Mülheim. Ein Mülheimer meldet sich mit einem Hilferuf: Eine alte Dame sei schwer krank und brauche dringend Versorgung. Ein Happy End zum Jahresende.

„So kann es nicht weitergehen“, mit diesen Worten meldet sich Renaldo Braun, ein Kiosk-Inhaber von der Aktienstraße, bei uns. Seit Jahren kümmert er sich um eine inzwischen 85 Jahre alte Frau aus der erweiterten Nachbarschaft. Er kauft für sie ein, begleitet sie bei Behördengängen, hilft mit der Post. Seit September habe sich ihr Zustand drastisch verschlechtert. Dreimal sei die Frau in ihrer Wohnung gestürzt. „Inzwischen kann sie gar nichts mehr, auch nicht mehr die eigene Körperpflege.“

Eine Bekannte Brauns kümmert sich nun um die Frau, macht ihr Essen, hilft beim Waschen, räumt die Wohnung auf. „Gestern mussten wir sie wieder ins Krankenhaus bringen, weil sie sich wundgelegen hat. Schlimm ist das“, schildert Renaldo Braun am Freitag (13. Dezember) und bittet die Redaktion um Hilfe.

Laut Schwägerin der Mülheimerin ging es zuletzt gesundheitlich rapide bergab

Das große Problem: Die 85-Jährige ist seit 17 Jahren schon nicht mehr krankenversichert. „Wir haben immer schon auf sie eingeredet. Aber sie war nie krank, war auch kein Arztgänger. Doch jetzt ging es rapide bergab“, sagt ihre Schwägerin, selbst 73 Jahre alt und gehbehindert. „Wenn sie mal zum Arzt ging, hat sie bar bezahlt“, sagt Braun. Mit den Krankenhausaufenthalten türmt sich nun ein Schuldenberg auf.

Die 85-Jährige hat ihr gesamtes Leben lang auf eigenen Beinen gestanden, war laut Schwägerin erst in einem Kaufhaus angestellt, machte sich dann mit einem Bügelservice selbstständig. „Die Einnahmen waren gering“, sagt Renaldo Braun. „Nach Abzug von Miete und Nebenkosten für die Nachtspeicheröfen blieben ihr mit der kleinen Rente gerade mal 200 Euro zum Leben.“ Vor drei Jahren starb ihre Tochter. 2007 starb ihr Mann. Seitdem ist sie nicht mehr krankenversichert. Es gehe auch so, habe sie laut Schwägerin beteuert. Doch in diesem Jahr hat sich ihr Gesundheitszustand rapide verschlechtert.

Sozialer Dienst eines Mülheimer Krankenhauses wollte helfen

Es sei schwierig gewesen, die Unterlagen der Frau zu sortieren, aber gemeinsam mit dem Sozialen Dienst des St. Marien-Hospitals, wo die Frau seit September nun schon vier Mal war, sei es gelungen. Bereits im September, so schildert es Renaldo Braun, habe man bei der letzten Krankenkasse, der AOK Rheinland, eine Wiederaufnahme beantragt. Seitdem seien immer wieder Unterlagen nachgefordert worden, eine Wiederaufnahme sei aber nicht erfolgt. Seit vier Wochen habe man nichts mehr gehört.

Ein Versicherungsexperte erklärt, dass eine solche Wiederaufnahme kein leichtes Unterfangen ist. Zwar sei die Krankenkasse, bei der die Person zuletzt versichert war, verpflichtet, diese wieder aufzunehmen. Allerdings müssten die versäumten Beitragsjahre nachgezahlt werden. „Daran scheitert es oft“, heißt es. Zudem müsse wirklich glaubhaft nachgewiesen werden, dass die AOK tatsächlich auch die letzte Kasse war, bei der die Frau versichert war.

Sozialdienst: Zahl der unversicherten Patienten in Mülheim steigt

Das Sozialamt der Stadt Mülheim bestätigt, dass man dort Kenntnis von dem Fall hat. „Aus hiesiger Sicht besteht nach § 5 SGB V eine Versicherungspflicht seitens der AOK, da sie dort zuletzt über ihren Mann familienversichert war“, heißt es. 

Im St. Marien Hospital werden laut Sozialdienst jährlich etwa 15 bis 20 Mal Patientinnen und Patienten ohne Versicherungsschutz eingeliefert. „Die Tendenz steigt allerdings“, berichtet die Mitarbeiterin des Sozialdienstes, die sich auch um den Fall der 85-Jährigen kümmert. Sie sagt auch: „Leider besteht kein enger Kontakt zwischen Krankenhaus und Sozialamt. Nach einiger Zeit im Beruf lernt man die richtigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner aber kennen und weiß beim kommenden Mal, an wen man sich wenden kann.“

Bislang sei es immer gelungen, Betroffene in einer Krankenkasse unterzubringen. „Jedoch kann es manchmal eine ganze Weile bis zum Erfolg dauern – manchmal mehrere Monate.“ Schwierig wird es dadurch, dass die Kassen ausschließlich mit dem Patienten kommunizieren, Briefe also an die Privatadresse schicken. Umso wichtiger sind daher auch in diesem Fall Menschen wie Renaldo Braun, die die Post im Blick behalten.

Mülheimerin kann „keinesfalls mehr nach Hause“

Die AOK Rheinland ist bereit, mit uns über den Fall zu sprechen, bittet aber um eine schriftliche Einverständniserklärung der Patientin. Und noch während diese übermittelt wird, geschieht das kleine Weihnachtswunder dann doch: „Heute Morgen kam die Info, dass sie jetzt wieder versichert ist“, sagt Renaldo Braun kurz vor Heiligabend erleichtert.

Seine erste Reaktion: „Ich habe mir einen Weihnachtsbaum geschnappt und ihr Lieblingsgetränk Fanta und habe ihr beides ins Krankenhaus gebracht.“ Nun könne auch endlich ein Pflegegrad beantragt werden. Laut Schreiben der Versicherung, das dieser Redaktion vorliegt, müssen Beiträge für die letzten vier Jahre nachgezahlt werden. Vorherige Beitragsschulden sind verjährt. Die Versicherung gilt rückwirkend. Die Erleichterung sei riesig, auch wenn Details zur Rückzahlung noch zu klären sind, versichert Renaldo Braun. „Wenn alles gut geht, kann sie von der Klinik direkt in ein Pflegeheim. Wir sind alle glücklich.“

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