Herne. Eine etwas andere Bilanz der Amtszeit von Hernes Oberbürgermeister, eine Facebook-Panne und die Sache mit der Wetterkarte: das Politgeflüster.

Modegeflüster

Hat sich Frank Dudda in den knapp neun Jahren seiner Amtszeit als Herner Oberbürgermeister verändert? Auf diese Frage dürfte es, je nach politischem Standpunkt, unterschiedliche Antworten geben. Liest man sich die zahlreichen Interviews durch, die der Sozialdemokrat im Laufe der Jahre mit der Herner WAZ geführt hat, liegt der Schluss nahe: Nein, der Mann ist seiner politischen Linie treu geblieben, ob man diese nun mag oder nicht (die meisten mögen sie offenbar bislang - siehe Wahlergebnisse). Und wirft man einen Blick ins Fotoarchiv der Redaktion, so kommt man aus modischer Sicht zu dem Ergebnis: Duddas Oberbürgermeister-Anzüge strahlen seit neun Jahren eine lässige, aber nicht aufdringliche Eleganz aus. Mal mit, mal ohne Krawatte. Sehr selten im Rolli, in der Regel im hellen Hemd. In den vergangenen Jahren - so der Eindruck - hat er seine Garderobe um ein, zwei hellere Sommeranzüge erweitert.

Bezahlen muss er diese übrigens alle aus eigener Tasche. Während Außenministerin Annalena Baerbock als Repräsentantin Deutschlands eine sechsstellige Summe jährlich für Friseurin und Visagistin bekommt, ist eine Kleider- oder gar Friseur- und Kosmetikpauschale für einen Oberbürgermeister einer 160.000-Einwohner-Stadt im tiefsten Ruhrgebiet trotz zahlreicher repräsentativer Termine nicht vorgesehen. Und wenn nun jemand fragen sollte, ob es in Herne nicht wichtigeres gibt als das Outfit des Oberbürgermeisters, dann lautet die Antwort: Ja, gibt es!

Mit der Maus abgerutscht

Beatrix von Storch, Bundestagsabgeordnete der AfD, hat mal einen Shitstorm ausgelöst, als sie auf Facebook die Frage, ob man geflüchtete Frauen und Kinder an der Grenze mit Waffengewalt aufhalten sollte, mit „Ja“ beantwortet hat. Hinterher hat sie dann behauptet, mit der Maus abgerutscht zu sein. Lustig. Heute müsste sie nicht mehr nach aberwitzigen Ausreden suchen, weil ja inzwischen alle wissen, dass die immer häufiger offen rechtsextrem auftretende AfD noch ganz andere Sachen machen würde (demokratische Parteien in der Asylpolitik inzwischen auch, aber das ist eine andere Geschichte).

An die Storch-Episode fühlte man sich jüngst ausgerechnet auf der Facebook-Seite einer Herner Linken erinnert. Ratsfraktions-Chefin Veronika Buszewski hatte einen Post der verfeindeten Linken-Abspaltung Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kommentarlos geteilt und diesen damit de facto unterstützt. Auf die entsetzte Nachfrage des früheren Linken-Vorsitzenden Markus Dowe, warum sie das getan habe, beteuerte sie: „aus Versehen“. Glaubwürdig? Auf jeden Fall! Denn: Beatrix von Storch würde wohl mit Waffengewalt gegen geflüchtete Frauen und Kinder vorgehen wollen, doch Veronika Buszewski würde niemals den BSW unterstützen, geschweige denn ihm beitreten. Den von ihr geteilten Post der Wagenknecht-Partei hat sie übrigens inzwischen gelöscht.

Landtagswahlkampf 2012 in Herne: Sahra Wagenknecht, damals Spitzenkandidatin der Linkspartei in NRW, und Kreisvorsitzender Markus Dowe. (Archivbild)
Landtagswahlkampf 2012 in Herne: Sahra Wagenknecht, damals Spitzenkandidatin der Linkspartei in NRW, und Kreisvorsitzender Markus Dowe. (Archivbild) © WAZ FotoPool | Ralph Bodemer / WAZ FotoPool

Und viele Fragen offen

Der Vorhang zu und alle Fragen offen: Mit dieser (hier etwas verkürzten) Abmoderation pflegte einst Literatur-Papst Marcel Reich-Ranicki sein Literarisches Quartett im ZDF zu beenden. Und dieses Zitat aus Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ passt irgendwie auch zu der Erklärung der Stadt nach ihrem medialen Super-GAU der vergangenen Woche. Zur Erinnerung: Weil Zweifel am Wahrheitsgehalt eines Beitrags von Stadtdirektor Hans Werner Klee in der April-Sitzung des Rates laut wurden, wollte die WAZ nachträglich den auf Herne.de nicht mehr abrufbaren Rats-TV-Stream einsehen. Die Antwort der Stadt lautete, dass die Aufzeichnungen nicht archiviert würden. Dumm nur: In der Geschäftsordnung des Rates steht das genaue Gegenteil.

Wie konnte es zu dieser falschen Aussage kommen? Auf diese Nachfrage teilte die Pressestelle der Stadt mit: „Gegenwärtig ist das aufgezeichnete Videomaterial der Ratssitzungen noch nicht bei der Stadt archiviert, sondern wird beim externen Dienstleister vorgehalten, der im Auftrag der Stadt die Ratssitzungen aufzeichnet. Aktuell wird noch an der technischen Umsetzung gearbeitet, dieses Material ins Stadtarchiv zu überführen.“ Übersetzt: Die Stadt will die Frage nicht wirklich beantworten. Immerhin: Die WAZ darf nun doch noch den Vorhang lüften und im Rathaus Einblick in die „nicht archivierte“ archivierte Aufzeichnung der April-Ratssitzung nehmen.

Wetterkarte: Da geht noch mehr

Der OB trägt nicht nur Anzüge, sondern auch in sich eine unerschütterliche Überzeugung: Herne kann mehr! Die Lokalzeit Ruhr des WDR bestätigte das in dieser Woche, als sie Herne endlich mit Orientierungspunkt und Namen auf der Wetterkarte des Sendegebiets platzierte. Ein Blick in die Bottroper Stadtgeschichte zeigt jedoch: Da geht noch mehr! Viel mehr!! Mit der Marketing-Aktion „Bottrop-auf-die-Wetterkarte-Tag“ schafften es Schülerinnen und Schülern des Josef-Albers-Gymnasiums im Jahr 1994, Bottrop zumindest für einen Tag auf den Wetterkarten diverser TV-Sender wie Vox, RTL und Sat.1 zu verankern. Und sogar auf die Wetterkarte der Tagesschau bzw. Tagesthemen schaffte es Bottrop damals.

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Wenn der Herner OB sich diese Aktion zum Vorbild nehmen möchte, könnte die Politgeflüster-Redaktion ihm für die Umsetzung sogar einen heißen Tipp geben: Alexander Stahl, Herner Juso-Vorsitzender und Absolvent des Studiengangs Journalismus und Public Relations an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen, weiß, wie man in die Tagesschau kommt: In der 20-Uhr-Ausgabe am Mittwoch war der 29-Jährige zu sehen, wie er als DJ - Künstlername STEEL - in Gelsenkirchen Swifties aufs Konzert ihres Superstars Taylor Swift einstimmte.