Herne. Trotz Wirtschaftskrise zeigt sich der Herner Arbeitsmarkt erstaunlich stabil. Die Entwicklung in Syrien kann ihn in Zukunft beeinflussen.

Es sind Zahlen, die Angst und bange machen können: ThyssenKrupp will in seiner Stahlsparte rund 5000 Stellen streichen, Ford streicht in Köln 2900 Arbeitsplätze. Auch in Herne ist die anhaltende Wirtschaftskrise angekommen, man denke nur an den Cranger Betonpumpen-Hersteller Schwing, der seit geraumer Zeit in Schwierigkeiten steckt, obwohl er zu den weltweiten Technologieführern in seiner Branche zählt. Angesichts dieser Hiobsbotschaften liegt die Erwartung nahe, dass die Lage auf dem Herner Arbeitsmarkt immer ungemütlicher wird. Doch der zeigt sich robust, wie die Jahresbilanz der Agentur für Arbeit offenbart.

Für Christopher Meier, Geschäftsführer der Arbeitsagentur, wird Qualifizierung immer wichtiger.
Für Christopher Meier, Geschäftsführer der Arbeitsagentur, wird Qualifizierung immer wichtiger. © FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann

Agentur-Geschäftsführer Christopher Meier sprach von einem „ambivalenten Bild“ mit mehreren Effekten. Auf der einen Seite gebe es angekündigte Stellenstreichungen, auf der anderen Seite führe der demografische Mangel dazu, dass es gleichzeitig einen Fachkräftemangel gebe. Diese Konstellation habe es noch nie gegeben. Vor diesem Hintergrund sei die Lage in Herne „erfreulich stabil“. Zwar ist die Zahl der Arbeitslosen gegenüber 2023 gestiegen - von 8929 auf nun 9445 Personen -, doch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sei erneut gestiegen auf nun 50.415 - der zweithöchste Wert seit 15 Jahren. Noch ein anderer Wert spiegelt die ungewöhnliche Situation. 2100 neue Stellen haben im ablaufenden Jahr Herner Unternehmen gemeldet - 267 mehr als im Jahr 2023. Schlussfolgerung: Auch in unsicheren Zeiten benötigen Firmen Personal.

Da die Krise aller Voraussicht nach auch im kommenden Jahr andauern wird, werde Qualifizierung immer wichtiger. „Eine abgeschlossene Ausbildung ist die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit“, so Meier. Die Unternehmen verzichteten nicht auf qualifizierte Leute, denn die bräuchten sie, wenn die Krise vorbei sei. Die Daten der Agentur zeigten, dass zwei Drittel der Arbeitslosen in Herne keine abgeschlossene Ausbildung haben.

Thomas Saponjac und das Team des Hernes Jobcenters haben rund 3000 Menschen in Beschäftigung geführt.
Thomas Saponjac und das Team des Hernes Jobcenters haben rund 3000 Menschen in Beschäftigung geführt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Das Thema Qualifizierung wird auch beim Jobcenter groß geschrieben. 2024 sei kein leichtes Jahr gewesen, so Geschäftsführer Thomas Saponjac, doch das Team habe mehr als 3000 Kundinnen und Kunden in den Arbeitsmarkt begleiten können, damit habe man das selbst gesteckte Ziel sogar übertroffen. „Wir werden die Menschen auch in Zukunft eng begleiten und passgenaue Lösungen finden, dann können wir weitere Erfolgsgeschichten schreiben“, so Saponjac.

Auch Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda geht davon aus, dass das nächste Jahr „herausfordernd“ wird, er sehe erst Ende 2025 „Licht am Ende des Tunnels“. Er wies darauf hin, dass gerade die Krise bei ThyssenKrupp die Stadt treffe, da auch in Herne Mitarbeiter des Stahlkonzerns lebten. Klar sei, dass die Arbeitslosigkeit nach wie vor zu hoch sei, doch dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten immer noch über der 50.000er-Marke liege, sei eine sehr gute Nachricht. Dudda: „Herne ist krisenfester geworden.“ Er hofft, dass die Zahl in den nächsten fünf Jahren auf etwa 55.000 steigt, das würde der Stadt gut tun.

Syrer Herne
Tausende Syrer feierten am Sonntag die Flucht von Diktator Assad. Die Entwicklung in Syrien könnte auch den Herner Arbeitsmarkt beeinflussen. © Tobias Bolsmann | Tobias Bolsmann

Alle Beteiligten haben die Entwicklung in Syrien am Sonntag genau verfolgt, denn sie könnte auch Auswirkungen auf den Herner Arbeitsmarkt haben. Allerdings sei es noch viel zu früh für Prognosen, ob und wie viele Syrerinnen und Syrer in ihr Heimatland zurückkehren. Dudda wies darauf hin, dass Herne mit rund 7000 Menschen eine der größten syrischen Communitys in NRW habe. Der Herner Verwaltungsvorstand (der OB und alle Dezernenten) werde sich am Dienstag mit der neuen Situation beschäftigen. Bei rund 1000 Einbürgerungen in diesem Jahr sei der größte Teil Syrer gewesen. Bei ihnen sei die Wahrscheinlichkeit nicht so groß, dass sie zurückkehrten.

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