Oberhausen/Ruhrgebiet. Die Aufregung um die neue Grundsteuer hält an. Tatsächlich ist die Berechnung der Grundsteuer nicht gerechter und fairer geworden. Ein Kommentar.
Seit die Hauseigentümer ihre neuen Grundsteuer-Bescheide auf dem Tisch liegen haben, herrscht Aufregung über die Art und Weise, wie die Grundsteuer berechnet worden ist, und wie hoch sie ausfällt. In die nordrhein-westfälischen Redaktionen flattern stetig Beispiele aus der Praxis hinein, wo plötzlich Hauseigentümer aus allen Wolken gefallen sind, weil ihr Grundstück plötzlich ein Mehrfaches der früheren Grundsteuer kosten soll. Und das trifft bedauerlicherweise auch die Mieter, weil der Vermieter die Grundsteuer auf die Nebenkosten umlegen darf: Wohnen wird so noch teurer.
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2018 die alte Grundsteuer-Berechnung auf Basis von Einheitswerten aus den 60er Jahren als verfassungswidrig eingestuft, weil durch die veralteten Werte gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen worden ist: Gleichartige Grundstücke wurden in Deutschland zu unterschiedlich behandelt und berechnet.
Diese Grundsteuer-Reform hat sechs erhebliche Mängel
Doch bei der von den Richtern damals verlangten Grundsteuer-Reform, die seit 1. Januar 2025 vollzogen worden ist, sind gleich mehrere Fehler gemacht worden: Am Ende ist die heutige Grundsteuer eben nicht fairer und gleicher geworden. Und das liegt vor allem daran, dass die Millionen Grundstücke in Deutschland nicht tatsächlich individuell bewertet worden sind, sondern zur Arbeitserleichterung nach einigen Merkmalen pauschal. Das führt aber zu massiven Ungerechtigkeiten.

Erstens: Die Berechnung des Immobilienwertes ist praktisch nicht nachvollziehbar. Aus einer Mischung von Grundstücksgröße, theoretisch vermietbare Wohnfläche, Alter und Sanierungszustandes des Gebäudes sowie Restnutzungsdauer ist ein neuer Immobilienwert ermittelt worden, der dann auch noch mit einer Steuermesszahl multipliziert und damit abgesenkt wird. Weder wird klar, wie die Bestandteile mit welcher Gewichtung in die Bewertung eingeflossen sind, noch auf welcher Basis die Steuermesszahl errechnet wurde.
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Zweitens: Die theoretisch erzielbare Kaltmiete für die existierende Wohnfläche ist für die Kalkulation des Immobilienwertes eine wichtige Größe. Diese wurde jedoch vom Bund zu sehr pauschalisiert: Alle deutschen Kommunen wurden in sechs Mietniveaustufen je nach Attraktivität der Stadt eingeteilt - eine Fleißarbeit der Beamten, die aber zu ungerechten Bewertungen führt. Denn etwa für Oberhausen und Essen gilt im Stadtgebiet jeweils eine einzige Miethöhe für alle Wohngebäude, egal ob das Haus im Grünen an der Ruhr oder in der Walsumermark steht oder in angespannten Stadtteilen, in denen niemals die gleiche Miete wie in den Villenvororten kassiert werden kann.
Drittens: Die Bodenrichtwerte für die Grundstücke sind nicht grundstücks-genau, sondern werden für ganze Zonen kalkuliert. Wenn zwei Grundstücke nebeneinanderliegen und in unterschiedlichen Zonen sind, können die Bodenrichtwerte erstaunlich verschieden sein.
Viertens: Der Akzeptanz dieser Grundsteuerreform hat erheblich geschadet, dass zunächst das Finanzamt die Grundstückswerte auf Basis der Grundsteuer-Erklärung der Eigentümer ermittelt hat - und erst viel später klar wurde, nämlich erst jetzt, was dies für die Grundsteuer-Zahlung bedeutet. Dann aber ist ein Widerspruch gegen den Bescheid des Finanzamtes nicht mehr möglich.
Fünftens: Den Erfindern des Bundesmodells, das NRW anwendet, hätte klar sein müssen, dass es dadurch zu einer erheblichen Verschiebung kommt: Gewerbegrundstücke werden entlastet, Ein- und Zweifamilienhäuser belastet. Diese Wirkung des Bundesmodells, eventuell sogar dessen Absicht, ist aber ist vor dem Vollzug dieser Steuer der Bevölkerung nicht mitgeteilt worden. Auch die Kostenexplosion für einfache größere Gartengrundstücke, die niemals bebaut werden oder bebaut werden können, hätte den Fachleuten ins Auge fallen müssen. Diese Folge ist für die Betroffenen besonders ungerecht.
Ungerechte Behandlung zwischen Wohngebäuden und Wohnungen mit Gewerbeanteilen
Sechstens: Vor allem wegen der absehbar höheren Belastung von Wohnungen im Vergleich zu Gewerbearealen sahen sich die Lokalpolitiker in vielen Städten, wie in Oberhausen und in Essen, gezwungen, erstmals einen gesplitteten Hebesatz einzuführen: einen niedrigeren für reine Wohngrundstücke, einen höheren für gemischt-genutzte Immobilien und reine Gewerbegrundstücke. Wer nun aber ein Wohnhaus mit mehreren Wohnungen besitzt und im Erdgeschoss noch ein Geschäft vermietet, der muss plötzlich zusätzlich zur höheren Bewertung seiner Immobilie auch noch den höheren Hebesteuersatz seiner Kommune bezahlen - und dies trifft dann auch seine Mieter in den oberen Wohnungen. Eine Gleichbehandlung sieht anders aus.
Fazit: Zur Realität dieser Reform gehört, dass sich in der Regel selbst arme Kommunen wie Oberhausen bei der Grundsteuer-Reform nicht extra bereichern, sondern das bundesweite politische Versprechen einhalten, dass die Grundsteuer-Einnahmen genauso hoch ausfallen wie bisher. Etliche Grundstücksbesitzer, auch Eigentümer von Mehrfamilienhäusern, profitieren sogar von der Grundsteuer-Reform, sie zahlen weniger, während andere deutlich mehr bezahlen. Doch letztendlich ist die entscheidende Frage: Ist die Grundsteuer nun gerechter, fairer und gleicher als früher? Hier lautet die eindeutige Antwort: Nein. Die Politik hat diese Reform vermurkst.
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