Oberhausen. Auch für unbebautes Land ist die Steuer zu zahlen. Oberhausener Besitzer sprechen von erheblichen Anhebungen. Die Gründe für die Steigerungen.
- Seitdem die Stadt die neuen Grundsteuerbescheide verschickt hat, sind viele Eigentümer auf dem Baum.
Sie beklagen zum Teil sehr drastische Steigerungen. - Besonders betroffen ist eine Vielzahl an Besitzern, die über eine unbebaute Fläche verfügen, die als einzelnes Grundstück bewertet wird.
- Eine Oberhausenerin, die für ihren Garten jetzt das 20-fache der vorherigen Steuer zahlen muss, ist ein Beispiel. Es zeigt, wie die Kostensteigerung zustande kommt.
Frust, Unverständnis und Ärger macht sich unter vielen Eigentümern breit, seit ihnen die neuen Grundsteuerbescheide in ihre Briefkästen geflattert sind. Für Haus und Grund sollen manche Bürger plötzlich das Doppelte, Drei- oder auch Vierfache bezahlen. Betroffene haben sich in der Redaktion gemeldet.
Bei der Grundsteuer lag die Oberhausenerin bislang im dreistelligen Bereich
Astrid van Linn gehört ein Mehrfamilienhaus plus Anbau und Garage an der Mülheimer Straße sowie ein dahinter liegender Garten mit rund 1500 Quadratmetern. Beide Besitztümer bewertet und berechnet das Finanzamt schon seit eh und je als zwei unterschiedliche Grundstücke. Für das Gebäude samt Fläche zahlte die Oberhausenerin bislang rund 810 Euro und für die grüne Oase etwa 200 Euro, damit blieb die Grundsteuer im dreistelligen Bereich.
Als die Eigentümerin nun die Summen des neuen Bescheides las, wollte sie ihren Augen nicht trauen, insbesondere beim Blick auf die Grünfläche. Die Steuer für das Wohnhaus war auf 1117 Euro hochgeschnellt, der Garten auf sage und schreibe 2272,54 Euro. „Wie kann das nur sein, dass die Steuer über Nacht derart steigt?“, fragt Astrid van Linn.
Inzwischen hatte sie mehrfach Kontakt mit der Stadt und dem Finanzamt. Dabei stellte sich heraus, dass es bei der Bewertung durch das Finanzamt zwar zu einem Fehler gekommen ist, der nun korrigiert wird, allerdings wird es bei etwa 2000 Euro bleiben. Offensichtlich werde wohl die Grünfläche als Bauland eingestuft, sagt die Oberhausenerin, was sie erst recht auf die Palme bringt. Denn sie könne aufgrund der Lage dort überhaupt nicht bauen und habe das auch nicht vor.
Oberhausener hält die Grundstückswerte für „völlig aus der Luft gegriffen“
Auch bei Werner Lantermann, dem an der Drostenkampstraße in Holten ein unbebautes und ein bebautes Grundstück (Haus mit zwei Eigentumswohnungen) gehören, macht sich Unmut breit. Er hat die Werte des Finanzamtes umgerechnet. Demnach kommt er auf einen Quadratmeterpreis von 250 Euro. „Der ist natürlich vollkommen aus der Luft gegriffen, denn bei einem Verkauf würde man allenfalls die Hälfte der Summe erzielen“, sagt er.

Vor der Neubewertung waren die Grundstücke im Grundbuch dreigeteilt: 30 Meter galten als Bauland mit entsprechend hohem Grundstückspreis, danach folgten Garten- und Ackerland. Den Gipfel sieht er in der finanziellen Forderung für seinen Garten erreicht, „mit dem keinerlei Einkünfte verbunden sind“. Allein dafür zahle er schon 1400 Euro Grundsteuer, für die bebaute Fläche plus weitere Abgaben (Müllabfuhr, Abwasser, Straßenreinigung) summiere sich der Betrag auf 3200. Im vorigen Jahr kam er noch komplett mit dem Geld aus, das er jetzt allein für den Garten aufbringen muss.
Finanzämter bewerten Grundstücke insgesamt als Bauland
Was aber sind nun die Ursachen für die rasant gestiegenen Grundsteuern in den geschilderten Fällen? Bei der Neuberechnung, so die Oberfinanzdirektion Münster (OFD), wird das entsprechende Gebäude nach festgelegten Kriterien einer Bewertung unterzogen. Darüber hinaus wird für jedes Grundstück der entsprechende Bodenrichtwert veranschlagt. Diesen wiederum legt der örtliche Gutachterausschuss fest, wobei es in allen Städten, Oberhausen ist da keine Ausnahme, erhebliche Unterschiede gibt, fließen doch zahlreiche Faktoren (Lage, Anbindung etc.) mit ein.
Nach Worten eines OFD-Sprechers wird das gesamte Grundstück als „baureifes Land“ betrachtet, also damit eben auch alle unbebauten Bereiche. Das geschieht genauso, wenn es sich, wie in den dargestellten Beispielen, um ein komplett freies Grundstück handelt, auf dem ein paar Bäume stehen, eine Wiese wächst oder das als Garten dient.
Gesprächsrunde zur Grundsteuer
Das Thema Grundsteuer steht auch beim Schmachtendorfer Heimatverein im Mittelpunkt, wenn er sich am Montag, 3. Februar, um 20 Uhr im Clubhaus der SpVgg. Sterkrade-Nord, Lütticher Str. 70, trifft.
Zu Gast ist Jochen Schütz, Geschäftsführer von Haus & Grund in Oberhausen. Er wird die Grundsteuerreform erläutern und auf Fragen der Besucher eingehen.
Steuerzahlerbund bemängelt die Schwächen des neuen Berechnungsverfahrens
Genau darin sieht der Bund der Steuerzahler die enorme Schwäche des Berechnungsverfahrens. „Denn es wird davon ausgegangen, dass es sich stets um Bauland handelt“, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende Eberhard Kanski. Das führe zu einer enormen Mehrbelastung. Die Politik müsse dringend nachbessern. Ähnlich argumentiert der Eigentümerverband Haus & Grund und verweist auf laufende Musterprozesse.
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Es sind aber nicht allein die Grundstückswerte, die die Grundsteuer in die Höhe treiben, denn auch die Stadt hat an der Steuerschraube gedreht und die Abgabe gesplittet. Im Fall von Wohngrundstücken ist der Hebesatz von 670 auf 727 Punkte gestiegen. Bei Nicht-Wohngrundstücken hat sich der Satz mit 1389 Prozent nahezu verdoppelt. In diese Gruppe fallen dann auch alle unbebauten Grundstücke, wenn das Finanzamt sie als eine eigenständige Einheit betrachtet - so wie das in den drei Beispielen der Fall ist.
Es klingt schon ein wenig paradox: Würden diese unbebauten Flächen den bebauten Gebieten zugeschlagen, hätte das den deutlich geringeren Grundsteuersatz zur Folge. Damit würde sich dann die Abgabe deutlich verringern.
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Oberhausener Eigentümer melden sich beim Finanzamt und der Stadt
Wer nun enorm hohe Summen zahlen muss, fragt sich, ob er noch dagegen angehen kann. Widerspruch beim Finanzamt einzulegen, dürfte in den meisten Fällen wohl zu spät sein. Ein solcher rechtlicher Schritt muss nämlich innerhalb eines Monats eingereicht sein und die allermeisten Bescheide des Finanzamtes zur Grundsteuer (nicht die jetzt versandten Briefe der Stadt) haben die Eigentümer schon in 2022 und 2023 erhalten. Man sollte aber trotzdem nicht den Kopf in den Sand stecken. Denn in den Musterprozessen ist noch keine Entscheidung gefällt worden.
Vielfach wenden sich die Bürger auch an die Stadt. Dreht es sich um die Grundstückswerte, sind sie hier aber an der falschen Adresse. Zuständig ist das Finanzamt. Anders sieht es aus, wenn die Bürger die Berechnung als solche anzweifeln, Fehler mutmaßen oder erkannt haben. Dann sind sie in der Tat bei der Stadt Oberhausen richtig.

Unter Oberhausener Hausbesitzern macht sich ein Gefühl der Machtlosigkeit breit
Bei manchen Eigentümern mischt sich der Unmut über die hohen Abgaben inzwischen auch mit einem Gefühl der Hilfslosigkeit. Die Berechnungen sind oftmals nur schwer durchschaubar, zudem haben sie es mit einem großen bürokratischen Aufwand zu tun. Angesichts der hohen Zahl an Nachfragen landen sie bei den Rufnummern von Stadt und Finanzamt in der Warteschlange.
Vor solchen Szenarien hatten kritische Stimmen von Haus & Grund oder dem Steuerzahlerbund auch weit im Vorfeld gewarnt: Die Bürger bekommen erst einen Bescheid vom Finanzamt, mit dem sie wenig anfangen können, weil ihnen die Stadt noch keine konkreten Zahlen zur Grundsteuer geschickt hat. Nun liegen diese Bescheide vor, aber für Widerspruch gegen die Festlegungen des Finanzamtes dürfte es in den meisten Fällen zu spät sein.
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