Herne. Mehr als 50 Jahre blickte Pressefotograf Helmut Orwat aufs Ruhrgebiet. Das Heimatmuseum Unser Fritz zeigt nun eine Auswahl seiner Bilder.
Das „alte“ Ruhrgebiet mit Kumpel, Kaue und Taubenschlag verschwindet mit jedem Tag mehr, es wird zunehmend eine verblassende Erinnerung. Die kann man ab Sonntag, 14. Juli, im Heimatmuseum Unser Fritz auffrischen. Das zeigt unter dem Titel „Täglich Bilder fürs Revier“ Pressefotografien von Helmut Orwat. Und so viel sei schon verraten: Die ausgewählten Motive sind ein Genuss.
Eine Qual dürfte es dagegen gewesen sein, Motive für die Ausstellung auszuwählen. Rund 50.000 Negative und Positive sind im Laufe der Jahrzehnte entstanden, etwa 3500 Fotografien hat Helmut Orwat dem Medienzentrum des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) übergeben, der diese Wanderausstellung zusammengestellt hat. Sein Sohn habe kein Interesse an den Fotos gehabt, so Orwat. Möglicherweise bereut sein Sohn dieses Desinteresse irgendwann. Der LWL, für den der Fotograf ebenfalls Jahre lang gearbeitet hat, bezeichnet Orwarts Aufnahmen jedenfalls als fotografisches Kulturerbe Westfalens.
Das ist in der Rückschau umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass Helmut Orwat (Jahrgang 1938) Autodidakt war. Er habe zunächst acht Jahre als Möbeltischler gearbeitet, berichtet er. Zur Pressefotografie sei er gekommen, weil er in Castrop-Rauxel Funktionär beim dortigen Radclub Olympia gewesen sei. Er habe die Fahrer fotografiert und die Fotos der Redaktion der Ruhr-Nachrichten angeboten. Die Resonanz war ausgesprochen positiv. „Der Redakteur hat gesagt: Die Fotos gefallen mir. Wenn Sie mal was sehen in der Stadt, drücken Sie drauf“, erzählt Orwat im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Das war der Einstieg, ab 1962 arbeitete er als freier Pressefotograf, pro Bild habe er 7,50 Mark bekommen.
Und er hat sich mit den Jahren in Castrop-Rauxel, seiner Hauptwirkungsstätte, einen Ruf erworben. So machte bald ein Reim die Runde: „Bei Feuer, Unfall, Mord - Orwat kommt sofort“. Doch er war viel mehr als ein rasender Sensationsreporter. Er setzte die ganz normalen Menschen in Alltagssituationen ebenso in Szene wie die Arbeitswelt oder Prominente wie den damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel, Götz George oder Max Schmeling und Willy Millowitsch mit Löwenbabys auf dem Arm.
Auch in Herne hat Orwat seine fotografischen Spuren hinterlassen. So stammen alle Fotos der Eröffnungsbroschüre des Kulturzentrums von ihm. In der Ausstellung finden sich weitere Motive - etwa eine Gedenkfeier für tödlich verunglückte Bergleute beim Bauunternehmen Heitkamp. Auch damals noch von Kohle verrußte Häuser der Siedlung Teutoburgia sind zu sehen. Und - welch passendes Timing - eine Szene von der Boxbude auf der Cranger Kirmes. Für die kommende Kirmes hat die Boxbude gerade abgesagt. Auch mit dem Herner Künstler Helmut Bettenhausen hat Orwat zusammengearbeitet. Für die Herner Station hat das Heimatmuseum die Wanderausstellung um einige Herner Motive ergänzt, so Kurator Ralf Piorr.
„Wenn man nicht das richtige Auge hat, kann man den Fotoapparat vergessen“
Auf die Frage, was seine fotografische Handschrift auszeichne, antwortet Orwat: „Es nützt nichts, wenn man die beste Kamera hat, aber nicht das richtige Auge. Dann kann ich den Fotoapparat vergessen. Ausschlaggebend ist das Auge.“ Und anhand der Fotos in der Ausstellung könne man sehen, dass er das Auge habe. Kein Widerspruch, Orwat beherrschte die hohe Kunst, im perfekten Moment auf den Auslöser zu drücken.
Die Fotografie hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert, der Mikrochip hat den Rollenfilm abgelöst, Digitalkameras können eine Vielzahl von Aufnahmen innerhalb einer Sekunde produzieren. Orwat hat zu diesem Wandel eine feste Meinung: „Analog fotografiert man, digital knipst man.“
>>> Ausstellungseröffung am 14. Juli
- Die Ausstellung wird am Sonntag, 14. Juli, um 11.30 Uhr im Heimatmuseum, Unser-Fritz-Straße 108, eröffnet. Unter anderem werden Helmut Orwat und Ralf Piorr ein Werkstattgespräch führen. Die Ausstellung endet am 8. September.
- Der Eintritt am Eröffnungstag ist kostenlos. Öffnungszeiten des Museums: dienstags bis freitags, 10 bis 13 und 14 bis 17 Uhr; samstags 14 bis 17 Uhr; sonntags und an Feiertagen 11 bis 17 Uhr.