Herne. Vor Jahrzehnten erfreuten sich tausende Cranger Kirmesbesucher an einem Eisbären. Nun feiert das Original-Kostüm ein Comeback: Was geplant ist.
Ein arktisches Vergnügen im Cranger Hochsommer: In den 50er, 60er und 70er Jahren ließen sich zehntausende Besucherinnen und Besucher am Eingangstor zur Kirmes von einem Eisbären erschrecken und anschließend mit ihm fotografieren. Nun feiert der Eisbär bzw. sein Kostüm nach Jahrzehnten ein Comeback. Und zwar: in einem Wanner Ladenlokal.
Bei „Mode in Pelz und Leder Wältermann“ an der Hauptstraße 352 ist die aus Lammfell gefertigte Eisbärmontur restauriert worden. Auftraggeber waren die Wanne-Eickeler Mondritter, die diese schöne Erinnerung an zottelige Kirmeszeiten öffentlich wieder ins Gedächtnis rufen wollen. Der Hintergrund dieser Aktion ist allerdings ein trauriger: der Tod von Mondritter Reinhold Frank, der kurz nach Weihnachten 2023 im Alter von nur 63 Jahren verstarb. „Reinhold Frank hatte mit seiner Frau einen bekannten Kostümverleih“, berichtet Mondritter Horst Schröder. Nach seinem Tod habe die Witwe das Wanne-Eickeler Geschäft aufgelöst. „Wir haben als Mondritter das Lager geräumt und ein soziales Projekt daraus gemacht“, so Schröder.
So fand beispielsweise das Fell eines Emscherbrücher Grubenpferds eine neue Heimat im kleinen Museum der Zeche Hugo in Gelsenkirchen-Buer. Kostüme von Pinguin und Hase stellten die Mondritter der DLRG zur Verfügung, der Frank einst angehört hatte. Und auch der Feuerwehr-Motorradclub Red Knights - er organisiert Kinderfeste und unterstützt die Kinderhospizarbeit in Castrop-Rauxel - durfte sich über tierische Kostümspenden freuen.
Das schon arg mitgenommene Eisbärfell fanden die Mondritter in einer Ecke im Lager von Franks Kostümverleih. Für Horst Schröder war es ein Déjà-vu: „Ich kannte schon als Blag den Eisbären.“ Zuerst gesehen habe er ihn auf einem Foto seiner (älteren) Geschwister, später habe er ihn dann in natura erlebt. Wer einst in dem Kostüm steckte, wüssten sie nicht. Was die Mondritter in Erfahrung brachten: Der Mensch im Eisbärkostüm verbrachte seine Pausen gerne in der Alten Drogerie Meinken gegenüber vom Kirmesplatz. Er habe Kunden auf der Ukulele vorgespielt und dafür umsonst trinken dürfen, so Peter Meinken.
Wann der Eisbär in Rente ging bzw. sein Kostüm eingemottet wurde, ist ebenfalls nicht bekannt. Reinhold Frank habe es einst im Internet gekauft, sagt Horst Schröder. Und er wollte es offenbar auch nutzen. „Reinhold war vor 20 Jahren bei uns, um es restaurieren zu lassen. Er hatte es anprobiert, dabei war es gerissen“, erinnert sich Edward Chrobok, Inhaber und Kürschnermeister bei Wältermann. Das Alter des Kostüms schätzt er auf „etwa 70 Jahre“.
In dem Wanner Pelz- und Lederladen kommt der Eisbär schon in Kürze wieder groß raus: Während der Cranger Kirmes wird das genähte und gestopfte sowie um Schuhe und Handschuhe vervollständigte Kostüm im Schaufenster von Wältermann platziert. Daneben werden historische Fotos von Kirmesbesuchern mit dem Eisbären präsentiert. Die Mondritter und Wältermann hatten vor Wochen dazu aufgerufen, Bilder mit dem Cranger Eisbär-Motiv einzureichen. Mehr als ein Dutzend wurden bereits eingereicht. Bei der Kirmes werde es aber nicht zum Einsatz kommen: „Man kann es nicht mehr anziehen: Es würde auseinanderfallen“, sagt Chrobok.
Im April 2026 soll das Eisbärkostüm dann ganz groß rauskommen: Im Heimatmuseum Unser Fritz soll es Teil einer Ausstellung zum 100-jährigen Bestehens Wanne-Eickels werden. Und anschließend soll es dort dauerhaft ein Zuhause finden.
Wer Herner Eisbärfotos besitzt, kann diese per Mail an info@grafhotte.de senden oder auf diesem Weg Kontakt zu ihm aufnehmen.
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>>> Die Eisbär-Fotos - ein deutsches Phänomen
- Zeitgleich zur Räumung des Kostümverleih-Lagers stieß Horst Schröder auf einen Bericht im „Spiegel“. Das Magazin widmet sich darin dem offenbar deutschen Phänomen der Eisbärfotos.
- Ein Franzose sei bei seinen Nachforschungen in Deutschland auf hunderte Eisbär-Motive gestoßen: mit Urlaubern am Strand, mit Polizisten, Soldaten und Paaren. Die rund 300 gesammelten historischen Fotos, aufgenommen zwischen den 20er und 60er Jahren, habe der Pariser in einem Bildband veröffentlicht, so der Spiegel.
- Fotos mit Eisbären waren aber offenbar nicht nur ein deutscher Trend. Edward Chrobok, Chef von Pelz und Leder Wältermann in Wanne, berichtet, dass er sich als Kind in seiner ehemaligen Heimat ebenfalls mit einem Bären ablichten ließ („ich hatte sehr große Angst“): im polnischen Alt Berun in Oberschlesien.