Herne. Paukenschlag im Fall des verstümmelten Herners (✝66). Der als überführt geltende Verdächtige ist frei. Was zur überraschenden Wende führte.

Überraschende Wende im Fall des brutal verstümmelten 66-jährigen Herners: Der als überführt geltende Verdächtige musste aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Ein neues Gutachten gab völlig unerwartet den Ausschlag. Staatsanwalt Andreas Bachmann beantragte umgehend die Aufhebung der Untersuchungshaft. Es geht in dem Fall um den abgetrennten Penis letztlich um Ermittlungsdetails, die aber entscheidend sind.

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Neues Gutachten kommt mit komplett unerwartetem Ergebnis

Bachmann hatte sich noch am Dienstagnachmittag gegenüber der Redaktion zuversichtlich gezeigt, dass die Anklage gegen den 32-Jährigen vielleicht noch in diesem Monat fertiggestellt sein könnte. Kurz darauf sei dann ein weiteres Gutachten der Rechtsmedizin Essen eingetroffen. Dieses sieht den 32-jährigen nahen Verwandten nicht mehr so eindeutig überführt, dass es zu einer Verurteilung reichen könnte. „Ich habe das in meinem Berufsleben zum ersten Mal erlebt“, sagt der Staatsanwalt. Und er blicke auf 30 Jahre Berufserfahrung zurück. Die Erklärung für die neue Einschätzung ist so kompliziert wie ungewöhnlich.

Bachmann gibt jetzt erstmals vorsichtig kleine Details der Ermittlungen preis. Die Ermittler hatten in dem Haus an der Magdeburger Straße in Eickel frische Spuren des 32-Jährigen, der lange nicht mehr im Haus gewesen sein soll, gesichert. Bei einem Abgleich mit der DNA des nahen Verwandten (genauere Angaben machte die Staatsanwaltschaft aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht) gab es dann den Volltreffer.

Tatort Magdeburger Straße in Herne: Hier ereignete sich im Februar der Vorfall.
Tatort Magdeburger Straße in Herne: Hier ereignete sich im Februar der Vorfall. © WAZ | Arne Poll

Nachweis ist eine Sache höchster Wahrscheinlichkeiten

Mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als „30 Milliarden zu eins“ sei die Spur dem 32-Jährigen zuzuordnen, hieß es zunächst. Die Einschätzung galt allerdings nur für Menschen, die nicht mit dem Opfer verwandt sind. Das neue Gutachten schätzte die Wahrscheinlichkeit jetzt auch für Verwandte ein – wie im Fall des 66-Jährigen und des Verdächtigen. Dabei fiel die Wahrscheinlichkeit unter die Grenze von 30 Milliarden. Diese Grenze gelte trotz der vermeintlichen Eindeutigkeit aber als entscheidend, um anhand der Spurenlage zu einer Verurteilung zu kommen.

„Damit besteht zwar ein Anfangsverdacht, aber kein dringender Tatverdacht“, sagt Bachmann. Das alleine sei dann kein Haftgrund mehr. Die Staatsanwaltschaft Bochum habe dementsprechend die Aufhebung des Haftbefehls beantragt.

Staatsanwalt: „Wir sind nicht am Ende der Ermittlungen“

Was heißt das nun für die Ermittlungen? „Wir sind nicht am Ende der Ermittlungen“, sagt Bachmann. Gegen den Beschuldigten bestehe ja weiter ein Verdacht, der sich durch weitere Untersuchungen wieder erhärten könne. In der Wohnung seien zahlreiche andere Spuren gefunden werden. „Wir lassen immer noch Gegenstände untersuchen.“ Die Abarbeitung sei aber auch der Kapazität der Labore geschuldet. Und es werde priorisiert. Auch die Spur, die nun als weniger eindeutig eingestuft wurde, lasse sich verwerten.

Aber es werde nun auch weiter in andere Richtungen ermittelt. „Es kann sein, dass wir einen völlig Falschen verdächtigt haben“, sagt Bachmann.

Der 66-Jährige war in der Nacht vom 26. auf den 27. Februar schwerstverletzt mit abgetrenntem Penis in seinem Haus gefunden worden. Das Genital blieb verschwunden. Der Mann schwebte in Lebensgefahr, erholte sich aber so weit von den schweren Verletzungen. Am 19. August gab es dann den nächsten großen Einsatz in dem Haus. Der Mann wurde tot aufgefunden. Er starb laut Staatsanwaltschaft aber eines natürlichen Todes.