Essen. NRW plant seine Kliniklandschaft neu. Im Streit auch um gewinnbringende Fachbereiche zeigen sich in den Städten jetzt erste Einschnitte

Es geht um Krebszentren, Hüftoperationen und Transplantationen: Die Kliniken im Ruhrgebiet müssen sich bei der Krankenhausreform des Landes NRW auf tiefgreifende Einschnitte einstellen. Das geht aus einer aktuellen Übersicht des Landes hervor, mit der die geplante Klinikreform in NRW nun konkrete Züge annimmt.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) will erreichen, dass sich die Kliniken stärker spezialisieren, um so die Qualität der Behandlung zu verbessern. In den nun veröffentlichten Dokumenten wird deutlich, auf welche zum Teil prestige- und gewinnträchtigen Fachbereiche sie zugunsten anderer Kliniken verzichten sollen, und welche Disziplinen sie aufbauen sollen.

Weniger Frühchen-Zentren, Uniklinik Essen soll keine Herzen mehr transplantieren

Die Details sind kompliziert, erste Beispiele aus der Region zeigen eine Tendenz: Zwischen Bochum, Herne und Dortmund sieht das Land nur an sechs von bislang zehn Klinikstandorten die Voraussetzungen, um Hüftprothesen einsetzen. Im Gebiet von Gelsenkirchen, Bottrop und Recklinghausen sollen nur noch halb so viele Häuser Kniegelenke ersetzen, dafür einzelne deutlich mehr operieren.

In Duisburg haben Eltern von Frühchen nur noch eine Anlaufstelle - das Helios Klinikum Duisburg wird zugunsten der Sana Kliniken nach dem Willen des Landes NRW kein Perinatalzentrum mehr beherbergen. Die Katholischen Einrichtungen Ruhrgebiet-Nord (Kern) könnten das Brustzentrum Recklinghausen verlieren. Am Uniklinikum Essen, zu dem das Westdeutsche Zentrum für Organtransplantation gehört, soll es laut Landes-Liste keine Herztransplantationen mehr geben. In Ruhrgebietsnähe sollen Herztransplantationen künftig nur am Uniklinikum Düsseldorf stattfinden.

Anderswo soll aufgerüstet werden: Das Katholische Klinikum Bochum etwa, Sitz eines traditionsreichen Wirbelsäulenzentrums, soll am Standort St. Josef mehr Eingriffe machen können als bislang.

>>> Die komplette Übersicht des zweiten Anhörungsverfahrens finden Sie hier

Mit der Reform verabschiedet sich Laumann von dem langjährigen Credo, die Kliniklandschaft anhand der Betten in den Häusern zu planen. Stattdessen hat das Land auf Grundlage eines Gutachtens 64 Leistungsgruppen entwickelt, nach denen die Krankenhauslandschaft neu aufgestellt werden soll.

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Die Anhörung zu den ersten vier Leistungsgruppen der medizinischen Grundversorgung - Allgemeine Innere Medizin, Allgemeine Chirurgie, Intensivmedizin, Geriatrie - ist Mitte Mai gestartet und vergleichsweise geräuschlos geblieben. Bei den jetzt folgenden Einteilungen der 60 übrigen Leistungsgruppen erwarten Fachleute viele Diskussionen. Sie berühren landesweite Spitzenmedizin, regionale Klinikschwerpunkte und viele Fachbereiche, mit denen die Krankenhäuser Geld verdienen.

Krankenhäuser können bis August Stellung nehmen

Die Krankenhäuser hatten sich im Vorfeld mit konkreten Fallzahlen und ihrer Infrastruktur für die jeweiligen Leistungsgruppen beworben. Die jetzt veröffentlichte Auflistung bedeutet noch nicht, dass sie tatsächlich auf bestimmte Disziplinen verzichten müssen. Vielmehr haben die Klinikchefs und Klinikmanagerinnen bis 11. August Zeit, zu den Plänen des Landes Stellung zu nehmen.

Das Land wertet die Stellungnahmen aus. Erst zum Jahresende werden die tatsächlichen Bescheide des Landes erwartet. Dann erhalten Krankenhäuser nur noch Gelder für Behandlungen in den Leistungsgruppen, die ihnen vom Ministerium zugeschrieben worden sind. Patientinnen und Patienten werden die Auswirkungen der Klinikreform besonders ab 2025 spüren.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit.

„Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen und nicht jedes Krankenhaus kann alles gleich gut machen.“

Karl-Josef Laumann

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sagte am Montag, wesentliches Ziel der neuen Krankenhausplanung sei es, die bestmögliche Qualität in der stationären Behandlung für die Patientinnen und Patienten zu ermöglichen. „Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen und nicht jedes Krankenhaus kann alles gleich gut machen“, so Laumann. „Ich bin davon überzeugt, dass nur durch mehr Abstimmung und Kooperation der Krankenhäuser untereinander die knappen Ressourcen bestmöglich eingesetzt und qualitativ hochwertige Schwerpunkte gebildet werden können.“

NRW arbeitet seit 2018 an der Reform

Das Land plant seit 2018 an der Krankenhausreform. Beteiligte hatten den Reformprozess lange als vorbildlich bewertet, weil die Krankenhäuser über ihre Interessensvertretung und auch die Krankenkassen als Kostenträger beteiligt worden sind. Für Kliniken, die Fachbereiche verlieren und andere ausbauen sollen oder mit anderen Krankenhausgruppen einen Verbund eingehen wollen, will das Land NRW 2,5 Milliarden Euro bereitstellen.

Parallel zur Landesreform plant der Bund, die Finanzierung der Kliniken zu verändern. Künftig gibt es zwei Einnahmequellen: die Fallzahlen, wie bislang ausschließlich, und neuerdings auch Pauschalen für das Vorhalten von Technik und des Personals.