Herne/Washington. Der US-Präsident dankt ab. Und wie halten es die älteren Mitglieder des Herner Rates bei der Kommunalwahl 2025? Es gibt einige Überraschungen.
Der 81-jährige US-Präsident Joe Biden macht den Weg frei und tritt im November nicht mehr zur Wahl gegen Donald Trump an. Das wirft die Frage auf: Wie hält es die relativ große Ü65-Fraktion im Herner Rat bei der Kommunalwahl im Herbst 2025? Welcher Polit-Oldie hört definitiv auf, wer macht weiter? Und wie lange dürfte eigentlich der Oberbürgermeister im Amt bleiben? Einige Antworten überraschen.
Im Schnitt 55,5 Jahre, vier Ratsmitglieder sind über 70
Dass der Herner Rat der Stadt altersmäßig einen Querschnitt der Herner Bevölkerung abbildet, wäre eine maßlose Übertreibung. 55,5 Jahre beträgt derzeit das Durchschnittsalter im Rat. 19 der 62 Stadtverordneten sind mindestens 65 Jahre oder älter und hätten somit 2030, also am Ende der nächsten Ratsperiode, vorne eine Sieben stehen.
Schon jetzt die 70er-Grenze überschritten haben vier aktuelle Ratsmitglieder: die Sozialdemokraten Volker Bleck (73), Heinrich Schmidt und Jürgen Scharmacher (beide 74) sowie die Christdemokratin Maria Schmidt (70).
Die 28-köpfige SPD-Ratsfraktion stellt dann auch mit einem Schnitt von 58,0 Jahren die zweitälteste aller fünf Ratsfraktionen. Getoppt wird das nur von der dreiköpfigen Fraktion der Linkspartei mit 66 Jahren. Die zwölf Mitglieder der CDU-Fraktion sind im Schnitt 55,9, die zehn Mitglieder der Grünen-Fraktion 44,5 Jahre alt (AfD: 57,7). Die beiden Ratsgruppen (zwei Mitglieder) kommen auf 58,5 Jahre (FDP) und 62 Jahre (Bündnis Deutschland, eine Abspaltung der AfD). Und die beiden Einzelmandatsträger Lars Wind (Piraten) und Bernd Blech (Unabhängige Bürger) sind 30 bzw. 62 Jahre.
Wer macht weiter, wer hört auf?
Nachfragen in der Ü65-Gruppe im Rat bringen Überraschendes zutage. Der SPD-Fraktions-Chef Udo Sobieski denkt über eine erneute Kandidatur nach. Das bestätigte der 66-Jährige am Montag gegenüber der WAZ. Die endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen. Sobieski stellt zudem klar: Er habe bislang nie öffentlich angekündigt, dass er nicht mehr kandidieren werde. Falls er antrete und gewählt werde, würde er sich erneut um das Amt des SPD-Fraktionsvorsitzenden bewerben, sagt er.
Weitermachen will auch die 66-jährige Bürgermeisterin Andrea Oehler (CDU). Mit Barbara Merten (CDU) und Klaudia Scholz (parteilos; für die Linke im Rat) machen dagegen zwei prominente Stadtverordnete im Rat definitiv Schluss. Sie habe eigentlich bereits 2020 aufhören wollen, sich dann aber überreden lassen, weiterzumachen, sagt die 66-jährige Christdemokratin. Irgendwann müsse man auch mal Platz für Jüngere machen, so Merten.
Scholz (69) lässt sich noch eine kleine Hintertür für die Wahl offen: Die Politikerin, die in den vergangenen Jahren die Gründung von fast zehn Bürgerinitiativen angestoßen hat, schließt nicht gänzlich aus, zumindest für die Bezirksvertretung anzutreten. Und auch eine Funktion als sachkundige Bürgerin im Umweltausschuss sei für sie nach der Kommunalwahl zumindest vorstellbar.
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Von den über 70-jährigen Herner Stadtverordneten wollen zwei aufhören und zwei erneut kandidieren. Volker Bleck und der derzeit dienstälteste Stadtverordnete Jürgen Scharmacher (seit 1999 im Rat) treten den politischen Ruhestand an. Maria Schmidt möchte erneut kandidieren, wie die CDU-Ratsfrau der WAZ verrät. Und auch Heinrich Schmidt, mit 74 Jahren derzeit ältester Stadtverordneter, will sich erneut zur Wahl stellen. „Wenn mein Ortsverein Holsterhausen und die Wähler mitspielen, werde ich noch eine gewisse Zeit dranhängen“, sagt er. Ob das die gesamten fünf Jahre sein werden, lasse er offen. Es gebe „Gründe“, noch einmal anzutreten, sagt er. Welche, das wolle er nicht verraten.
Keine Altersgrenze für den Oberbürgermeister
Könnte Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) auch mit 81 Jahren noch in Amt und Würden sein wie Joe Biden als Präsident in den USA? Die Antwort lautet: ja. In NRW gibt es, anders als in acht anderen deutschen Bundesländern, für Stadtspitzen keine Altersgrenze. Rein theoretisch könnte Dudda (61) also in 20 Jahren noch OB sein - das wäre dann seine fünfte Amtszeit.
SPD verhinderte 2020 Kandidatur eines 79-Jährigen
2020 wäre Walter Hanstein beinahe so etwas wie der Joe Biden der SPD-Ratsfraktion geworden. Bei der Nominierung im Ortsverein Horsthausen hatte sich der 79-jährige Stadtverordnete zunächst knapp gegen Herausforderin Andrea Ellerbrock (55) durchgesetzt. Doch die letztlich für die Kandidatenaufstellung zuständige Wahlkreiskonferenz der SPD kassierte dieses Votum und stellte stattdessen Ellerbrock für den Horsthauser Wahlkreis auf.
>>> Was junge Politikerinnen und Politiker über den Rückzug des alten US-Präsidenten denken
In der Tagespolitik gibt es bisweilen riesige Differenzen zwischen Nachwuchsorganisationen der Herner Parteien, doch mit Blick auf die Entscheidung von Joe Biden besteht Konsens. Dieser Schritt stößt bei den Jungsozialisten, der Jungen Union, der Grünen Jugend und den Jungen Liberalen auf Respekt und Zustimmung, wie eine Umfrage der WAZ ergab. Was die jeweiligen Vorsitzenden zu Joe Biden, einer möglichen Nachfolgerin Kamala Harris und Herner Kandidaturen sagen:
Juso-Chefin wünscht sich eine starke weibliche Kandidatur
„Der Rückzug Bidens verdient zunächst einmal Respekt“, erklärt Amelie Menges, Co-Vorsitzende der Herner Jungsozialisten. Sie würde sich über eine starke weibliche Kandidatur freuen. Vize-Präsidentin Kamala Harris habe bereits in der Abtreibungsdiskussion bewiesen, wie wichtig das sei. Noch immer würden zu viele politische Entscheidungen, die Frauen betreffen, von Männern getroffen. Der Prozess zur Nominierung sei bei den Demokraten aber nicht optimal gelaufen, so Menges. Es hätte die Position von Harris gestärkt, wenn sie sich in einem fairen Prozess als die Qualifizierteste durchgesetzt hätte, statt kurz vor der Wahl aus einem Automatismus heraus als zwangsläufige Kandidatin präsentiert zu werden.
Zur Frage, ob ältere Politikerinnen und Politiker zu häufig an ihren Ämtern kleben, erklärt die Co-Chefin der Jusos: Sie würde das weniger an einzelnen Mitgliedern über 70 fest machen, da es eine gesunde Mischung brauche. Für den notwendigen intergenerationellen Austausch müssten aber eben auch mehr junge Menschen vertreten sein. „Da muss unsere Partei besser werden“, sagt die 29-Jährige.
Vorsitzender der Jungen Union hält Rücktritt für notwendig
„Der Rückzug kommt spät, aber es bleibt zu hoffen, dass er nicht zu spät gekommen ist“, erklärt Jascha Hoppe, Vorsitzender der Jungen Union, mit Blick auf das anstehende Duell der Demokraten mit Donald Trump. Dennoch sei der Rücktritt sinnvoll und notwendig gewesen, denn Joe Bidens geistige Verfassung seit offenbar bereits seit Monaten kritisch.
Trump habe durch Bidens Rückzug nun einen Vorsprung, den Kamala Harris erst einmal aufholen müsste, so der 23-Jährige. Als Kandidatin sehe er die Vize-Präsidentin als gesetzt an. Und: Er würde sich freuen, „wenn erstmalig eine Frau das höchste Amt der USA bekleiden würde“, so Hoppe.
Grüne Jugend hofft, dass Harris eine Präsidentschaft Trumps verhindert
„Dass Biden seine Kandidatur niederlegt, ist wohl das einzig Richtige, nachdem er sogar den Namen seines Verteidigungsministers vergessen hat“, sagt Anna Schwabe, die die Grüne Jugend in Herne gemeinsam mit Justus Lichau führt. Dass er den Staffelstab an Kamala Harris weitergeben wolle, sei ein gutes Zeichen. Die USA sollten endlich bereit sein für eine Präsidentin, die als nicht weiße Person noch mal ganz andere Perspektiven mitbringe.
Harris könne deshalb nicht nur Themen besetzen, die Biden ihr überlasse, sondern zeigen, was sie könne. „Deswegen wird Harris hoffentlich einen erneuten Präsidenten Trump verhindern“, sagt die 25-Jährige Grünen-Stadtverordnete.
Junge Liberale würdigen Bidens Leistungen für die NATO und die Ukraine
Joe Bidens Rückzug sei aufgrund seiner Gesundheit richtig und ihm gebühre viel Respekt für seine Leistungen insbesondere für die NATO und die Ukraine, erklärt Moritz Ritterswürden, Vorsitzender der Jungen Liberalen in Herne.
Viele ältere Politiker hingen an ihren Mandaten, das gelte auch für Herne. Die Jungen müssten dagegen ankämpfen und sich Gehör verschaffen, so der 23-Jährige. So funktioniere demokratischer Wettkampf, „und das ist gut so“.