Mülheim. Laut neuem Krankenhausplan soll in Mülheim eine Stroke Unit entstehen. Es fallen aber auch OPs und ganze Abteilungen weg. Was das genau bedeutet.

Der Krankenhausplan NRW wird die Kliniklandschaft grundlegend verändern, auch in Mülheim. Häuser sollen sich spezialisieren, ganze Fachabteilungen gestärkt oder geschlossen werden. Nun wird sichtbar, wohin genau die Reise geht. Das NRW-Gesundheitsministerium (MAGS) hat detaillierte Übersichten veröffentlicht, welche Leistungen die einzelnen Krankenhäuser künftig noch abrechnen dürfen.

In Mülheim muss insbesondere das Evangelische Krankenhaus (EKM) mit gravierenden Einschnitten rechnen. Dort sollen etwa Wirbelsäulen-OPs, Endoprothetik (Einsatz künstlicher Gelenke), die allgemeine Neurologie und die Stroke Unit (Spezialstation für Schlaganfall-Patienten) komplett wegfallen. Doch noch sind die Reformpläne nicht fix. Zunächst läuft ein landesweites Anhörungsverfahren zu insgesamt 60 Leistungsgruppen. Bis zum 11. August können die Klinikmanager und -managerinnen zu den Umschichtungen Stellung nehmen.

Grundversorgung weiterhin in beiden Mülheimer Krankenhäusern

Zu vier medizinischen Bereichen, die nur auf städtischer bzw. Kreisebene koordiniert werden müssen, hat das Anhörungsverfahren schon Mitte Mai begonnen. Stellungnahmen waren hier möglich bis zum 28. Juni. Er geht um Bereiche der medizinischen Grundversorgung: Allgemeine Innere Medizin, Allgemeine Chirurgie, Intensivmedizin und Geriatrie. Sie werden auch in Zukunft von beiden Mülheimer Krankenhäusern angeboten werden, wenngleich das Ministerium den Bedarf etwas anders einschätzt als die Kliniken.

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Dies gilt beispielsweise für die Allgemeine Chirurgie: Insgesamt 3350 Eingriffe pro Jahr hat das Mülheimer St. Marien-Hospital beantragt, 2696 will das Ministerium zugestehen. Beim EKM geht es um 5050 (beantragt) gegenüber 4580 OPs. Auch im Bereich der Inneren Medizin hätte sich das Evangelische Krankenhaus mehr gewünscht: 7000 Behandlungen wurden beantragt, maximal 6322 sollen bezahlt werden. Die genannten Zahlen sind aber bereits Ergebnis erfolgreicher Verhandlungen, heißt es im Anschreiben des MAGS.

Altersmedizin: Oberhausener Patienten sollen in Mülheim mitversorgt werden

Ebenso werden beide Krankenhäuser ihre Intensivmedizin im bisherigen Umfang behalten. Im Bereich der Geriatrie, Altersmedizin, hat das Gesundheitsministerium beiden Mülheimer Krankenhäusern jeweils 15 Fälle mehr zugesprochen als der prognostizierte Bedarf in Mülheim. Grund sei eine ansonsten drohende Unterversorgung in der Nachbarstadt Oberhausen. Dort soll es - nach jetzigem Stand - nur noch eine einzige geriatrische Abteilung geben, im EKO. Alte Menschen sollen durch die Mülheimer Standorte mitversorgt werden, so der ausdrückliche Wunsch des MAGS.

Im Mülheimer St. Marien-Hospital betrachtet man diese Pläne positiv: Die genannten Bereiche würden „durch die entsprechenden Zuordnungen weiter gestärkt“, heißt es in einer Stellungnahme. Gestärkt wird zweifellos auch die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung im SMH - 10.350 Behandlungsfälle jährlich hatte das Krankenhaus beantragt, bis zu 10.443 bewilligt das Ministerium.

Gesundheitskonferenz befürchtete Versorgungsdefizit bei Schlaganfällen

Um zwei Versorgungsbereiche gibt es in Mülheim seit Bekanntwerden der Reformpläne intensive Diskussionen: die Allgemeine Neurologie und die spezialisierte Behandlung von Schlaganfall-Patienten in einer sogenannten Stroke Unit. Beide Krankenhäuser möchten diese Angebote machen und hatten entsprechende Anträge gestellt. In ersten Verhandlungen hatten die Krankenkassen dies abgelehnt.

Die Kommunale Gesundheitskonferenz der Stadt Mülheim, ein breit besetztes Gremium, zeigte sich davon höchst alarmiert. In ihrer Stellungnahme an das MAGS vom Juni 2023 heißt es, man fürchte „ein gravierendes Versorgungsdefizit“ bei der Schlaganfallversorgung für die Mülheimer Bürgerinnen und Bürger, falls es keine Stroke Unit und keine Klinik für Neurologie in der Stadt geben sollte. Verwiesen wurde auf den besonders hohen Anteil älterer Menschen in der Mülheimer Bevölkerung. Schlaganfallpatientinnen und -patienten müssten in Nachbarstädte transportiert werden, was sie selber gefährde und Rettungswagen binde.

Stroke Unit wird am St. Marien-Hospital aufgebaut

Den Zuschlag im Bereich Neurologie und Stroke Unit bekommt nun das St. Marien-Hospital. Dem Haus werden jährlich 640 Behandlungsfälle in der Allgemeinen Neurologie zugewiesen und 349 für die Stroke Unit. „Wir freuen uns sehr über diesen neuen Versorgungsauftrag für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Mülheim“, erklärt Carsten Preuß, Geschäftsführer des SMH. Damit sei eine umfassende neurologische Versorgung langfristig gesichert, auch für Menschen mit Erkrankungen wie Epilepsie, Parkinson oder Multipler Sklerose. Das Evangelische Krankenhaus geht in dieser Hinsicht leer aus.

Im Evangelischen Krankenhaus Mülheim (EKM) sollen in Zukunft keine künstlichen Knie- oder Hüftgelenke mehr eingesetzt werden.
Im Evangelischen Krankenhaus Mülheim (EKM) sollen in Zukunft keine künstlichen Knie- oder Hüftgelenke mehr eingesetzt werden. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Rodion Bakum, SPD-Landtagsabgeordneter und selber Mediziner, bewertet diese Entscheidung so: „Wichtig ist, dass Mülheim nun ganz offiziell eine Stroke Unit bekommt, denn die gab es bisher nicht. Das bedeutet: Die Krankenkassen müssen künftig die Behandlung in Mülheim bezahlen.“ Bislang seien Betroffene oft, nach der Erstversorgung im SMH, zum St. Josef-Krankenhaus in Essen-Kupferdreh gebracht worden, das ebenfalls zum katholischen Betreiber Contilia gehört. Bakum erwartet nun „weniger Krankenfahrten und weniger Stress für die Patienten“.

Keine Wirbelsäuleneingriffe mehr am EKM in Mülheim

Das EKM muss in weiteren Bereichen Streichungen hinnehmen: Auch Wirbelsäulen-Operationen und Endoprothetik (Einsatz künstlicher Knie- oder Hüftgelenke) sollen dort in Zukunft wegfallen. Nur noch am SMH sind diese Eingriffe vorgesehen, im Umfang von 500 Wirbelsäulen-OPs jährlich, 400 Hüft- und 350 Knieprotheseneingriffen.

Gestärkt sieht sich das Evangelische Krankenhaus demgegenüber in den Bereichen Kardiologie, Onkologie und Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie). Insbesondere auch die Pneumologie (Lungenheilkunde) sei in Zukunft „fester Bestandteil des Leistungsangebotes des EKM“, so eine Krankenhaussprecherin.

Noch keine endgültige Entscheidung des NRW-Ministeriums

Die Frage, um welche Fachabteilungen man kämpfen will, beantwortet das Evangelische Krankenhaus noch nicht. „Es geht um eine optimale Versorgung für die Mülheimer Bevölkerung“, heißt es dort. Man werde die Situation genau analysieren und die Auswirkungen prüfen. Im Anhörungsverfahren würden noch einmal wichtige Argumente vorgetragen. „Das MAGS will ausdrücklich fundierte Einwände prüfen und berücksichtigen“, so eine Sprecherin des EKM. Die vorliegende Aufteilung sei „nicht die endgültige Entscheidung, sondern ein Zwischenstand. Erst die Feststellungsbescheide im Dezember sind der finale Stand“.

Carsten Preuß, Geschäftsführer des St. Marien-Hospitals Mülheim, begrüßt die Pläne des Ministeriums.
Carsten Preuß, Geschäftsführer des St. Marien-Hospitals Mülheim, begrüßt die Pläne des Ministeriums. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Im St. Marien-Hospital zeigt man sich erfreut über die bisherige Planung: „Die Festlegungen des Ministeriums begrüßen wir in jeder Hinsicht“, erklärt SMH-Geschäftsführer Carsten Preuß. „Damit wird die wichtige Rolle des St. Marien-Hospitals in der medizinischen Versorgung der Mülheimer Bevölkerung klar festgelegt und dauerhaft gestärkt.“ Man betrachte die Entscheidungen auch als Bestätigung der Ausrichtung und Investitionen in den vergangenen Jahren.

Bakum (SPD): „Veränderungen in Mülheim, aber keine Dramen“

Der Mülheimer SPD-Gesundheitsexperte Rodion Bakum meint: „Es wird in Mülheim Veränderungen gebe, aber keine Dramen. Wir haben zwei starke Krankenhäuser für eine sehr gute Grund- und Spezialversorgung. Das wird auch so bleiben.“ Angesichts der gewollten Spezialisierung der Krankenhäuser mache ihm etwas anderes Sorgen: Insgesamt werde es längere Krankentransporte geben, so Bakum. „Die Rettungsdienste sind aber jetzt schon am Anschlag, was Einsätze angeht. Das ist ein enormes Problem, für das heute noch keiner eine Lösung weiß.“

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