Neviges. Das stimmt viele Stammgäste traurig: Die Gaststätte „Polska“ in Neviges ist Geschichte. Wirtin Joanne Scheller nennt die Gründe

In dem Glaskasten direkt neben dem Eingang sind sie noch zu lesen, all die Gerichte, für die viele Gäste gern nach Velbert-Neviges kamen. Doch die Zeiten, in denen hier Rinderroulade mit schlesischen Klößen, Schweinehaxen mit Bratkartoffeln und vor allem die berühmten Piroggi, also Teigtaschen mit verschiedenen Füllungen serviert wurden, sind vorbei: Das Restaurant „Polska“, bekannt für seine polnisch-schlesischen Spezialitäten, ist nach 21 Jahren Geschichte. Das Ehepaar Scheller setzt sich zur Ruhe. „Wir möchten uns von Herzen bei unseren vielen Gästen bedanken, die all die Jahre aus ganz Nordrhein-Westfalen gekommen sind.“ Das zu sagen, ist Joanna Scheller ganz wichtig.

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Piroggi mag sie auch selbst gern. Joanna Scheller hat all die Jahre mit viel Freude all die schlesisch-polnischen Spezialitäten serviert, die ihr Mann zubereitet hat.
Piroggi mag sie auch selbst gern. Joanna Scheller hat all die Jahre mit viel Freude all die schlesisch-polnischen Spezialitäten serviert, die ihr Mann zubereitet hat. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Gemeinsam mit ihrem Mann Rafael wuppte sie all die Jahre die Gaststätte in der Elberfelder Straße, schräg gegenüber des Klosters und der Pfarrkirche. Mit viel Herzblut und Freude hat die Familie vor allem auch die Pilger in der Wallfahrtzeit bewirtet. Dass nun Schluss ist, bedauert Joanna Scheller schon ein bisschen, doch sei es eben ein Abschied aus Vernunftgründen und auch aus voller Überzeugung: „Mein Mann ist 70, irgendwann kommt eben die Zeit des Ruhestandes“, sagt die 68-Jährige. Und so wehmütig sie einerseits ist, so stolz ist sie auch: „Es waren 21 Jahre. 21 Jahre, so lange hält kaum einer durch hier in Neviges.“

Hinter dem Speiseraum des „Polska“ lag ein kleiner Biergarten
Hinter dem Speiseraum des „Polska“ lag ein kleiner Biergarten © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Gäste kamen auch aus dem Umland nach Velbert

Das ganze Jahr über, nicht etwa nur zur Wallfahrtzeit, seien Stammgäste aus dem ganzen Umkreis gekommen, erzählt Joanna Scheller, es habe Reservierungen aus Essen, Wuppertal, aus dem ganzen Ruhrgebiet gegeben. Etwa die Hälfte seien Deutsche gewesen, die andere Hälfte Polen. Sie alle kamen wegen der Spezialitäten, die Ehemann Rafael, gelernter Koch, in der Küche zauberte. Wie etwa „Zurek“, die Roggenmehl-Suppe, die eine Woche ziehen muss, bevor dann die anderen Zutaten hinein kommen, zum Beispiel Wurst, Kartoffeln, so hatte Joanna Scheller in einem früheren Gespräch erzählt.“ Oder ihre „Piroggi“, die verschieden gefüllten Teigtaschen, ebenso beliebt wie Bigos, ein Schmorgericht mit Sauerkraut, Weißkohl und Fleisch. Während Ehemann Rafael all die Köstlichkeiten in der Küche zauberte, war Joanna Scheller nicht nur für den Service zuständig, sie war auch all die Jahre die gute Seele des „Polska“. Empfing die Gäste, hielt gern einen Plausch, unterstützte auch ihren Ehemann nach Leibeskräften. Und auch die Kinder Natalia, Christian und Cornelia sprangen ein, wenn Not am Mann war, es allzu voll wurde im Restaurant des 1908 erbauten Hauses in der Elberfelder Straße: etwa im Sommer bei der „Mutter Anna Wallfahrt“ oder auch bei der Polen-Wallfahrt.

Für die Piroggen mit diversen Füllungen kamen Gäste auch aus dem weiteren Umfeld.
Für die Piroggen mit diversen Füllungen kamen Gäste auch aus dem weiteren Umfeld. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Die Familien steht stets an erster Stelle

Die Kinder, überhaupt die Familie, standen immer an erster Stelle bei den Schellers, die sich einst in einem Hotel in Kattowitz kennengelernt hatten. Beide waren dort angestellt, Rafael Scheller stammt aus einer alteingesessenen Konditoren-Familie. Ende der 80er Jahre zogen die Schellers nach Neviges, weil ein Freund bereits hier lebte. So gern sie all die Jahre im „Polska“ für ihre Gäste da waren, so sehr freut sich vor allem Joanna Scheller darauf, jetzt endlich mehr Zeit für die sechs Enkel zu haben. Klar, ihre Gäste, die werde sie bestimmt vermissen. „Aber irgendwann ist Schluss, und es war eine gute Zeit.“