Mülheim. Warum findet man so schwierig gute Mietwohnungen? Zwei Makler geben Tipps und verraten, wieso man nicht selbst sein Haus verkaufen sollte.

Wozu braucht man in diesen Tagen eigentlich noch einen Immobilienmakler? Die Nachfrage ist riesig, das Angebot knapp. Wer auf kostenfreien Immobilienplattformen inseriert, wird binnen weniger Tage mit dutzenden, mitunter hunderten von Anfragen überschwemmt.

Wie schwer kann es da sein, heutzutage ein Haus zu verkaufen, haben wir zwei Mülheimer Makler gefragt. Hier berichten sie, was Verkäufer gern übersehen, was Käufer und Mieter beim Bewerben beachten sollten, und was Mülheim den Nachbarstädten voraus hat.

Mülheimer Immobilienmakler: „Man kann sich auch selber die Haare schneiden“

Jens Hartmann, mit 34 vielleicht aktuell der jüngste Makler in der Stadt, wie er selbst sagt, ist gerade frisch in ein neues Büro an der Friedhofstraße in Speldorf gezogen. Eine gute Wohngegend, viele Einfamilienhäuser, weiter oben gibt’s einen herrlichen Blick ins Tal, gleich hinter den Schienen beginnt der Wald. Natürlich könne man sein Haus selber verkaufen, sagt Hartmann. „Man kann sich auch selber die Haare schneiden oder selber sein Auto reparieren.“ Die Frage sei nur, ob das dann auch sinnvoll sei.

Bevor eine Immobilie an den Markt geht, muss ein Preis festgesetzt werden. Einwertung nennt das der Fachmann. Hartmann berichtet, dass Eigentümer schon mal dazu neigten, den Preis für ihr liebgewonnenes Eigenheim, vielleicht das geerbte Elternhaus, zu hoch anzusetzen. Bleibt die Nachfrage aus, drohe „das Objekt am Markt zu verbrennen“.

„Und die Leute denken sich dann: Irgendwo ist da ein Haken“

Auch Jens Hendrik Zerres, der uns in einem gediegenen Altbau mit Blick auf den Park an der Kluse empfängt, kommt als erstes auf die Einwertung zu sprechen. „Gehen Sie mit einem Preis an den Markt, der üblicherweise ein ganzes Stück höher ist als das, was man auf dem Markt bekommt, dann machen Sie damit ihre Immobilie kaputt“, warnt Zerres. „Da bleiben Sie ein halbes Jahr auf Ihrer Immobilie sitzen, und die Leute denken sich dann: Irgendwo ist da ein Haken dran.“

Und wie wohnen Sie?

Dieser Artikel ist Teil einer neuen Schwerpunkt-Serie, zu einem der Themen unserer Zeit. Die Frage, wie wir wohnen, war selten von so großer Relevanz wie dieser Tage. Die Wohnungsnot treibt die Menschen um. Die Mieten, besonders in den Großstädten, sind in den letzten Jahren exorbitant gestiegen, ebenso die Grundstückpreise. Seit Jahren wird zu wenig gebaut, vor allem in den unteren Preissegmenten.

Wegen des Krieges in der Ukraine mussten Millionen von Menschen ihr Heimatland verlassen, über eine Million von ihnen fanden Zuflucht in Deutschland. Kommunen versuchen händeringend, immer mehr Menschen unterzubringen. Eine andere Kriegsfolge sind die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise. Ebenso unerfreulich ist die aktuelle Entwicklung der Bauzinsen. In Folge brach die Bautätigkeit bundesweit ein.

Wer eine bezahlbare Wohnung hat, gibt sie so schnell nicht mehr her. Und macht es sich gemütlich: In Folge der Corona-Pandemie fand ein unverkennbarer Rückzug ins Private statt. Als das öffentliche Leben still stand, brummten nicht nur die Kassen der Bau- und Gartenmärkte. Zimmerpflanzen, Home-Entertainment-Systeme, Trainingsgeräte, Profi-Kaffeemaschinen, Dekoartikel aller Art gingen weg wie warme Semmeln. Die Menschen haben sich eingerichtet in der Krise; immerhin zu Hause soll es schön sein.

Grund genug, sich dem Thema einmal intensiv zu widmen: Könnten Großwohnsiedlungen wie in den 60er- und 70er-Jahren ein Revival erleben? Welche neuen Konzepte gibt es fürs Wohnen im Alter? Wie entsteht Zusammenhalt in der Nachbarschaft? Was sagen Immobilienmakler zur aktuellen Wohnungssituation in Mülheim? Wie ergeht es Familien mit wenig Einkommen in „der Stadt der Millionäre“? Wir begeben uns auf die Suche nach Antworten, von nun an wöchentlich nachzulesen in der neuen Serie: „Und wie wohnen Sie?“

Dann ist da der Papierkram. „Da kommen schon mal Dinge zutage, die den Eigentümern gar nicht bekannt sind“, sagt Zerres. Dass der in den 90ern angebaute Wintergarten zum Beispiel gar nicht genehmigt wurde und damit auch nicht zur Wohnfläche gezählt werden darf. Kommt der neue Eigentümer dahinter, „kommt es höchstwahrscheinlich zum Rechtsstreit“.

Der Mülheimer Makler Jens Hendrik Zerres.
Der Mülheimer Makler Jens Hendrik Zerres. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Manchmal ist es hilfreich, keine emotionale Bindung zum Haus zu haben

Ist ein Käufer gefunden, begibt der sich auf den Weg zu seiner Bank. Auch dort werden wieder Papiere benötigt. „Wenn der Banker dann dreimal Unterlagen nachfordern muss, verliert er auch die Lust“, sagt Jens Hartmann, selber gelernter Bankkaufmann.

Manchmal müssen Makler auch als eine Art Mediatoren auftreten. Käufer und Eigentümer blicken sehr unterschiedlich auf ein Objekt: Der eine sieht vielleicht nur eine Kapitalanlage, der andere alles, was er sich in Jahrzehnten mühevoll aufgebaut hat.

Beim Hausrundgang prallen die Generationen aufeinander

Hartmann gibt ein Beispiel: „Sie haben dann oft ältere Herrschaften, die wohnen seit 40 oder 60 Jahren in ihrem Haus, haben das Bad immer gepflegt und sind der Meinung, dass alles noch gut ist. Wenn dann jemand da durch geht und sagt: ,Ich reiß‘ hier alles raus, ich mach‘ hier alles neu‘, dann kann das dazu führen, dass man einen Käufer vielleicht auch verliert.“

Hartmann hat Verständnis dafür und sieht darin auch einen Konflikt zwischen der „Nachkriegsgeneration, die alles instand gehalten und repariert hat“ und der „Wegwerfgesellschaft“ von heute. Am Ende muss der Eigentümer entscheiden: Loslassen oder weiter suchen.

Mülheim gilt im Umland als attraktive Stadt zum Wohnen und Leben

Der Immobilienmarkt in Mülheim ist umkämpft. Die Stadt hat aufgrund ihrer Lage, Größe und Geschichte eine gewisse Strahlkraft. Viel Grün, die Lage direkt an der Ruhr, die überschaubare Größe, das seien die stärksten Argumente, so beide Makler übereinstimmend. Davon fühlten sich auch Familien aus der Umgebung angezogen. Besonders begehrt ist der Süden.

Begehrte Lage in Mülheim: Auf dem Gelände der ehemaligen Lederfabrik Lindgens soll neue Wohnbebauung entstehen.
Begehrte Lage in Mülheim: Auf dem Gelände der ehemaligen Lederfabrik Lindgens soll neue Wohnbebauung entstehen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Lederindustrie, die auf eine Flussanbindung angewiesen war, könnte dafür einst den Grundstein gelegt haben, vermutet Zerres. Saarn, Menden und Holthausen sind besonders begehrte Lagen. „Schemelsbruch, Fuchsgrube, Tannenstraße, alles, was Richtung Wald ist geht, ist auch sehr hochpreisig“, so Hartmann.

In Mülheim wohnen, in Düsseldorf arbeiten

Im Süden haben die Fabrikeigentümer einst ihre Villen und Wohnpaläste gebaut, im Norden kamen die Arbeiter unter. Das auch in Essen oder Duisburg historisch gewachsene Nord-Süd-Gefälle ist bis heute spürbar. In Düsseldorf wiederum wurden die Verwaltungszentralen der Eisen- und Stahlindustrien gebaut, „Schreibtisch des Ruhrgebiets“ wurde die Landeshauptstadt einst genannt.

Duisburg und Mülheim sind durch Eingemeindungen immer näher an die Tischkante gerückt. Heute sind die südlichsten Zipfel beider Städte deswegen auch für Düsseldorferinnen und Düsseldorfer attraktiv. „Wir haben natürlich keine Düsseldorf-Preise, aber wir haben durchaus Düsseldorf-Klientel“, sagt Zerres. Das seien Menschen, denen ihre Heimatstadt zu teuer sei, und die dann lieber in Mülheim wohnten, „weil das ja auch schön grün ist“.

Die Zeit der Niedrigzinsen ist wohl vorbei

Menschen, die dagegen spezifisch etwas in Eppinghofen, Styrum oder Dümpten suchen, täten das oft aus persönlicher Verbundenheit zum Quartier. „Und auch die nördlichen Stadtteile haben sehr gehobene Wohngegenden“, gibt Zerres zu bedenken. In Dümpten die Gegend um das Hexbachtal etwa, in Styrum rund um die Straße Landwehr, trotz „leisem Säuseln“ der A40.

Knapp ist das Angebot überall. Gemessen an der aktuellen Bautätigkeit wird sich das auch so schnell nicht ändern. 2023 sind die Bauzinsen auf durchschnittlich über 4 Prozent gestiegen, aktuell liegen sie knapp darunter. „Wir werden aber aus meiner Sicht die Zinsen im Einser- oder Nuller-Bereich nicht mehr sehen“, sagt Jens Hartmann. Und so steigt auch der Druck auf dem Mietmarkt. Denn wer nicht bauen kann, muss mieten.

Wer sich nicht verkaufen kann, findet keine Wohnung mehr

Wer sich dann nicht gut verkaufen kann, geht leer aus. „Es gibt viel mehr Anfragen von verzweifelten Mietern, die fragen, ob es eine Möglichkeit gibt, bei der Mietwohnungssuche zu unterstützen, weil sie es einfach selber nicht schaffen, sich da zu behaupten“, berichtet Hartmann. Lebensläufe einreichen wie in Berlin müsse man zwar zum Glück noch nicht, sich „in Anführungsstrichen bewerben“ schon: Mit einem Bild, einer netten Vorstellung der eigenen Person oder Familie, ein paar Worten dazu, warum man gut in die Nachbarschaft passt.

Besonders schwer haben es Familien mit mehr als zwei Kindern. Wohnungen mit 70 bis 90 Quadratmeter, wie man sie vielfach in der Nachkriegszeit gebaut hat, gebe es noch relativ viele, ab 120 Quadratmetern „wird die Luft schon dünner“, sagt Hartmann. Das habe indirekt auch mit Corona zu tun, „weil heute fast jeder zu Hause ein Homeoffice benötigt“.

Steigende Mieten auch in Mülheim

Und als Single? „Da ist es einfach, etwas zu finden“, meint Jens Hendrik Zerres und schiebt noch nach: „Sie müssen gut verdienender Single sein. Fakt ist, die Mieten haben ganz schön angezogen.“ Entspannen würde sich die Lage erst dann, wenn wieder mehr preisgebunden gebaut werde. Bis 2027 hat die NRW-Landesregierung immerhin neun Milliarden Euro für geförderten Wohnungsbau bereitgestellt. „Wenn man sich das näher anguckt, ist der Topf aber so klein, dass der überhaupt keine Wirkung zeigt“, ist sich Zerres sicher.

Durch private Investitionen entstehen derzeit jedenfalls kaum erschwingliche Wohnungen. „Es wird fast nur noch im Hochpreissegment gebaut, weil alles andere mehr oder weniger unwirtschaftlich ist“, so Hartmann. Er plädiert dafür, zumindest die Prozesse zu vereinfachen, die er als „unendlich lang, unendlich kompliziert“ beschreibt. Angesichts der Zinslage und der hohen Materialkosten sieht er aber nur begrenzt politischen Spielraum. „Der Anspruch ist da, aber keiner weiß, wie es umgesetzt werden soll.“

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