Mülheim/Essen. Kay Shanghai ist bekannt als Essener Clubbetreiber. In Mülheim will er eine Toilette zum Szenetreff umbauen. Nun hat die „Partei“ ihn angeheuert.
Heimspiel für den Kandidaten. Aufgeräumt und gut gelaunt sitzt Kay Shanghai am Tisch im Mülheimer Café „Das Kaff“. Es ist früher Nachmittag, so langsam seine Zeit. Freundlich beantwortet er Fragen, trifft nebenbei Absprachen mit einer Mitarbeiterin, telefoniert, sticht zwischendurch die Gabel in ein großes Stück Torte.
Der Clubbetreiber, Rapper, Nachtmensch hat genussvoll eine neue Rolle übernommen: Wahlkämpfer. Die „Partei“ hat Shanghai als OB-Kandidaten für Mülheim aufgestellt. Und lange bevor die ersten Plakate hängen, ist der Slogan per Instagram raus: „#YesWeKay Make Mülheim glamorous again!“
Die „Partei“ Mülheim schickt Clubbetreiber Kay Shanghai in den OB-Wahlkampf
Der Mann, der Oberbürgermeister werden möchte, trägt eine überdimensionierte Jeans und einen schwarzen Hoodie, auf dem vorne „Bäcker Becker“ steht und hinten „Adler Frintrop“. Die kicken in Essen, der großen Nachbarstadt, in der Shanghai mit seinem Club „Hotel Shanghai“ seit etwa zwei Jahrzehnten das Nacht- und Kulturleben bereichert.
In Wuhan/China wurde er nach eigener Aussage geboren, als Kind einer Familie, die weltweit unterwegs war. In Mülheim wohnt er. „Mülheim war immer mein Refugium“, sagt Kay Shanghai (der gerne betont, dass sein Künstlername exakt so im Pass steht). „Im Vergleich zu Essen hat es einen dörflichen Charakter. Man trifft hier Leute - ein gutes Beispiel ist die Freilichtbühne mit ihrem tollen Programm, wo die unterschiedlichsten Menschen zusammenkommen können.“
Vorgänger Andy Brings holte 6,1 Prozent der Stimmen
Mit seiner schwarzen, abgerockten Lederjacke knüpft Shanghai an den Look seines Vorgängers an: 2020 präsentierte die „Partei“ den Mülheimer Musiker Andy Brings als OB-Kandidat, der Rock‘n‘Roll ins Rathaus bringen wollte und am Wahlabend bei ordentlichen 6,1 Prozent landete. Mehr als der AfD-Bewerber. Andy Brings sei sehr erfolgreich gewesen und komplett in seiner Rolle aufgegangen, meint Andreas Preker-Frank, Bezirksvertreter der „Partei“. „Alle haben ihn geliebt.“
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Eigentlich aber sei Kay Shanghai schon vor fünf Jahren erste Wahl als OB-Aspirant gewesen. Er bekam es nur nicht mit. Bereits 2020 habe er bei Shanghai angefragt, berichtet Preker-Frank. Auf die Mail kam keine Reaktion. „Da dachten wir, er hat kein Interesse.“ Er habe die Mail gar nicht gelesen, sagt Kay Shanghai. Er und Preker-Frank sind alte Kumpels und DJ-Kollegen, die sich seit jugendlichen Jahren kennen, unter anderem aus dem Autonomen Zentrum Mülheim. „Kai ist unser absoluter Idealkandidat“, sagt Preker-Frank.
Alte Idee lebt: Ehemaliges Klo in der Mülheimer Altstadt soll zur Bar werden
Politisch ist er in Mülheim noch nicht in Erscheinung getreten. Als Kreativer schon. Und als Käufer einer ausgedienten Toilettenanlage mit erheblichem Potenzial. Erstmals 2011 kam Kay Shanghai mit der Idee um die Ecke, das ehemalige Klohäuschen an der Bachstraße, am Fuße der Friedenstreppe, zu einer Pianobar umzubauen. Später war von einem Szenetreff plus Biergarten die Rede, doch seit einigen Jahre hat man nichts mehr von dem Vorhaben gehört.
Vergessen ist es nicht. „Ich werde noch jeden Tag auf das Klo angesprochen“, sagt Kay Shanghai. Und das Projekt wolle er auch umsetzen, hoffentlich 2025, „ich werde es durchziehen - das bin ich der Stadt Mülheim schuldig“. Kürzlich seien sie noch in den komplett entkernten Räumen gewesen, ergänzt Andreas Preker-Frank. „Aktuell sieht es aus wie ein Club in Berlin. Man erkennt, dass es ein tolles Ding werden kann.“
Mülheimer Rapper Kay Shanghai arbeitet am zweiten Album
Dafür brauche er jedoch Ressourcen, meint Kay Shanghai, um sich nicht zu verzetteln. Und aktuell stehe, neben der OB-Kandidatur, die Arbeit an seinem zweiten Album an, die sich schwierig gestalte. Für die neue Single, „Kleines Rave-Mädchen“, habe Andreas Dorau die Chorstimmen eingesungen. Das Video sei auch längst abgedreht. Doch die Veröffentlichung stockt.
Das erste Album von Shanghai, „Haram“, kam 2021 heraus. Aufmerksamkeit erregte er als deutscher Rapper, der offen schwul lebt und explizit textet. „Schwänze seit der Schulzeit“, heißt eine Single. Wenig überraschend: Auf dem katholischen Don-Bosco-Gymnasium in Essen, das Kay Shanghai besuchte, kam er nicht zurecht und brach die Schule in der Oberstufe ab. Danach wollte er Schauspieler werden, fand dann aber als Partyveranstalter und Clubbetreiber seine Bestimmung.
OB-Kandidat: Sorge, dass viele junge Leute in Mülheim AfD wählen
Die OB-Kandidatur sei ein durchaus ernsthaftes Vorhaben, erklären die „Partei“ und auch Kay Shanghai. Er habe Sorge, dass viele Menschen in Mülheim, auch junge Leute, AfD wählen, sagt der Bewerber. „Mir ist es ein großes Bedürfnis, dass die Rechten bei den Kids keine Plattform bekommen. Und ich will nicht nur lamentieren, sondern stelle mich selber zur Wahl, um dagegenzuhalten.“
„Was soll Kay als künftiger Oberbürgermeister für dich tun?“, fragt die „Partei“ auf Instagram. Neben knapp 500 Likes kommen etwa diese Vorschläge: „Seepferdchenweide in den Ruhrauen“, „Christoph Schlingensief wiederbeleben“, „Cannabisclubkultur an der Leineweber“, „schöne Skateparks bauen“ oder „mehr neue & bezahlbare Sozialbauten“.
„Für Kids wird in Mülheim nicht viel angeboten“
Der Kandidat, der sein eigenes Alter vage mit „Anfang 40“ angibt (46 dürfte wahrscheinlich sein), möchte sich vorrangig für junge Leute in Mülheim einsetzen. Er findet: „Für Kids in der Stadt wird nicht viel angeboten, was die verschiedenen Szenen vereint.“ So wie es in seinem Essener Club gelinge, Menschen mit Spaß und guter Atmosphäre zusammenzubringen, wünscht er es sich auch in Mülheim. Kein zweites „Hotel Shanghai“ schwebt ihm vor, aber ein Treffpunkt für alle. „Leerstände gibt es in der Innenstadt genug.“
Und weil er sich selber dem Erwachsenenalter nähert, hat Kay Shanghai auch die ältere Generation im Blick: „Eine Utopie wäre, dass die Gesellschaft nicht so gespalten ist, Ältere nicht immer weggeschoben werden.“
Mülheimer rechnet sich bei der Wahl echte Chancen aus
Andreas Preker-Frank glaubt, dass Shanghai bei vielen Wählerinnen und Wählern landen kann, ähnlich wie vor fünf Jahren Andy Brings: „Er ist ein OB-Kandidat, der Feeling hat, Liebe zur Stadt, zu den Menschen.“ Auch Kay Shanghai rechnet sich echte Chancen aus, er meint: „Ich freue mich auf den Wahlkampf. Vielleicht vertrauen die Leute mir, weil sie mich nicht als Karrieristen kennen.“ Das kann man so sagen.
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