Oberhausen. Wie gerecht ist die neue Grundsteuer für Hauseigentümer? Die Mieterträge für Oberhausen sind in den Bescheiden überraschend hoch angesetzt.

Gerade einmal gut die Hälfte aller Oberhausener Grundstückseigentümer haben es nach Angaben der Finanzämter bisher geschafft, ihre Daten zur Berechnung der neuen Grundsteuer ans Finanzamt zu liefern. Die verlängerte Abgabefrist der Grundsteuer-Formulare endet allerdings bereits in Kürze, nämlich zum 31. Januar 2023 – und wird nicht noch einmal verlängert. Ursprünglich sollte die Frist bereits Ende Oktober 2022 auslaufen. Doch selbst wer diese Hürde aus Elster-Programm und Begriffswirrwarr von „wirtschaftlichen Einheiten“, „Flurstücke“ und „Bodenrichtwerte“ genommen hat, ist noch lange nicht erlöst.

Denn schon nach wenigen Wochen erhält der Hausbesitzer etliche Seiten von Bescheiden mit ganz vielen Zahlen – zum festgestellten Wert des Grundstücks samt Immobilie, der Steuermesszahl und dem genauen neuen Steuermessbetrag. Viele Ziffern und Berechnungen des Grundsteuermessbescheids als Basis, sich über die Erhebung zu wundern.

Die erzielbare Nettomiete wichtige Ziffer für die Wertermittlung

So diskutieren Oberhausener Hauseigentümer mit dem Bescheid in der Hand, wie gerecht diese neue Grundsteuer wirklich ist. Denn ein wichtiger Wert zur Ermittlung des Immobilienpreises ist die erzielbare Miete des Hauses. „Doch hier nimmt das Finanzamt nicht die ortsübliche Vergleichsmiete in Oberhausen, sondern setzt die Miete fest, die im Anhang des Bundesgesetzes genannt wird“, erläutert Jochen Schütz, Geschäftsführer des Oberhausener Eigentümerverbandes Haus und Grund.

Tatsächlich: Jede Stadt und Gemeinde ist in einer Verordnung zum Bewertungsgesetz der Grundsteuer (Mietniveau-Einstufungsverordnung) mühsam von den Beamten des Bundesfinanzministeriums in eine von sechs Mietniveaustufen eingeteilt worden: Attraktive Großstädte mit hoher Anziehungskraft wie Düsseldorf erhielten die Stufe 6, abgelegene Dörfer die Stufe 1. Oberhausen ist ähnlich wie Recklinghausen, Duisburg, Moers oder Dortmund in Mietniveaustufe 3 eingeteilt. Mit diesen Stufen nimmt das Finanzamt Zu- oder Abschläge einer bundesweiten Nettokaltmieten-Tabelle (Anhang 39 des Bewertungsgesetzes des Bundes) vor – unterschiedlich nach Alter und Art der Immobilie (Einfamilienhaus) in verschiedenen Bundesländern. Besonders differenziert oder realitätsnah ist das nicht.

Viele Hauseigentümer über Mietangaben des Finanzamtes entsetzt

„Die meisten Eigentümer sind entsetzt, welche Mieteinnahmen in Oberhausen mit ihrem Haus angeblich erzielt werden können“, beobachtet Schütz. Denn für Oberhausen sind nach diesen Tabellen für Mehrfamilienhäuser angeblich zwischen 6,17 Euro und 7,38 Euro Nettokaltmiete je Quadratmeter für mittelgroße Wohnungen (60 bis 100 Quadratmeter) zu errreichen – unabhängig davon, ob die Immobilie in der grünen und gut situierten Walsumermark steht oder mitten in Lirich-Süd.

„Die Vermieter sagen uns, solche Zahlen sind doch nie und nimmer in vielen Gegenden von Oberhausen zu erzielen“, sagt der Haus-und-Grund-Geschäftsführer. Doch rechtlich angreifen kann man den Bescheid nur schwierig – das Finanzamt hat ja in den Bescheiden nach den Tabellen des Bundesgesetzes richtig gerechnet. Kippen müsste man per Verfassungsklage die Mietpreis- und Mietniveautabellen des Bewertungsgesetzes – was die Eigentümerverbände sogar bereits überlegen.

Kritisiert das Grundsteuer-Verfahren als ungerecht pauschal: der Oberhausener CDU-Parteichef, frühere Landtagsabgeordnete und Architekt Wilhelm Hausmann.
Kritisiert das Grundsteuer-Verfahren als ungerecht pauschal: der Oberhausener CDU-Parteichef, frühere Landtagsabgeordnete und Architekt Wilhelm Hausmann. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Architekt und früherer CDU-Landtagsabgeordneter Wilhelm Hausmann hält das Verfahren, selbst Ein- und Zweifamilienhäuser nach dem theoretisch möglichen Mietertrag zu bewerten, für zutiefst ungerecht. „Die Betrachtung ist viel zu pauschal: Hauseigentümer im Duisburger oder Essener Süden des Ruhrgebiets reiben sich die Hände, Eigentümer im Norden zahlen drauf.“ Er hatte damals in seiner CDU-Landtagsfraktion dafür plädiert, dass NRW ein eigenes Verfahren mit ortsüblichen Vergleichsmieten der vergangenen zehn Jahre startet, doch Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) entschied sich damals anders – und übernahm das bundesweite Modell des früheren Bundesfinanzministers Olaf Scholz (SPD).

Wertsteigerungen von Immobilien in den vergangenen Jahrzehnten

Dass viele Hauseigentümer nun im Bescheid einen höheren Steuermessbetrag zugewiesen bekommen als bisher, ist durch die Wertsteigerungen der vergangenen Jahrzehnte durchaus nicht unlogisch. Das Bundesverfassungsgericht hatte die alten Einheitswerte aus den 60er Jahren in seinem Grundsteuer-Urteil 2018 gekippt, weil diese Wertansätze nicht mehr der Realität entsprechen. Das bedeutet aber noch nicht, dass der Hauseigentümer künftig tatsächlich mehr Grundsteuern zahlen muss, denn entscheidend ist der neue Hebesatz, den die Kommunen im Laufe des Jahres 2024 festlegen wollen. Denn erst ab 2025 wird die neue Grundsteuer berechnet.

Jochen Schütz ist Geschäftsführer des Oberhausener Immobilieneigentümerverbandes Haus und Grund.
Jochen Schütz ist Geschäftsführer des Oberhausener Immobilieneigentümerverbandes Haus und Grund. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Jochen Schütz vom Haus und Grund ist in großer Sorge, dass die meisten Hauseigentümer am Ende höhere Grundsteuern zahlen. „Aber auch die Mieter würden darunter leiden, denn die Mieten steigen dann, da die Grundsteuer umlagefähig ist.“ Die Kämmerer der Städte hätten zwar versprochen, durch die neue Grundsteuerreform nicht mehr Geld einnehmen zu wollen als bisher, doch: „Man weiß ja nie, da die Kommunen ja viele finanzielle Lasten tragen müssen.“ Ob der Hebesatz von derzeit 670 in Oberhausen abgesenkt werde, stehe in den Sternen. Wer annimmt, dass der Hebesatz bleibt, kann seine künftige Steuerschuld übrigens schon ausrechnen: Neuer Steuermessbetrag mal 670 durch 100 gleich Steuerschuld.

Kann bisher noch nicht losrechnen, wie hoch der Hebesatz der Grundsteuer künftig in Oberhausen ausfallen wird, weil noch viele Daten der Immobilienbesitzer fehlen: Stadtkämmerer Apostolos Tsalastras.
Kann bisher noch nicht losrechnen, wie hoch der Hebesatz der Grundsteuer künftig in Oberhausen ausfallen wird, weil noch viele Daten der Immobilienbesitzer fehlen: Stadtkämmerer Apostolos Tsalastras. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Anruf bei Apostolos Tsalastras, Kämmerer der Stadt Oberhausen. Kann er zur Beruhigung der Hauseigentümer beitragen? „Ich verstehe die große Verunsicherung, aber im Moment kann ich da noch nicht helfen. Unser festes Ziel ist es, mit der Grundsteuer künftig nicht mehr einzunehmen als bisher.“ 46 Millionen Euro kassiert die Stadt Jahr für Jahr über die Grundsteuer – von Hauseigentümern und indirekt von allen Mietern. Doch: „Bevor wir den notwendigen neuen Hebesatz kalkulieren können, müssen wir alle neuen Werte der Immobilien kennen.“ Und das dauert. Eines sei aber klar: „Es wird Gewinner und Verlierer der Grundsteuerreform geben, auch wenn wir selbst nicht mehr einnehmen.“