Neviges. Lothar Häger ist ein Nevigeser Urgestein. Für ein Gedicht auf seine Heimat hat er einst sogar ein Preisgeld von der Stadt Velbert bekommen.

Es gibt Menschen, für die ist das Glas immer halb voll. Die sind Neuem gegenüber aufgeschlossen, sehen die Welt trotz diverser Schicksalsschläge positiv. So wie Lothar Häger, der in dieser Folge unserer Serie „Ich liebe Neviges“ zu Wort kommt. Nur bei einem Thema, da wird der 79-Jährige fuchsig, da kennt er kein Pardon: „Neulich hat sich jemand auf Facebook unflätig über unseren Dom geäußert. Na, dem hab ich aber gleich geantwortet“, sagt der Ur-Nevigeser und holt tief Luft: „Der Dom, der ist nämlich großartig. Wir können stolz sein, dass so viele junge Architekten kommen und ihn sich ansehen.“

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Lang ist es her, für Lothar Häger (l.) bleibt die Freundschaft zu dem inzwischen verstorbenem Pater Hubertus unvergessen. Damals, bei der Hubertusmesse 2013, war Häger Chorleiter des Fanfarencorps Neviges.
Lang ist es her, für Lothar Häger (l.) bleibt die Freundschaft zu dem inzwischen verstorbenem Pater Hubertus unvergessen. Damals, bei der Hubertusmesse 2013, war Häger Chorleiter des Fanfarencorps Neviges. © WAZ FotoPool | Uwe Möller

Überhaupt, wenn jemand etwas gegen sein Neviges sagt, dann ist bei Lothar Häger Schluss mit lustig. Und wie so viele Nevigeser, war auch er 1975 alles andere als begeistert, als Neviges im Zuge der kommunalen Neuordnung den Status als eigene Stadt verlor. Aber statt lange zu nörgeln und zu hadern, hatte er sich arrangiert, „konnte man ja eh nicht ändern“. Setzte sich damals hin, überlegte, und schrieb ein Gedicht. „Dafür hab ich damals von der Stadt Velbert 100 Mark bekommen“, erzählt Häger schmunzelnd. Und schränkt sofort ein, dass bei ihm natürlich für immer und ewig Neviges an erster Stelle stehe. Auch, wenn sein Gedicht mit dem Nachbarn beginnt:

Ein Gedicht auf das neue Velbert

„Langenberg am Fuß des Senders ist ganz langsam nach Velbert geschlendert./ Mit ihr auf den Weg gemacht Neviges, von der Kannebach./ Gemeinsam gings dann steil nach oben, um sich in Velbert auszutoben./ Nur ein paar Tage, dann war‘s so weit und Velbert war als Stadt bereit, die beiden Neuankömmlinge zu hegen und ihre Städte mit zu pflegen./ Vereint, und unter Dach und Fach: Die Sende,-Bet- und Schlösserstadt.“

Die Gemeinde war immer ein wichtiger Anker

Neviges, das ist für den gelernten Werkzeugmacher, der nach seiner Lehre 44 Jahre lang als technischer Angestellter bei der Firma Hako Rollen in Tönisheide beschäftigt war, viel mehr als nur „Betstadt“ und Wallfahrtsort. Der 79-Jährige lässt den Blick schweifen über den Klostervorplatz, sagt dann mit einer ausladenden Armbewegung: „Das hier, das hat mich geprägt, das Kloster, die Franziskaner, die Pfarrkirche und natürlich der Dom. Das ist Kindheit, damit bin ich alt geworden.“ Seit dem Weggang der Franziskaner im Januar 2020 sind die Abbés der französischen Glaubensgemeinschaft St. Martin für die Seelsorge zuständig. Die Gemeinde, das war für Häger immer ein wichtiger Anker. Erst war er Messdiener, „da hab ich Latein gelernt“, später verstärkte er den Knabenchor Salve Schola, der 1958 aufgelöst wurde. „Wir waren 20 Jungs, haben die Mozart-Messe gesungen, das Halleluja, ich war Sopran. Als ich dann mit 14 Jahren in die Lehre ging, hab ich da aufgehört.“ Und entdeckte eine andere Passion: Im Januar 1960 trat Lothar Häger dem Fanfarencorps Neviges 1957 bei, wenn er davon erzählt, leuchten seine Augen.

Die Hubertusmesse aus der Taufe gehoben

„Wir sind immer bei der Fronleichnamsprozession mitgegangen, beim Segen gab es dann den feierlichen Tusch.“ Nicht zu vergessen all die Schützenfeste, Martinszüge. „Ich hab nie gefehlt, hab alles mitgemacht“, erzählt Lothar Häger, der hier auch 26 Jahre lang Chorleiter war. Dass er 1988 die Hubertusmesse mit aus der Taufe hob, darauf ist der 79-Jährige noch heute stolz. Und auch auf den Kettenanhänger aus Holz, den ihm der inzwischen verstorbene Pater Hubertus einst schenkte: „Das ist kein Kreuz, sondern ein T. Franziskus soll als Letztes mit einem Holzstab ein T in die Wand geritzt haben. Das soll heißen: Tor zum Leben.“

Ein Herz für Neviges

„Ich liebe Neviges“ heißt unsere Sommer-Serie. Sie leben in Neviges oder Tönisheide, sind hier aufgewachsen oder auch erst kürzlich hergezogen? Und sind der Meinung: „Hätte schlimmer kommen können?“ Dann melden Sie sich gern und erzählen uns, was Sie an ihrem Stadtteil mögen.

Kontakt unter 02051 49533 oder per Mail: redaktion. velbert@waz.de. Redakteurin Kathrin Melliwa trifft sich gern mit Ihnen auf ein Gespräch.

Nach vorn schauen, nicht aufgeben, immer wieder aufstehen. Der Glaube gab ihm auch in dunklen Stunden immer Kraft. Damals, als Tochter Stefanie mit zwölf Jahren starb, und auch jetzt, nach dem Tod von Ehefrau Irmgard. „Ostern 2023 ist sie gestorben, wir waren 58 Jahre verheiratet. Sie hat mir immer den Rücken frei gehalten, sonst hätte ich vieles nicht machen können.“ Dass er seine Ehefrau drei Jahre lang aufopferungsvoll zu Hause gepflegt hat, ist für den 79-Jährigen „selbstverständlich, da denkt man doch nicht drüber nach“. Wehmütig erinnert sich Lothar Häger, der dankbar über den guten Kontakt zu Tochter Susanne (54) ist, an die vielen Wanderungen mit Ehefrau Irmgard und vielen Freunden: „Über 20 Jahre haben wir das gemacht, Ausgangspunkt war immer der Marienberg. Da haben wir oben das Marienlied gesungen, es gab ein Schnäpschen, und weiter ging es in Richtung Alaunstraße zur Richrather Kapelle.

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Wenn er jetzt spazieren geht, dann gern zu dem neu erbauten Wohnviertel auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhauses an der Tönisheider Straße. „Von dem Hof aus hat man einen schönen Blick, ich finde, das ist richtig gut geworden.“ Altes nicht vergessen, aber Neuem gegenüber aufgeschlossen sein, das ist Lothar Häger wichtig. „Wir hier in Neviges, wir können stolz sein. Wir haben genug Grünzeug drumherum, manchmal kommt einem auch ein Trecker entgegen. Nee, gegen Neviges darf keiner was sagen.“