Mülheim. Beim neuen Bundes-Klinik-Atlas schneiden beide Mülheimer Krankenhäuser schlecht ab. Doch stimmen die hinterlegten Informationen überhaupt?
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nennt ihn einen „übersichtlichen Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel in Deutschland“. Gemeint ist der vor kurzem online gegangene Bundes-Klinik-Atlas. Das Informationsprotal soll Patientinnen und Patienten helfen, sich etwa im Vorfeld einer Operation über eine dafür geeignete Klinik zu informieren.
Wie ist der Erfahrungsstand am Standort, wo liegt besondere Expertise vor, wie ist die Personallage? Leicht verständliche Antworten und Vergleichsmöglichkeiten soll das neue Angebot bringen. Von Klinikbetreibern und Verbänden hagelt es indes bundesweit Kritik: Das Angebot sei weder neu, noch informativ. Schlimmer noch: Die hinterlegten Daten seien teils falsch, teils veraltet und führten Patientinnen und Patienten in die Irre. Vorwürfe, die auch von den beiden großen Krankenhäusern in Mülheim erhoben werden. Doch zunächst zu den Ergebnissen.
Der neue Bundes-Klinik-Atlas: Die Ergebnisse für Mülheim
Der Klinik-Atlas informiert unter anderem über die Zahl der Behandlungsfälle, den sogenannten Pflegepersonalquotient, etwaige Zertifikate und den Stand der Notfallversorgung.
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Mit 18.883 Fällen pro Jahr liegt das Evangelische Krankenhaus (EKM) im grünen Bereich. Der grafisch dargestellte Regler schlägt nach rechts aus: Ein guter Wert, soll das wohl heißen. Hier werden „vergleichsweise sehr viele“ Patientinnen und Patienten behandelt. Das St. Marien-Hospital fällt mit 10.019 Fällen in die nächstgelegene, grün-blaue Kategorie („viele Behandlungsfälle“). Das heißt zunächst einmal nur: Mülheim verfügt, gemessen an den Fallzahlen, über zwei überdurchschnittlich große Häuser. Ruft man die Profile der Kliniken gesondert auf, werden diese Zahlen noch einmal nach Fachabteilungen aufgeschlüsselt.
Beim Pflegpersonalquotient schneiden beide Krankenhäuser schlecht bis sehr schlecht ab. Der Quotient setzt die Personalstärke mit dem vorhandenen Pflegeaufwand ins Verhältnis. Das EKM kommt mit einem Wert von 54,59 auf einen „unterdurchschnittlichen“, das St. Marien-Hospital mit 59,42 auf einen „weit unterdurchschnittlichen“ Wert. Der Klinik-Atlas ordnet die Häuser damit den niedrigsten beiden Kategorien zu. Die Aussage lautet: Hier herrscht akuter Personalmangel.
Keine „umfassende Notfallversorgung“ in Mülheim
Bei den „ausgewählten Zertifikaten“ punktet das EKM mit vier Zertifikaten, darunter finden sich etwa zwei Krebszentren, das St.-Marien-Hospital mit insgesamt zwei, eines davon für die Behandlung von Schlaganfällen. Hier werden ausdrücklich nicht alle vorhandenen Zertifikate aufgeführt. Stattdessen werde eine Auswahl nach bestimmten Kriterien getroffen.
Bei der Notfallversorgung wird das EKM in die zweite von drei Stufen eingeordnet („Erweiterte Notfallversorgung“), das St. Marien-Hospital in die erste („Basisnotfallversorgung“). Eine „umfassende Notfallversorgung“ ist demnach in keinem der beiden Häuser gegeben. Alles in allem schließt das EKM damit etwas besser ab als das St. Marien-Hospital.
„Hier wurde handwerklich sehr schlecht gearbeitet“
So viel zu den hinterlegten Daten im Portal, das tatsächlich, besonders für deutsche Verhältnisse, recht benutzerfreundlich und übersichtlich ausgefallen ist. Nur: Die Daten stimmen nicht. So lautet jedenfalls der Vorwurf von Nils B. Krog, Geschäftsführer des EKM. „Hier wurde handwerklich sehr schlecht gearbeitet“, sagt Krog.
Damit ist er nicht allein. Zahlreiche Kliniken haben in den vergangenen Tagen ihrem Frust Luft gemacht. Die Mängelliste des EKM ist lang: Die Zahl der Betten sei mit 476 statt 602 falsch angegeben, die Zahl der Pflegekräfte zu niedrig angegeben, sechs Fachabteilungen und das Brustzentrum Mülheim/Oberhausen seien gar nicht gelistet.
Weniger konkret aber in die gleiche Richtung lautet die Kritik des St. Marien-Hospitals. „Die Datenlage ist unvollständig oder falsch – zumindest aber veraltet“, teilte eine Pressesprecherin auf Anfrage mit, ohne ins Detail zu gehen. Begriffe und Zusammenhänge seien für Laien zudem nur schwer nachvollziehbar, die Qualitätskriterien nicht ausreichend dargestellt.
Wie kommt es zu den angeblichen Fehlinformationen?
Die Werte im Bundes-Klinik-Atlas basieren auf Daten zweier Institute, die ihrerseits unter anderem auf Informationen von Krankenkassen und Krankenhäusern zurückgriffen. Unter den gelisteten Fachabteilungen wurde zudem ein gefetteter Hinweis angebracht: „Die Fachabteilungen werden so dargestellt, wie die Krankenhäuser diese melden.“
Liegt das Versäumnis also bei den Kliniken selbst? Eine Pressesprecherin von Ategris, dem Mutterunternehmen des EKM, ließ auf Nachfrage ausrichten, aktuelle Daten hätten den beiden verantwortlichen Instituten fristgerecht vorgelegen. Das St. Marien-Hospital teilt dagegen mit: „Bisher haben die Krankenhäuser wie das St. Marien-Hospital Mülheim an der Ruhr keine Möglichkeit, aktiv an der Erfassung der Daten im Bundes-Klinik-Atlas mitzuwirken. Dies ist erst für das vierte Quartal 2024 angekündigt.“
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Widersprüchliche Aussagen, die zumindest in einem Punkt übereinstimmen: Die Verantwortung liegt beim Bundesgesundheitsministerium. Zumindest dessen Zielsetzung, für mehr Transparenz in der deutschen Kliniklandschaft zu sorgen, befürworten beide Mülheimer Krankenhäuser ausdrücklich.
Gibt es eine Alternative zum Bundes-Klinik-Atlas?
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) spricht von „ungezählten Meldungen aus Kliniken in allen Bundesländern“. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wirft sie ein zu hastiges Vorgehen vor. „Dabei hätte man gemeinsam im Vorfeld die Suchmaschine auf Fehler prüfen können“, so die DKG weiter.
Patientinnen und Patienten empfiehlt sie das Deutsche Krankenhausverzeichnis, ein vergleichbares Online-Angebot, das seit über 20 Jahren besteht – dessen Daten von 2022 allerdings auch veraltet sind.
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