Herne. Was ist günstiger fürs Hallenbad Eickel: Abriss und Neubau oder Sanierung? Es liegen Ergebnisse einer Untersuchung vor. Warum neuer Streit droht.
Der Konsens zwischen der Stadtverwaltung, Ratsparteien und der Bürgerinitiative Hallenbad Eickel (BI) droht zu platzen: Die BI beklagt mangelnde Transparenz in dem gemeinsam vereinbarten Verfahren, befürchtet Tricksereien und schließt nicht aus, dass es in letzter Konsequenz doch noch zu einem Bürgerentscheid über die Zukunft des seit Jahren leer stehenden Hallenbads kommen könnte.
Fast 18.000 Unterschriften für den Erhalt des Hallenbads Eickel hatte die Initiative 2022 gesammelt, die Stadt und die politische Mehrheit hatten sich dagegen auf einen Abriss und eine Bebauung für Wohnen und Gewerbe festgelegt. Kurz vor dem von der BI angestrebten Bürgerentscheid zum Erhalt des seit Jahren leerstehenden Hallenbads kam es überraschend zum Schulterschluss: Stadt, Politik und Initiative einigten sich auf einen transparenten und mehrstufigen Prozess, bei dem die kostengünstigste Lösung für diesen Standort gefunden werden sollte - diesmal allerdings mit der Vorgabe, dass ein Hallenbad an diesem Standort gesetzt ist. Die Varianten: Sanierung des alten Hallenbads oder Abriss und Neubau eines Hallenbads mit ergänzender (Wohn-)Bebauung.
Ergebnis der Machbarkeitsstudie fürs Hallenbad: Sanierung ist günstiger
Das Verfahren ist nun auf der Zielgeraden: Im April hat die Stadt - wie vereinbart nicht öffentlich - die von einem Gutachter ermittelten Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie für die Varianten vorgelegt. Und am 5. September will die Stadtverwaltung die Ergebnisse der ebenfalls 2023 vereinbarten „Wirtschaftlichkeitsprüfung“ vorlegen. Konkret: Im Arbeitskreis Schwimmen, dem zwar Ratsparteien und Schwimmvereine angehören, nicht aber die Initiative. „Im September/Oktober“ werde die Stadt dann einen finalen Vorschlag für diesen Standort vorlegen, kündigt Sportdezernent Andreas Merkendorf auf Anfrage der WAZ an.
In der Machbarkeitsstudie (sie liegt der WAZ vor) wurden insgesamt vier Modelle für diesen Standort auf den Prüfstand gestellt, zwei für eine Sanierung (mit und ohne Anbau), zwei für Abriss und Neubau. Auf den Punkt gebracht: Die Kosten schwanken zwischen 15 und 20 Millionen, die Varianten für eine Sanierung des Alt-Gebäudes sind laut der Berechnung günstiger als Abriss und Neubau.
- Die Vorwürfe der Linkspartei: Kritik am Verfahren, Ruf nach Transparenz
Würde diese Untersuchung durch die „Wirtschaftlichkeitsprüfung“ bestätigt, hätte sich die BI mit ihrer ursprünglichen Forderung durchgesetzt. Die Initiative um die Sprecher Jürgen Köhne und Horst Schröder sieht jedoch „immer neue Versuche und Gerüchte“ auf Seiten der Stadt und bei Teilen der Politik, den Altbau zu „diskreditieren“, um die gewünschte Neubau-Variante durchzusetzen.
Stadt Herne will nach den Sommerferien mit der BI sprechen
Drei Beispiele führen Köhne und Schröder im Gespräch mit der WAZ als Beleg für diese Theorie an. So sei von Seiten der Stadt plötzlich beim Altbau der Aspekt „Chlorfraß“ eingebracht worden. Aus der Politik sei (ohne Beleg) der Hinweis gekommen, dass nicht nur für einen Altbau, sondern auch für einen Neubau Fördermittel beantragt werden könnten. Und die „neueste Kuh, die durchs Dorf gejagt wird“, sei laut Köhne, dass ein Altbau dauerhaft höhere Unterhaltskosten verursache. Das sei völliger Quatsch, sagt (Architekt) Köhne.
„Das Verfahren verläuft nicht auf Augenhöhe. Es gibt keine Transparenz“, erklären die BI-Sprecher. Seit Vorlage der Machbarkeitsstudie Mitte April versuchten sie, mit der Stadt zu der Studie und zur Wirtschaftlichkeitsprüfung ins Gespräch zu kommen - vergeblich. Erst nach den Sommerferien, also ab dem 20. August, wolle die Verwaltung in dieser Sache auf die Initiative zukommen. Viel zu spät, findet die BI, da die Stadt ja bereits am 4. September das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung vorlegen werde - in einem Gremium, in dem die Initiative nicht vertreten sei.
Andreas Merkendorf kann die Kritik der BI nicht nachvollziehen. Das gesamte Verfahren laufe so, wie es im vergangenen Jahr abgesprochen worden sei. „Wir haben niemanden vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Der neue Kämmerer Marc Ulrich müsse sich in aller Ruhe in die Materie einarbeiten. Am Montag, 29. Juli, werde er mit ihm über das Thema Hallenbad sprechen. .„Und natürlich werden wir uns mit der Bürgerinitiative in Verbindung setzen“, sagt er. Auch gegenüber der Politik sei Transparenz gegeben. Er habe den Ratsparteien angeboten, ihnen persönlich die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie vorzustellen. Einige Parteien hätten dies angenommen. Zur anstehenden Entscheidung über das Hallenbad Eickel sagt der Dezernent: „Nach wie vor ist alles möglich.“
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Die Bürgerinitiative ist davon nicht mehr überzeugt. Wenn sie am Ende des Verfahrens zu der Einschätzung kämen, dass das Verfahren sauber gelaufen sei, „dann würden wir am Ende die Kröte ,Abriss und Neubau‘ schlucken“, sagt Jürgen Köhne. Und wenn es aus ihrer Sicht nicht „sauber“ gelaufen wäre? Dann müsste sie darüber nachdenken, „wieder auf die Straße zu gehen“., sprich: erneut zum Instrument des Bürgerentscheids greifen.
>>> Vorwurf: Dezernent hat Vereinbarung gebrochen
- Der Stadt und Andreas Merkendorf wird nicht nur mangelnde Transparenz, sondern auch der Bruch einer Vereinbarung vorgeworfen. Der Anlass: Der Sportdezernent hatte vor drei Wochen bei einem Termin zur Wiedereröffnung der Schwimmhalle am Otto-Hahn-Gymnasium (OHG) auf Nachfrage von Hallo Herne über Details aus der Machbarkeitsstudie (die Kosten der einzelnen Varianten) berichtet.
- Die Aussagen waren nicht sehr weitgehend, doch die Vorgeschichte verleiht dem Statement eine gewisse Brisanz: Es war Merkendorf, der erst zuletzt Ende Juni in der Ratssitzung auf die Forderung der Linkspartei nach mehr Transparenz auf die vereinbarte Vertraulichkeit in diesem Verfahren hingewiesen hatte. Und er konnte sich damals eine süffisante Bemerkung („netter Versuch“) gegenüber Linken-Fraktionschefin Veronika Buszewski nicht verkneifen.
- Von der WAZ auf seine Aussagen beim OHG-Termin angesprochen, sagte der Dezernent: „Ich dachte, dass das alles öffentlich schon bekannt war.“
>>>> Das Statement der Bürgerinitiative Hallenbad Eickel
Beim Gespräch mit der WAZ legten Horst Schröder und Jürgen Köhne ein schriftliches Statement vor. Einige Auszüge:
„Die Verwaltung kann leider immer ,noch nicht‘ Bürgerinitiative. Die Stellungnahme von Stadtrat Merkendorf in der Presse (ein Bericht in Hallo Herne; die Red.) und die aktuelle Zusammenarbeit ist seit einiger Zeit etwas einseitig. Die Bürgerinitiative schreibt, analysiert, macht Vorschläge und bittet um Termine. Seit der erfolgreichen Präsentation der Machbarkeitsstudie im April mit der klaren Aussage ,Sanieren ist billiger als Neubau‘ hüllen sich Politik und Verwaltung zuerst in Schweigen, um dann ohne Rücksprache die Wirtschaftlichkeitsberechnung in Auftrag zu geben..
Das Projekt ,Zusammenarbeit der Politik und einer BI auf Augenhöhe‘ droht nicht zum ersten Mal zu scheitern. Die Verwaltung kommt mit diesem Konzept noch nicht klar. Hinhalten, Alleingänge und durchschaubare immer neue Versuche, den Altbau zu diskreditieren, dienen nicht zur Schaffung einer faktenbasierten kollegialen Arbeitsebene.
Wir hoffen jetzt sehr auf den neuen Kämmerer. Ein erstes, sehr konstruktives Gespräch mit Marc Alexander Ulrich hat bereits stattgefunden. Das gibt Anlass zum Optimismus. Wir sind stolz auf das Erreichte und werden uns jetzt nicht aus dem Spiel nehmen lassen.
Nach Jahren intensiver Arbeit und großem Engagement aller Mitglieder der Initiative ist das wichtigste Ziel erreicht. Mitten in Eickel wird es wieder ein Schwimmbad geben. Jetzt ist der Fokus auf die Erhaltung des alten Hallenbades zu legen und seine Transformation in ein hochmodernes Schwimmbad für Schulen und Vereine. ... Mit der Politik kann jetzt gemeinsam der Weg zur weiteren Bearbeitung und Umsetzung der Sanierung vereinbart werden. ... Insgesamt bietet die Sanierung des Hallenbades eine nachhaltige, kosteneffiziente und gesellschaftlich bessere Alternative als Abriss und Neubau. ...
Die Vereinbarung (zwischen Politik und BI; die Red.) sieht weiter vor, dass gemeinsam nach Fördermitteln gesucht wird. Wir wünschen uns jetzt, dass die Studie zu einer attraktiven Präsentation weiterentwickelt wird, die geeignet ist, für das Projekt zu werben.
Die Idee des ehemaligen Kämmerers, durch Abriss und Nachverdichtung die Wettbewerbsfähigkeit eines Neubaus zu stärken, ist ein Konzept einer anderen Zeit. Heute zählen soziale Akzeptanz, Nachhaltigkeit und die Nutzung grauer Energie (Altsubstanz) sowie die Bedeutung des alten Hallenbads und seiner identitätsstiftenden Rolle in der Stadtgesellschaft mehr.
Der Bürgerwille zum Erhalt wurde durch den Erfolg der Unterschriftensammlung bestätigt.“