmal muss gepflegt werden, aber es dürfe den Besitzer natürlich auch nicht in den wirtschaftlichen Ruin treiben. Also gammelte das Haus 17 Jahre vor sich hin – bis der Fachwerkhaus-Liebhaber Martin Straßen den Landwirt überzeugen konnte, dass eine behutsame Sanierung sinnvoll ist. Straßen: „Wenn man baut, so wie man früher gebaut hat, ist das auch finanziell machbar.“
Architekturbüro gibt es seit 2012 in Neviges
Das Architekturbüro BSS besteht seit 1952; seit 2012 gibt es ein Büro an der Tönisheider Straße 2 in Neviges mit sieben Mitarbeitern.
BSS ist im Regelfall spezialisiert auf Garten- und Parkanlagen, oft mit Denkmalschutzhintergrund, sowie auf die Sanierung denkmalgeschützter Privatgebäude.
Das 100 Quadratmeter große Haus in idyllischer Lage soll auch nach der Instandsetzung bleiben, was es immer war: ein Wohnhaus mit schiefen Böden, kleinen Holzfenstern, alten Eichenbalken.
„Es wird auch keine Orgie von Steckdosen oder Lichtschaltern geben“, sagt Martin Straßen, der bei diesem Objekt ausschließlich mit Gewerken zusammenarbeitet, die auf die Sanierung historischer Gebäude spezialisiert sind. Hier dürfe das Hauis auch ruhig schiefe Böden haben. „Es ist ein altes Haus, und es bleibt auch ein altes Haus“, betont Architekt Straßen, der ein Faible für Fachwerkhäuser aus dem Bergischen Land hat und im Herzen von Neviges selbst eins bewohnt.
Alles, was nachträglich in das Haus aus dem 17. Jahrhundert eingebaut wurde, fliegt raus, zum Beispiel Kunststofffenster oder ein Mauerwerk-Flicken in der Lehmwand. Verarbeitet werden ausschließlich natürliche Materialien wie Lehmziegel und Kalkputz. Schimmel oder Pilzsporen sucht man zum Glück vergebens. „Lehm macht ein gutes Raumklima. Die alten Stoffe waren sowieso viel gesünder“, so der Architekt, „die unsinnige Wärmedämmung von heute ist der Asbest von morgen.“
Und was kostet der Spaß? Da lächelt Friedrich-Wilhelm Papenhoff nur verschmitzt, zum Glück gibt’s auch einen Zuschuss von der Denkmalförderung. Der letzte Bewohner des Hauses ist übrigens letzten Sommer im Teich ertrunken: ein Schwein, das auf dem Hof sein Gnadenbrot bekam und sich in der guten Stube breit machte.