Herne. Christopher Meier ist neuer Chef der Herner Agentur für Arbeit. Im WAZ-Gespräch spricht er über Chancen und Probleme auf dem Arbeitsmarkt.

Die Herner Agentur für Arbeit hat seit 1. April einen neuen Geschäftsführer. Christopher Meier folgt auf Frank Neukirchen-Füsers. Für den 46-jährigen ist es eine Rückkehr zu seinen beruflichen Wurzeln.

Der Grund: Meier war zuletzt acht Jahre in Diensten bei der IHK Köln, doch seine Wurzeln liegen bei der Agentur für Arbeit. „In den acht Jahren ist das Band zur Bundesagentur nie abgerissen“, so Meier im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Und als sein früherer Arbeitgeber ihn gefragt habe, ob er sich vorstellen könne, die Geschäftsführung für Herne und Bochum zu übernehmen, da habe die Antwort gelautet: „Ja, kann ich mir vorstellen.“ Er habe in Bochum studiert, so sei es eine gute Möglichkeit gewesen, in eine Region zurückzukehren, die er gut kenne.

„Ich erzähle seit 18 Jahren den gleichen Vortrag“

Meiers Schwerpunkt, sowohl bei der Agentur für Arbeit als auch bei der IHK, lag immer auf der Aus- und Weiterbildung, eine zentrale Aufgabe sei die Beratung von Unternehmen, zum Beispiel bei der inzwischen schwierigen Suche nach Auszubildenden. Doch darüber hinaus warten auf Meier verschiedene andere Herausforderungen: Dazu gehört die Tatsache, dass in Herne in den nächsten zehn Jahren nicht weniger als 30 Prozent der Beschäftigten 65 Jahre alt werden - und damit in den Ruhestand gehen oder kurz davor sind. Meier hat diese Entwicklung offenbar lange vorausgesehen. „Ich erzähle seit 18 Jahren quasi den gleichen Vortrag. Schon damals habe ich über die Zahlen im Jahr 2030 gesprochen, damals hat mir nur keiner zugehört, weil es so weit weg war.“ Er habe schon damals darauf hingewiesen, dass seine Zahlen keine Prognose seien, sondern Fakt. „Die, die damals nicht geboren worden sind, werden auch in 18 Jahren keinen Schulabschluss machen oder dem Ausbildungsmarkt zur Verfügung stehen.“

Mittlerweile hörten die Unternehmen genauer zu, weil jeder in irgendeiner Form von dieser Entwicklung betroffen sei. Man denke nur an die „Pizzeria um die Ecke“, die nun drei Ruhetage habe statt früher einem, weil sie kein Personal finde. „Deshalb müssen wir schauen, ob wir Menschen aufschulen oder qualifizieren. Wir müssen junge Leute auch besser auf Berufe vorbereiten und Spaß am Thema Beruf vermitteln. Und wir müssen Personen eine Chance geben, die vielleicht erst auf den zweiten Blick für Arbeitgeber interessant sind. Die vielleicht keine guten Noten haben. Für mich sind das Praxisperlen.“ Viele Unternehmen schauten tatsächlich nicht mehr auf die Noten, sondern auf die unentschuldigten Fehlstunden.

Christopher Meier beim Besuch in der Herner WAZ-Redaktion.
Christopher Meier beim Besuch in der Herner WAZ-Redaktion. © FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann

Fehlende Arbeitskräfte könnten sogar dafür sorgen, dass sie die Konjunktur schwächen, wenn man nicht optimal auf die Situation reagiere. Dazu gehöre eben, auf die Praxisperlen zu schauen, aber auch Frauenerwerbstätigkeit sei ein Faktor. „Es muss uns gelingen, über Kinderbetreuung diesem gut ausgebildeten Personenkreis zu ermöglichen, seine Arbeitszeit auszuweiten.“ Auch Geflüchtete könnten dazu beitragen, die Lücke bei den Arbeitskräften zu füllen.

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In dieser Hinsicht gebe es bei der Agentur einen kleinen Schwenk. Habe früher der Spracherwerb im Zentrum gestanden, gehe es jetzt eher Richtung „Training in the Job“ bei der Sprache, um die Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Gerade bei den ukrainischen Geflüchteten schaue man, wie sie so in den Arbeitsmarkt integriert werden können - anders als 2015 und 2016, als man bei den syrischen Flüchtlingen sehr stark auf Sprache gesetzt habe. Die Arbeitsagentur selbst gehe genau diesen Weg und habe eine Ukrainerin eingestellt, die noch nicht so gut Deutsch spreche, aber eine sehr gute Ausbildung habe.

Meier wirbt für die Qualifizierungsangebote der Agentur für Arbeit

Darüber hinaus habe die Arbeitsagentur zahlreiche Instrumente in der Hand, um Menschen für die Bedürfnisse von Unternehmen zu qualifizieren, das koste allerdings Zeit. „Wenn Firmen eine fertige Fachkraft sofort haben wollen, dann muss man heute in vielen Fällen sagen: Sofort gibt es diese Fachkraft nicht.“ Die Arbeitsagentur könne die Kosten für eine Qualifizierung teilweise oder sogar ganz übernehmen. „Unternehmen müssen die Scheu vor so einer Förderung verlieren.“

„Herne hat eine gute Dynamik bei der Ausbildung entwickelt“

All diese Herausforderungen werden Christopher Meier auch in Herne begegnen, manche sicher auch in stärkerer Form als in Bochum. Noch sei Herne für ihn ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Klar, von der Cranger Kirmes habe er schon gehört, der Besuch in diesem Jahr werde aber eine Premiere sein. „Da bin ich schon sehr gespannt drauf. Vom Steinmeister habe ich schon gehört.“

„Ich bin gespannt auf die Stadt.“ Die Hernes Stadtspitze sei, so habe er es schon gehört, sehr engagiert bei den Themen Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Eine einstellige Arbeitslosenquote zu erreichen, sei allerdings schwierig unter den gegebenen Umständen. Aber der Ausbildungsmarkt habe sich sehr gut entwickelt. „Da hat Herne eine gute Dymanik entwickelt.“ Allerdings könne man Probleme wie die Langzeitarbeitslosigkeit nicht ausblenden, aber das gehöre für eine Stadt im Ruhrgebiet dazu, die auch vom Strukturwandel betroffen war. Das Gute sei, dass es im Rathaus eine Idee gebe, wie man die Probleme lösen kann.

>>> ZUR PERSON

Christopher Meier hat Sozialwissenschaften an der Ruhr-Uni Bochum studiert. Nach seinem Studien war er zehn Jahre in verschiedenen leitenden Funktionen für die Bundesagentur für Arbeit tätig, ehe er zur IHK wechselte.

Meier ist verheiratet und hat einen dreijährigen Sohn. Er lebt in Düsseldorf. In seiner Freizeit widmet er sich gern dem Sport, insbesondere dem Skifahren, liebt die Berge und fährt gerne Fahrrad.