Düsseldorf. Wer ein Haus hat, muss bald viel mehr Grundsteuer bezahlen. Es sei denn, NRW findet noch einen Weg, um die Eigentümer zu schützen.

Der Streit über die Grundsteuer und über Möglichkeiten, private Wohneigentümer von drohenden Steuererhöhungen zu entlasten, reißt in NRW nicht ab. Bei einer Expertenanhörung im Landtag warnte der Bund der Steuerzahler (BdSt) in NRW am Dienstag erneut davor, Privatleute künftig überproportional mit der Grundsteuer zu belasten: Besitzer von Eigenheimen müssten ab 2025 mit einer zusätzlichen Steuerbelastung von 20 Prozent rechnen, in den Großstädten des Ruhrgebiets sogar mit einer noch höheren Besteuerung. Eigentümern von Gewerbeimmobilien winke hingegen eine Entlastung von 50 Prozent.

„Der Gesetzgeber sollte den Städten und Gemeinden in NRW schnell ermöglichen, gesplittete Hebesätze für privat und gewerblich genutzte Grundstücke einzuführen“, meint BdSt-Landeschef Rik Steinheuer. Damit sei die Korrektur des „Ungleichgewichtes“ möglich.

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) hatte zuletzt gegenüber dem Bund für Veränderungen an der umstrittenen Grundsteuerreform geworben und für den Notfall sogar einen Alleingang des Landes ins Gespräch gebracht. Optendrenk will den Städten freiere Hand bei der Erhebung der Grundsteuer geben, um übermäßige Belastungen von Wohneigentümern zu verhindern.

Angesichts der schon jetzt absehbaren Mehrbelastungen von Wohneigentum hat NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) einmal eindringlich für seinen Vorstoß zur Grundsteuerreform geworben. Er will den Kommunen freiere Hand bei den Hebesätzen geben, um damit übermäßige Belastungen von Wohneigentümern in einigen Regionen zu verhindern. „Eine andere Lösung haben wir jetzt zum 1. Januar 2025 nicht“, sagte Optendrenk in einer Aktuellen Stunde im Landtag. 
Angesichts der schon jetzt absehbaren Mehrbelastungen von Wohneigentum hat NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) einmal eindringlich für seinen Vorstoß zur Grundsteuerreform geworben. Er will den Kommunen freiere Hand bei den Hebesätzen geben, um damit übermäßige Belastungen von Wohneigentümern in einigen Regionen zu verhindern. „Eine andere Lösung haben wir jetzt zum 1. Januar 2025 nicht“, sagte Optendrenk in einer Aktuellen Stunde im Landtag.  © dpa | Friso Gentsch

FDP-Landtagsfraktionsvize Ralf Witzel fordert einen „Ermäßigungsfaktor“ für Wohnimmobilien bei der Grundsteuer und warf der schwarz-grünen Landesregierung Arbeitsverweigerung vor. „Auf den letzten Metern der Reform ist die bevorstehende großflächige Mehrbelastung von Wohnimmobilien zu stoppen. Die Proteste von Mietern und Eigentümern kommen in seltener Eintracht“, sagte der Essener dieser Redaktion. Finanzminister Optendrenk verteidige indes das umstrittene „Scholz“-Modell.

Städte warnen: Gesplittete Hebesätze könne es zum Jahresbeginn 2025 noch nicht geben

Die Kommunen in NRW bestreiten nicht, dass Privateigentümern ab 2025 spürbare Mehrbelastungen drohten. Sie lehnen aber gesplittete Hebesätze ab, weil sie „gravierende Folgeschäden“ verursachen würden. Ihre Einführung sei schon rein technisch nicht mehr bis zum Jahresende möglich. Sie würden die künftigen Wertveränderungen von Gewerbeimmobilien nicht berücksichtigen und überforderten die Städte mit Problemen, die der Bund mit seinem Grundsteuermodell fast überall in Deutschland verursache, erklären die Kommunalen Spitzenverbände in ihrer Stellungnahme für den Landtag.

Der Eigentümerverband Haus und Grund unterstützt die Pläne von Finanzminister Optendrenk, Wohn- und Gewerbegrundstücke unterschiedlich zu besteuern, empfiehlt aber auch – wie die FDP -- eine Anpassung der so genannten Steuermesszahlen, die zur Berechnung der Grundsteuer genutzt werden. Auch darüber könnten Wohngrundstücke weniger stark belastet werden als bisher geplant.

Unabhängig von der Frage, ob die Hebesätze gesplittet werden sollen, treibt die kommunale Finanznot viele Rathäuser zur Erhöhung der Grundsteuern. Etwa jede dritte Kommune plant dies aktuell.

Grundsteuer-Ärger: Die Vorgeschichte

Im nächsten Jahr wird in NRW erstmals die Grundsteuerreform greifen. Das Bundesverfassungsgericht hatte sie 2018 erzwungen, indem es die bisherige Einheitsbewertung von Grundstücken für unzulässig erklärte. NRW wählte wie viele andere Länder als neue Berechnungsmethode das sogenannte „Bundesmodell“ und versprach den Kommunen zugleich, dass sich am Gesamtaufkommen ihrer wichtigsten Einnahmequelle nichts ändern werde. So war absehbar, dass Wohnimmobilien aufgrund ihrer Lage und Wertentwicklung deutlich höher eingestuft werden müssten als Lagerhallen oder Fabrikgebäude.

Um die erwartete Kostenexplosion beim Wohnen im Kommunalwahljahr 2025 abzudämpfen, hat NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) jüngst eilig noch eine neue bundesgesetzliche Regelung gefordert, die den Kommunen eine stärkere Differenzierung der Hebesätze ermöglichen würde. Gewerbeimmobilien könnten so höher besteuert werden, Wohnimmobilien dafür niedriger.

Grundsteuer-Ärger: Die Bedeutung dieser Steuer

Für die Städte ist die Grundsteuer eine Haupteinnahmequelle. Über die rund 6,5 Millionen Grundstücke in NRW – vom Forstbetrieb über die Lagerhalle bis zum Einfamilienhaus – kommen jährlich aktuell etwa 4,4 Milliarden Euro zusammen.

Die komplizierte Reform der Grundsteuer mit ihrem riesigen Verwaltungsaufwand hat allerdings viele Eigentümerinnen und Eigentümer in Nöte gestürzt. Nicht nur die aufwändigen Steuererklärungen gingen vielen auf die Nerven, auch die folgenden Steuerbescheide. Allein in NRW gingen bisher mehr als 1,4 Millionen Einsprüche gegen sie ein.

Grundsteuer-Ärger: Wer will was?

Im Landtag diskutierten am Dienstag Expertinnen und Experten über die Idee, „gesplittete Grundsteuer-Hebesätze“ einzuführen. Das würde bedeuten, dass Städte die Möglichkeit bekämen, die „Ungerechtigkeit“ bei der Besteuerung von Wohn- und Gewerbeimmobilien abzumildern. Der Bund der Steuerzahler in NRW ist dafür. Damit anfreunden können sich im Grundsatz zum Beispiel auch die Deutsche Steuergewerkschaft NRW und der Verband der mittelständischen Wohnungswirtschaft.

Allerdings lehnen die Kommunalen Spitzenverbände in NRW gesplittete Hebesätze ab. Die Idee, es den Städten „freizustellen“, ob und wie sie private Grundstückeigentümer entlasten, gefällt ihnen nicht. Differenzierte Hebesätze würden weiteren Widersprüchen und Gerichtsverfahren Tür und Tor öffnen. Schließlich drohe mit einem differenzierten Hebesatzrecht auch die Vergleichbarkeit der Grundsteuerlandschaft in NRW vollends verloren zu gehen, warnen der Städtetag NRW, der Städte- und Gemeindebund NRW sowie der Landkreistag NRW. Kurzfristig sei eine Einführung gesplitteter Hebesätze schon IT-technisch gar nicht möglich. Frühestens zum 1. Januar 2026 könne dies gelingen.

Grundsteuer-Ärger: Die Alternative

Der Eigentümerverband Haus und Grund Rheinland/Westfalen empfiehlt, dass NRW die so genannten Steuermesszahlen anpasst. Diese Zahlen fließen in die Berechnung der Grundsteuer ein und liegen für Gewerbegrundstücke bei 0,34 Promille, für Wohngrundstücke bei 0,31 Promille. Würde NRW den Abstand zwischen diesen beiden Werten vergrößern, könnten Gewerbegrundstücke weniger stark entlastet und Wohngrundstücke weniger stark belastet werden, so Haus und Grund. Dieser Position schließen sich zum Beispiel die Kommunalverbände und der Verband Wohneigentum an.

Grundsteuer-Ärger: Das sagt die Opposition

Auch die FDP dringt auf eine schnelle Veränderung der Steuermesszahlen, um die „Ungerechtigkeiten“ zu korrigieren. NRW könne dies selbstständig entscheiden.

Die SPD sieht das ähnlich. Alexander Baer, Finanzexperte der SPD-Landtagsfraktion, sagte auf Nachfrage: „Wir werben für die Alternative über veränderte Steuermesszahlen, um das Ungleichgewicht zwischen Wohn- und Gewerbeimmobilien zu korrigieren. Sachsen und das Saarland machen es uns vor, NRW könnte und sollte hier folgen. Gesplittete Hebesätze wären der zweitbestmögliche Weg“. Die SPD denke auch über eine Kombination zwischen neuen Steuermesszahlen und -- im Nachgang -- gesplitteten Hebesätzen nach.

Wohnen wird immer teurer, auch in gerade in Berlin: Demonstrierende fordern mehr bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit normalen Einkommen.
Wohnen wird immer teurer, auch in gerade in Berlin: Demonstrierende fordern mehr bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit normalen Einkommen. © imago/IPON | IMAGO/IPON

Grundsteuer-Ärger: Die Warnungen des Mieterschutzes

„Viele Gemeinden haben zuletzt einen Schluck aus der Grundsteuer-Pulle genommen“, sagte Hans-Jochem Witzke vom Deutschen Mieterbund NRW im Landtag. Man müsse sich gegen alles wehren, was das Wohnen teurer mache. Zahlreiche Mieterinnen und Mieter gäben heute deutlich mehr als ein Drittel ihres Einkommens fürs Wohnen aus. Der Mieterbund ist gegen unterschiedliche Hebesätze für Wohnen und Gewerbe und möchte, dass die Grundsteuer vom Eigentümer nicht auf die Mieter umgelegt wird.

Lesen Sie hier, warum sich Eigentümer wegen der Grundsteuer bald warm anziehen müssen...

Mehr zum Thema