Herne. Wie groß war die Nähe Herner Persönlichkeiten zu den Nazis? Wie gingen ihre Familien nach 1945 damit um? Das ist Thema einer Ausstellung.

„Opa war kein Nazi“: So hieß ein 2002 veröffentlichtes Buch über die Schwierigkeit, eigene Familienangehörige als Beteiligte des Nazi-Systems zu begreifen. Historiker Ralf Piorr hat dieser Problematik nun im städtischen Heimatmuseum Unser-Fritz eine Sonderausstellung aus Herner und Wanne-Eickeler Sicht gewidmet. Geschichte(n) aus der NS-Zeit über Persönlichkeiten und Familien finden sich darin.

„Was habe ich damit zu tun?“ heißt diese Ausstellung, der Untertitel lautet „Der Nationalsozialismus im Stadt- und Familiengedächtnis in Herne und Wanne-Eickel“. Die Idee sei nach den jüngsten Diskussionen in Herne entstanden, sagt Stadtmitarbeiter Piorr. Konkret benennt er die Kontroversen um den Wanne-Eickeler Künstler Edmund Schuitz - Stichwort: Mosaike im Hallenbad Eickel - und den früheren Herner Stadtkämmerer Hermann Meyerhoff, dessen Gemälde im Rathaus nach einer Intervention des Bürgers Udo Jakat abgehängt worden ist.

Die Kontroverse um den Erhalt von Edmund Schuitz’ Mosaiken im Hallenbad Eickel (im Bild ein Teil des Kunstwerks) schlug 2022 hohe Wellen, nachdem öffentlich bekannt geworden war, dass der Künstler einst NSDAP-Mitglied war.
Die Kontroverse um den Erhalt von Edmund Schuitz’ Mosaiken im Hallenbad Eickel (im Bild ein Teil des Kunstwerks) schlug 2022 hohe Wellen, nachdem öffentlich bekannt geworden war, dass der Künstler einst NSDAP-Mitglied war. © Ralph Bodemer

Ihm sei aufgefallen, so Piorr, dass sich viele der Debatten um Familiennarrative gedreht hätten. „Es geht mir nicht um endgültige Antworten. Ich möchte zeigen, wie viele unterschiedliche Facetten es gegeben hat.“ Und: Er würde sich freuen, wenn sich Menschen nach dem Besuch mit ihrer eigenen Familiengeschichte befassen wollten. Das notwendige Know-how wird im Februar in einem begleitenden Workshop vermittelt (siehe unten).

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Und um wen geht es in der Ausstellung? NS-Verstrickungen und/oder NSDAP-Mitgliedschaften prominenter lokaler Künstler (Schuitz und Robert Imhof) greift Piorr ebenso auf wie die von Stadtoberen (Ostendorf, Meyerhoff und Meister) und Unternehmen (Flottmann und Heitkamp). Bei allen Unterschieden sei in den Familien eine Gemeinsamkeit bezüglich der „tradierten Erzählung“ festzustellen: „Wenn man anfängt, bestimmt Fakten aus der NS-Zeit zu nennen, stößt man auf Interpretationen und Konfrontationslinien.“ Einen „Erfolg“ habe er bereits vor der Eröffnung verbuchen können. In Folge der vorbereitenden Gespräche zur Ausstellung habe Engelbert Heitkamp am 9. November stellvertretend für den 2013 zerschlagenen Wanne-Eickeler zerschlagenen Familienkonzern öffentlich um Entschuldung für Versäumnisse und Verletzungen gebeten.

Blick in die Ausstellung: Gezeigt wird unter anderem auch das Gemälde des früheren Stadtoberen Hermann Meyerhoff (re.), das jüngst im Rathaus abgehängt worden ist.
Blick in die Ausstellung: Gezeigt wird unter anderem auch das Gemälde des früheren Stadtoberen Hermann Meyerhoff (re.), das jüngst im Rathaus abgehängt worden ist. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

In der Ausstellung und auch in der Eröffnungsveranstaltung setzen sich zwei weitere Nachfahren kritisch mit dunklen Kapiteln ihrer Herner Familienhistorie auseinander. Rede und Antwort stehen Barbara Meister, Enkeltochter des Herner Nazi-Oberbürgermeisters Albert Meister, sowie Céline Spieker. Die Lehrerin der Gesamtschule Mont-Cenis sei die Großnichte des NSDAP-Mitglieds Gustav Spieker, der den später im KZ ermordeten Herner Pfarrer Ludwig Steil denunziert habe, so Piorr. Auf spannende Einblicke können sich Besucherinnen und Besucher demnach freuen, doch der Kurator schickt noch eine „Warnung“ vorweg: „Es ist keine Objektausstellung. Man muss sich Zeit nehmen, um sich in die einzelnen Geschichten hineindenken. Und man muss auch Texte lesen.“

Ein hochaktuelles Thema: Kurator Ralf Piorr (l.) und Oliver Doetzer-Berweger stellten im Heimatmuseum die  Ausstellung „Was habe ich damit zu tun? Der Nationalsozialismus im Stadt- und Familiengedächtnis in Herne und Wanne-Eickel“ vor.
Ein hochaktuelles Thema: Kurator Ralf Piorr (l.) und Oliver Doetzer-Berweger stellten im Heimatmuseum die Ausstellung „Was habe ich damit zu tun? Der Nationalsozialismus im Stadt- und Familiengedächtnis in Herne und Wanne-Eickel“ vor. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Weitere Untersuchungen über die Rolle bekannter Herner Persönlichkeiten in der NS-Zeit seien nach der Ausstellung nicht geplant, erklärt Oliver Doetzer-Berweger auf Nachfrage. Hintergrund: Der Leiter des Emschertal-Museums (zu dem auch das Heimatmuseum zählt) und die Stadt sahen sich 2022 im Zuge der Schuitz-Debatte mit Forderungen zunächst der Linkspartei und später der Grünen konfrontiert, die Stadt möge doch eine „kritische Bestandsaufnahme“ zur Rolle Herner Künstler und Personen in öffentlichen Ämtern während der NS-Zeit vornehmen. Diese Forderung habe sich mit der klaren Ablehnung eines Linken-Antrags im Kulturausschuss erledigt, so Doetzer-Berweger. Die Ausstellung im Heimatmuseum sei nun der freiwillige Beitrag der Stadt zu dieser Problematik.

>>> Eröffnung, Ausstellungsdauer, Workshop

  • „Was habe ich damit zu tun?“ wird am Donnerstag, 16. November, um 19 Uhr im Heimatmuseum, Unser-Fritz-Straße 108, eröffnet. Der Eintritt ist frei. Den musikalischen Rahmen setzt Christian Donovan.
  • Die Ausstellung ist bis zum 11. Februar im Heimatmuseum zu sehen (di-fr 10-13 Uhr, 14-17 Uhr, sa 14-17 Uhr, so und feiertags 11-17 Uhr).
  • Am Samstag, 10. Februar, erfahren Interessierte im Heimatmuseum von 14 bis 17 Uhr in einem Workshop, wie sie selbst familiengeschichtliche Zugänge zur NS-Geschichte erkunden können. Die Teilnahme ist kostenlos, um Anmeldung per Mail wird gebeten (emschertal-museum@herne.de).