Mülheim. Sie leben von kleiner Rente oder sind gar obdachlos: Wie bedürftige Mülheimerinnen und Mülheimer in Geldnot die Vorweihnachtszeit erleben.

Die Teestube der Diakonie an der Auerstraße ist vorweihnachtlich geschmückt. 50 Menschen, die zum Teil sichtlich vom Leben gezeichnet sind, haben hier Platz genommen und warten bei einer Tasse Tee oder Kaffee auf die Ausgabe von Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Kleidung. Mit welchen Gefühlen kommen diese Menschen in die Teestube der Diakonie, warum müssen sie sich hier ein Mittagessen schmecken lassen, sich mit haltbaren Lebensmitteln und mit gebrauchten Anziehsachen, aber auch mit Ruck- und Schlafsäcken eindecken?

„Ich bin froh und dankbar, dass es so etwas gibt, aber es kratzt auch an meinem Selbstwertgefühl, die Hilfe hier annehmen zu müssen“, sagt Susanne (56) über den Anlaufpunkt der Diakonie an der Auerstraße und das Hilfsangebot des Malteser Hilfsdienstes. Indem sich die Bürgergeldempfängerin hier mit einer warmen Mahlzeit, Handtüchern, einem Schal, Obst und Kaffee kostenfrei versorgen kann, entlastet sie ihr knappes Budget.

Ehemalige Altenpflegerin mit wenig Geld trifft bei Mülheimer Hilfsangebot auf Leidensgenossen

Mitglieder des Malteser Hilfsdienstes verteilen  in der Teestube des Diakonischen Werkes in Mülheim Lebensmittel an Obdachlose und Bedürftige.
Mitglieder des Malteser Hilfsdienstes verteilen in der Teestube des Diakonischen Werkes in Mülheim Lebensmittel an Obdachlose und Bedürftige. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zwar zahlt die öffentliche Hand die Miete ihrer 48 Quadratmeter großen Wohnung. Aber die 107 Euro, die sie monatlich für Strom und Heizung bezahlen muss, gehen von ihrem Bürgergeld ab. Viel lieber würde Susanne, wie früher, ihren Lebensunterhalt mit ihrer Arbeit als Servicekraft in der Gastronomie verdienen. Doch mit 56 erlebe sie bei ihrer Arbeitssuche immer wieder Altersdiskriminierung, „weil die meisten Restaurants und Cafés Leute unter 40 haben wollen.“

„Ich bin froh und dankbar, dass es so etwas gibt, aber es kratzt auch an meinem Selbstwertgefühl, die Hilfe hier annehmen zu müssen“

Susanne (56)
über den Anlaufpunkt der Diakonie in Mülheim und das Hilfsangebot des Malteser Hilfsdienstes

Silvia (63) freut sich nicht nur über die materielle Hilfe, „sondern auch über die freundlichen und hilfsbereiten Menschen, die ich hier treffe“. Dazu zählt die ehemalige Altenpflegerin, die infolge eines Herzinfarktes und einer Lungenkrankheit nicht mehr arbeiten kann und in einem kleinen Zimmer bei ihrer Schwester lebt, auch ihre Leidensgenossen. „Auch sie“, sagt Silvia, „schlagen sich wie ich mehr schlecht als recht durchs Leben.“ Umso wichtiger ist es für Silvia und ihre Teestubenbekanntschaften, „dass wir uns hier gegenseitig Trost und Mut zusprechen und zusammenhalten“.

Dachdecker, der wegen Sonnenallergie nicht weiter arbeiten kann, hilft nun anderen

Die 73-jährige Elfriede besucht die Teestube des Diakonischen Werkes an der Auerstraße in Mülheim, denn ihre Rente ist knapp.
Die 73-jährige Elfriede besucht die Teestube des Diakonischen Werkes an der Auerstraße in Mülheim, denn ihre Rente ist knapp. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Ihre Tischnachbarin Elfriede (73) ist schon seit zehn Jahren Stammgast in der Teestube der Diakonie. „Ich freue mich über die Geselligkeit und ich muss jede Hilfe annehmen, die ich bekommen kann“, erklärt die Rentnerin. „Denn von den 700 Euro Rente“, so Elfriede, „die ich monatlich bekomme, muss ich 400 Euro in meine Miete stecken.“

Und Thorsten (49) ist jeden Tag in der Teestube an der Auerstraße. Denn er arbeitet hier als „hilfreicher und tatkräftiger Mann für alle Fälle“ im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung. Außerdem lebt er über der Teestube in einer kleinen Wohnung. Darüber ist der gelernte Dachdecker, den eine Sonnenallergie arbeitslos gemacht hat, sichtlich glücklich. „Das ist super und die Leute hier sind einfach nett“, erklärt Thorsten, der am 24. Dezember seinen 50. Geburtstag feiert. Für ihn ist die Teestube der Diakonie an der Auerstraße der richtige Platz, an dem er, auch dank seiner Lebenserfahrung, Hilfe bekommen und selbst helfen kann. 

Steigende Preise führen zu mehr Not unter Bedürftigen in Mülheim

Obdachlose und Bedürftige erhalten in der Teestube des Diakonischen Werkes an der Auerstraße in Mülheim ein warmes Mittagessen.
Obdachlose und Bedürftige erhalten in der Teestube des Diakonischen Werkes an der Auerstraße in Mülheim ein warmes Mittagessen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Andrea Krause, die die Gefährdetenhilfe der Diakonie leitet, dankt den Freiwilligen des Malteser Hilfsdienstes, die die vorweihnachtliche Bescherung mithilfe privater Spenden aus der Bürgerschaft zum vierten Mal möglich gemacht haben. „Ich hatte zunächst Bedenken, weil ich mich den Leuten hier nicht aufdrängen möchte. Aber jetzt bin ich doch froh, dass ich gekommen bin, um am Internationalen Tag des Ehrenamtes den ehrenamtlichen Helfern zu danken und mit den Hilfesuchenden ins Gespräch zu kommen“, sagt Bürgermeister Markus Püll.

Die Preise steigen. Und die Not wird nicht weniger. Und wir freuen uns über jedes Lächeln und über jedes Dankeschön“, erklären Beate Schiedel und ihr Mann Wolfgang ihre Motivation, bei den Maltesern ehrenamtlich mitzuhelfen.

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