Neviges. Der kleine Laden in der Fußgängerzone von Velbert-Neviges ist eine Institution. Zu Weihnachten verkauft Mesut Ardic 70 Kisten Feldsalat.
Mittwochs weiß Henni-Bayer-Berkhaus genau, was sie in Velbert-Neviges zu tun hat: „Erst Sport im Gesundheitspark, dann geh’ ich zu Mesut. Fünf Sorten Äpfel hab ich heute gekauft. Morgens, mittags, abends, immer einen halben Apfel. Ach ja, ich nehm auch noch sechs Mandarinen mit..“ Henni Bayer-Berkhaus ist stolze 87 Jahre alt und topfit. „Meine beste Reklame, alles nur mein Obst“, sagt Obst- und Gemüsehändler Mesut Ardic lächelnd, packt alles in die Plastik-Tasche mit der Aufschrift „Pink Lady“, passenderweise bedruckt mit knallroten Äpfeln. „Die hab ich nicht von hier, die kommt von einem Bauern an der Asbrucher Straße, da kaufe ich meine Eier“, erzählt die Seniorin munter. „Aber Obst und Gemüse: nur hier. Diese Qualität gibt’s nirgendwo!“ Ja, Mesut, wie ihn alle nur nennen, hat einen Ruf wie Donnerhall. Seit 28 Jahren betreibt Mesut Ardic seinen winzigen Laden in der Fußgängerzone von Velbert-Neviges, der offiziell „Pavillon für Obst und Gemüse“ heißt. 28 Jahre, allein diese Zahl ist in Neviges eine kleine Sensation.
Läden öffnen, Läden schließen, doch Mesut bleibt. Und wenn er mal Urlaub macht, dann ist Holland in Not. „Ich war Angeln in der Türkei, da bimmelte mein Handy. Eine Kundin rief an, meinte: Mesut, wo bist du? Das kannst du nicht machen, wann kommst du wieder?“ Viel Zeit zum Erzählen hat der Händler nicht, die nächste Kundin kommt herein, und draußen vor der Tür warten auch schon einige. In dem Mini-Laden ist eben kaum Platz. „Ich komme gerade vom Bus und sehe draußen Endiviensalat. Den gibt‘s nicht oft“, meint die Dame, Mesut Ardic wirft da nur ein: „Ich hab den aber immer.“
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Weihnachten ist in Velbert Feldsalat der Hit
Wie auch vier Sorten Pilze, 13 Tomaten-Varianten, frischen Ingwer, Lollo-Rosso, Wildkräuter-Salat. Oder, der absolute Renner jetzt im Winter: Feldsalat: „Zu Weihnachten verkaufe ich davon 70 Kisten an zwei Tagen, schon seit Jahren. Da kommen immer die gleichen Familien.“ Wie bitte, 70 Kisten Salat an zwei Tagen? „Ja, am 23. Dezember bringe ich 50 Kisten mit, Heiligabend noch mal 20. Aber die meisten Leute wollen auf Nummer sicher gehen, kaufen einen Tag eher.“ Und wer ganz beruhigt sein will, der bestellt vor. „Ja, etwa die Hälfte ist reserviert“, sagt der 62-Jährige, für den die Frische seiner Ware das A und O ist. Und wenn ihm mal eine Porreestange nicht 100-prozentig gefällt, eine Tomate vielleicht minimal angedötscht ist, oder eine der acht Zwiebelsorten nicht perfekt aussieht, dann heißt es: „Kommen Sie lieber morgen wieder, dann hab ich neue Ware.“
Stammkundschaft schätzt die Qualität
Öffnungszeiten
„Pavillon für Obst und Gemüse“, Elberfelder Straße 34. Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag und Freitag von 8.30 bis 18 Uhr. Mittwoch und Samstag von 8.30 bis 13 Uhr. Montag ist Ruhetag.
Mesut Ardic nimmt Bestellungen entgegen unter 0170 55 79765.
Jeden Morgen um 4.30 Uhr fährt Mesut Ardic zum Großmarkt, verlässt sich hier seit Jahren auf bestimmte Lieferanten. Das schätzen Stammkundinnen wie Renate Dera, die ihre Begeisterung auf den Punkt bringt: „Hier kriegen Sie alles. Er ist der beste Obsthändler in ganz NRW. Mindestens.“ Heute wandern Gurken, Feldsalat und eine Kaki-Frucht in ihren Einkaufsbeutel. Seit sechs Jahren, so lange kauft sie hier mehrmals in der Woche, sagt Renate Dera an diesem Morgen nur zur Begrüßung „Herr Ardic“, und zum Abschied „Tschüss Mesut“. Sie habe sich gedacht, nach so langer Zeit könne sie auch mal zum Du übergehen, so wie ja fast alle. „Aber dann musst du auch Renate sagen.“ Noch ein Name mehr, den sich Mesut jetzt merken muss, und das tut er sehr gern.
Riesige Auswahl auch an Obst
Zwei bis drei Mal in der Woche kommt Mechtild Kreienkamp in das schmale, im Winter kalte Lädchen: „Die Qualität ist unschlagbar. Und außerdem ist er einfach ein netter Mann.“ Heute hat sie „im Vorbeigehen nur mal eben zwei Granatäpfel mitgenommen, die lachten mich draußen so an“. Ulrike Kunbier, natürlich auch Stammkundin, ist dagegen ganz glücklich über ihren Romanescu, eine Blumenkohl-Art. „Lecker und gesund..“ Mesut Ardic schmunzelt. Jetzt im Winter seien die Leute vor allem „ganz verrückt auf Grünkohl und Stielmus, besonders Stielmus“, erzählt er. „Wenn ich donnerstags am Markttag ankommen, nehmen sie mir den schon am Auto ab. Stielmus, Stielmus, eine Familie kauft immer ganz viel davon.“
Ein größerer Laden kam ihm nie in den Sinn
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Sich zu vergrößern, in einen schickeren Laden zu ziehen, wo er besonders seine exotischen Köstlichkeiten noch besser ins Licht rücken könnte, auf die Idee ist Mesut Ardic in all den Jahren nicht gekommen. Bescheidenheit gehört zu den Tugendes dieses Mannes, der 1990 als ausgebildeter Steuerberater aus seiner Heimat Türkei nach Deutschland kam und hoch qualifiziert keinen Job fand. Doch es musste Geld hereinkommen, „ich hatte ja Frau und ein kleines Kind“. Auf einem Spaziergang entdeckte er damals eher zufällig den kleinen Laden am Brunnenplatz. „Ich wusste sofort: Das ist es.“ Das „kleine Kind“ ist inzwischen Ärztin, seine Ehefrau Figen betreibt einen eigenen Laden in Langenberg, wo die Familie auch wohnt. Doch sein Neviges, das ist Mesut ans Herz gewachsen. „Ich werde unruhig, wenn ich länger nicht hier bin. Ich komme auch schon mal sonntags her und drehe meine Runde.“