Neviges. Der Bürgerbusfahrer war 24 Jahre lang Vorsitzender des Bürgerbusvereins Neviges/Tönisheide. Warum er auf fast jeder Fahrt Freude hatte.

Nein, er hat absolut nichts geahnt. Ging wie so oft am Mittwochabend zur Versammlung, man muss ja wissen, welche Strecke man im nächsten Monat fährt. Bis er durchs Fenster schaute und sah, dass Bürgermeister Dirk Lukrafka vor dem Gasthaus Seidl in Velbert-Neviges aus dem Auto stieg. „Da hab ich gewusst: Es ist was im Busch“, sagt Gunnar Rother lächelnd. 24 Jahre lang war er Vorsitzender des Bürgerbusvereins Neviges/Tönisheide, hob den Verein auch damals mit aus der Taufe. Dafür gab es jetzt den Ehrentaler der Stadt Velbert, der an besonders engagierte Ehrenamtler verliehen wird.

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Carola Rother, die den Bürgerbusverein mitbegründet hatte, unterstützt ehrenamtlich das S.O.S-Team im Gebrauchtwarenhaus an der Schwanenstraße. Im Hintergrund ihr Kollege Michael Adler.
Carola Rother, die den Bürgerbusverein mitbegründet hatte, unterstützt ehrenamtlich das S.O.S-Team im Gebrauchtwarenhaus an der Schwanenstraße. Im Hintergrund ihr Kollege Michael Adler. © WAZ-Fotopool | Ulrich Bangert

„Damit hatte ich im Leben nicht gerechnet. Ja, das macht mich schon stolz“, sagt Gunnar Rother, der sich auch über den dicken Blumenstrauß für Ehefrau Carola freute. Zum einen, weil sie damals den Verein mitbegründet hatte, die erste Zeit auch am Steuer saß in dem damals kleinen Team. Und ihrem Mann danach all die Jahre den Rücken frei hielt. „Ohne sie wäre das nicht möglich gewesen, da hat der Bürgermeister völlig recht“, meint Gunnar Rother, der den Vereinsvorsitz im März zwar abgab, aber bis Mai 2025 weiter am Steuer des Bürgerbusses sitzt. Einfach, weil es ihm so viel Spaß macht. „Die Leute sind so dankbar, dass es uns gibt.“ Und zeigen das mal mit „einem Täfelchen Schokolade“, mal mit einer Banane oder einem Apfel. Ist ja auch nicht selbstverständlich, dass einem ohne Murren und Knurren geholfen wird, wenn der Rollator mal nicht sofort in den Bus passt. Oder man selbst ein bisschen wackelig auf den Beinen ist.“

Hilfsbereitschaft ist Voraussetzung in Velbert

Ehrentaler gibt es seit 2007

Die Stadt Velbert zeichnet seit 2007 Menschen mit dem Ehrentaler aus, die sich in besonderer Weise für Bürger einsetzen. Auch Gruppen und Institutionen werden für ihr Engagement geehrt. Die Verleihung ist in der Regel für die Preisträger eine Überraschung.

Neuer Vorsitzender des Bürgerbusvereins ist Hartmut Kitzrow. Mehr Informationen zu Strecken und Preisen im Netz auf www.buergerbus-neviges.de

Diese Hilfsbereitschaft sei von Anfang an Grundvoraussetzung bei der Einstellung der ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrer gewesen, erzählt Rother. Einen Interessenten, der zwar gerne gefahren wäre, aber auch sofort anmerkte, er habe „was am Rücken“, schickte Rother gleich wieder nach Hause. Denn es ginge ja nicht nur darum, auf Strecken zu fahren, auf denen es keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt. „Es sind meistens ältere Herrschaften, die zu uns kommen. Sie wollen zur Sparkasse, zum Markt, zum Arzt, das sind so die Klassiker. Und einige brauchen eben Hilfe.“ Wie er und seine Frau damals auf die Idee kamen? „Den Bürgerbus haben wir kopiert von den Langenbergern, da gab es das schon.“

In Abwesenheit zum Vorsitzenden gewählt

Wenn er an jene Versammlung denkt, auf der er gewählt wurde, muss Rother noch heute lachen. „Das war ein Ding, denn ich war damals gar nicht dabei. Meine Frau und ich hatten uns mit den Kindern auf Kreta getroffen.“ Im Gasthaus Seidl habe es im Mai 2000 nur ein großes Foto gegeben, das die Mitglieder per Beamer an die Wand geworfen hatten. „Dann hieß es: Hand hoch: Wer ist dafür?“, erzählt der 75-Jährige, der bis auf eine Fahrt keine einzige missen möchte. Einzig an jenen ältere Fahrgast mit zwei kleinen Hunden erinnert er sich nicht ganz so gern, was nicht etwa an den Vierbeinern liegt. Sondern eher am Verhalten des Besitzers, das habe ihn damals schon geärgert: „Die beiden Hunde hatten magenmäßig die Fahrt nicht vertragen, ich hab das dann eher zufällig später gesehen und sofort weggemacht. Er hätte ja was sagen können, so etwas passiert eben. Aber einfach abhauen, nee, das war nicht okay.“

Der neue Bus begeistert mit Technik

Aber das sei wirklich so ziemlich die einzige negative Begegnung gewesen, all die schönen, lustigen, „das war so viel, da fällt mir jetzt spontan gar nichts ein“, sagt Rother, der einfach Spaß an seinen Fahrgästen hat. „Die kennen genau unseren Fahrplan, warten schon auf uns. Zu sehen, wie die sich freuen, das ist einfach schön.“ Mittlerweile ist er auch schwer begeistert von dem neuen, technisch hochmodernen Bürgerbus, den der Verein vor einem Jahr bekam. „Erst war vieles ungewohnt, man musste sich reinfuchsen. Aber vieles ist auch richtig gut.“ So fahre der Bus erst gar nicht los, wenn man nicht angeschnallt sei. „Und es ist jetzt noch einfacher, Rollatoren und Kinderwagen zu transportieren.“

Kindheit und Jugend in Berlin verbracht

Gunnar Rother, der in Merseburg in der ehemaligen DDR geboren wurde, Kindheit und Jugend in Berlin verbrachte, 1993 erst nach Essen und 2000 nach Langenberg zog, ist von Haus aus Maschinenbau-Ingenieur und arbeitete 19 Jahre lang als selbstständiger Versicherungsfachmann. Sein Bürgerbusverein lag ihm von Anfang an am Herzen, und dass mittlerweile 34 Fahrerinnen und Fahrer auf vier Strecken eingesetzt werden, das macht ihn schon ziemlich stolz. „Die Leute erzählen einander, wie schön das bei uns ist. Das spricht sich herum, tatsächlich sind wir gerade gut aufgestellt.“

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Übrigens sitzt Gunnar Rother nicht nur liebend gern am Steuer „seines“ Bürgerbusses. „Wir haben seit 2000 ein Wohnmobil, fahren gern nach Italien, Spanien, Ungarn, herrlich.“ Am allerliebsten fährt er jedoch mit Ehefrau Carola nach Coswig bei Dresden, zu Hannah und Helene. „Ich bin Uropa von Zwillingen. Die beiden fangen jetzt an zu krabbeln, so schön.“ Dabei glänzen seine Augen, gegen Hannah und Helene kann auch der Ehrentaler nicht mithalten.