Mülheim. Für Obdachlose in Mülheim ist es schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Andreas Stasiak ist es doch gelungen. Seine Geschichte erzählt er hier.
Wohnen ist ein Menschenrecht!“, sagt Mülheims Diakonie-Chefin Birgit Hirsch-Palepu. Das sieht auch Andre Stasiak so. Der 45-Jährige weiß, was Wohnungslosigkeit bedeutet.
Wie kam es dazu: „Ich hatte die falschen Freunde und kam schon als Zehnjähriger mit Drogen und Alkohol in Kontakt“, berichtet Stasiak. Er hatte auch gute Jahre, in denen er einen Arbeitsplatz und eine eigene Wohnung hatte. Doch die falschen Freunde ließen ihn ebenso wenig los, wie der Alkohol und illegale Drogen. Er wurde kriminell und psychisch krank, landete in der Klinik und im Gefängnis.
Mülheimer hat Wohnungslosigkeit am eigenen Leib erlebt
„Man muss sich mehr um die Kinder und Jugendlichen kümmern und ihnen zeigen, dass es cooler ist, zur Schule zu gehen, eine Ausbildung zu machen und dann seinen Lebensunterhalt zu verdienen, statt mit den falschen Freunden abzuhängen und nur auf sein Smartphone zu gucken“, sagt Stasiak.
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Inzwischen hat der gelernte Maler, Lackierer und Gebäudereiniger wieder ein Zuhause. Seit November 2023 wohnt er im Diakoniehaus an der Eltener Straße in Speldorf. Er ist hier einer von zwölf Bewohnern, die, ebenso wie er, Wohnungslosigkeit am eigenen Leib erlebt haben.
Die Arbeit in der Teestube gibt Halt
Der von Andrea Krause geleiteten Gefährdetenhilfe ist er dankbar: „Die haben mich wieder auf die Beine gestellt“, betont er. Und zwar durch den Einzug in eine dreiköpfige Wohngemeinschaft im Diakoniehaus an der Eltenerstraße und sechs Stunden Arbeit pro Tag in der Teestube, die die Diakonie an der Auerstraße betreut.
„Ich verdiene damit zwei Euro pro Stunde. Viel wichtiger als das Geld, ist mir aber die Struktur, die mir die sozialen Kontakte und meine Pflichten geben“, unterstreicht Stasiak. Wenn man ihm in der Wohnküche seiner WG und in seinem zehn Quadratmeter großen Zimmer an der Eltener Straße gegenübersitzt, spürt man seine Zufriedenheit und Erleichterung.
Der ehemalige Obdachlose hilft nun anderen
Früher schlief er manchmal bis mittags, war nachts wach und trank. Das ist Vergangenheit. Nicht ohne Stolz erzählt Stasiak davon, dass er morgens um 7.22 Uhr mit der Straßenbahn in die Stadtmitte fährt, um in der Teestube der Diakonie aufbauende Gespräche mit Menschen zu führen, die seinen Weg gegangen sind, die aber noch nicht seine Etappe erreicht haben. „Man wird da gebraucht“, sagt Stasiak, der auch beim Ausschenken und Servieren von Getränken und Mahlzeiten oder beim Wäschewaschen hilft.
Er findet es gut, dass sich Wohnungslose bei der Diakonie an der Auerstraße nicht nur verpflegen, sondern auch waschen und duschen und sogar postalisch anmelden können, um Sozialleistungen und eine Jobvermittlung durch die Sozialagentur bekommen zu können.
Mülheimer wünscht sich: „Obdachlose nicht als asozial abstempeln“
Von unserer Gesellschaft wünscht sich Stasiak, „Wohnungslose, die aus unterschiedlichen Gründen auf die schiefe Bahn abgerutscht sind, nicht als Asoziale abzustempeln, die nur auf der faulen Haut liegen und Geld vom Staat kassieren wollen“.
Diesem Wunsch schließt sich Andrea Krause an. „Es werden immer mehr Menschen, die sich keine Wohnung mehr leisten können, weil die Mieten für sie zu hoch sind“, betont die für die diakonische Gefährdetenhilfe zuständige Abteilungsleiterin. Sie weiß aktuell von insgesamt 45 wohnungslosen Menschen in Mülheim, von denen 35 in Notschlafstellen an der Kanalstraße, am Klöttschen, an der Hofstraße und an der Augustastraße untergekommen sind.
Streetworker betreuen Menschen auf Mülheims Straßen
Weitere zehn Personen werden zurzeit von mobilen Sozialarbeitern betreut, weil sie auf der Straße leben. Bundesweit geht sie von 600.000 wohnungslosen Menschen aus. „Viele der Betroffenen sind in ihren problembedingten Verhaltensweisen festgefahren und müssen erst mal wieder Vertrauen lernen, um Hilfe annehmen zu können“, erklärt Diakonie-Sozialarbeiter Jonathan Dreismann, der nicht nur auf der Straße, sondern auch in der Diakonieunterkunft an der Eltener Straße arbeitet.
Obwohl Andrea Krause ausdrücklich die Zusammenarbeit mit der Stadt lobt, räumen Sozialamtsleiter Thomas Konietzka und der Leiter der städtischen Wohnungsfachstelle, Marcus Vogt ein, dass das Problembewusstsein und die Hilfsbereitschaft in ihren Verantwortungsbereichen größer sind als die konkreten Möglichkeiten, den betroffenen Menschen zu helfen. „Uns fehlen einfach die Wohnungen. Der Wohnungsmarkt ist für Menschen dicht, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind“, sagen Vogt und Konietzka.
Hohe Standards treiben Baupreise in die Höhe
Beide loben die Kooperationsbereitschaft der großen Mülheimer Wohnungsanbieter SWB und MWB. Auch bei einigen privaten Vermietern, die für das Thema sensibilisiert sind, laufen sie mit ihrem Anliegen offene Türen ein. Doch alle Bemühungen helfen nur bedingt, weil auf dem Wohnungsmarkt preiswerte, barrierearme Wohnungen für Alleinstehende und kinderreiche Familien fehlen.
Für Thomas Konietzka wäre schon viel gewonnen, wenn es den politischen und gesellschaftlichen Willen gäbe, sich von immer höheren und kostensteigernden Baustandards zu verabschieden, um schnell mehr einfachen, aber funktionalen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
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