Herne. Wie die Stadt die Presse hinter die Fichte führte, warum das Herner Jugendamt mal den Song „Sex mit dem Sozialarbeiter“ verbieten wollte.
Stadt Herne kennt eigene Regeln nicht - oder will sie nicht kennen
Bei der Wewole gibt es seit einigen Jahren Turbulenzen, um es vorsichtig zu formulieren. Auch in der Ratssitzung am 23. April ging es - zumindest indirekt - um die früher unter dem Namen Werkstatt für Behinderte firmierende Einrichtung. Genauer gesagt: um den fragwürdigen Umgang der Stadt mit einem vom Rat beschlossenen Prüfauftrag zur Eingliederung der Stadttochter GBH in den Wewole-Unternehmensverbund. Den ausführlicheren Bericht der Verwaltung zu dieser Grünen-Anfrage reduziert die Verwaltung im schriftlichen Ratsprotokoll auf diesen Satz: „Der Rat der Stadt nimmt den von Herrn Stadtdirektor Dr. Klee vorgetragenen Bericht zur Kenntnis.“
Da die Grünen Zweifel am Wahrheitsgehalt von Teilen des mündlichen Berichts des Stadtdirektors angemeldet haben, wollte sich die WAZ die Aufzeichnung der Ratssitzung bzw. dieses Tagesordnungspunktes noch einmal im Rathaus anschauen. Auf eine entsprechende Bitte antwortete die städtische Pressestelle schriftlich: „Das Ansehen der Aufzeichnung der Ratssitzung vom 23. April 2024 ist aus technischen Gründen nicht mehr möglich. Die Aufzeichnung bleibt nur bis zur jeweils folgenden Sitzung verfügbar, d.h. auf der Homepage der Stadt. Die Stadt archiviert diese Aufzeichnung nicht.“
Das ist nicht nur knapp, sondern ganz weit an der Wahrheit vorbei. Auf der Homepage der Stadt steht die Geschäftsordnung des Rates, in der es in Paragraf 3 gleich im ersten Satz heißt: „Die öffentlichen Sitzungen des Rates werden ausschließlich durch eine von der Stadt beauftragte Firma in Bild und Ton aufgezeichnet, zeitgleich im Internet übertragen, zum Abruf auf der offiziellen Homepage der Stadt Herne zeitweise zur Verfügung gestellt und dauerhaft in dem Archiv der Stadt Herne gespeichert.“ Die gegenteilige Antwort der Stadt auf die Anfrage wirft Fragen auf: Kennt die Verwaltung bzw. die Pressestelle die eigene Geschäftsordnung nicht? Oder sollte die Stadt gar etwas zu verbergen haben und hat deshalb bewusst eine falsche Auskunft gegeben? Die WAZ-Redaktion hat die Verwaltung inzwischen um einen (Rats-)TV-Termin gebeten, eine Antwort steht noch aus.
Der Heilige Geist greift an, das Herner Jugendamt auch
Endzeitstimmung bei den Herner Grünen: „Das Ende ist nah“, titelt das „Grünzeug“, die Postille der Herner Grünen. Bevor sich jetzt jene Verstrahlten, die die Grünen als Wurzel allen Übels in der Welt verantwortlich machen, die Hände reiben: Es geht nicht um die Partei, sondern um ihren verdienten Mitarbeiter Rolf Ahrens, wie die Grünen in der Unterzeile dieses spannenden Berichts aufklären: „Nicht der Weltuntergang ist nah, aber der Renteneintritt von Fraktionsgeschäftsführer Rolf Ahrens.“
Das schwierigste Thema in 35 Jahren? Für den 65-Jährigen der 2001 beschlossene Bau der Forensik in Wanne. Das politisch erfolgreichste Projekt? Aus Sicht von Ahrens der Widerstand gegen das von Stadt, SPD und CDU befürwortete Entertainment-Center Regenkamp, das dann letztlich durch die Insolvenz des Betreibers platzte. Der Protest der Grünen und die Unterstützung der Bürgerinitiative habe sich bei der Kommunalwahl 1999 jedoch nicht ausgezahlt: „Wir hatten Recht behalten - hat uns aber nichts genutzt.“ Das gesamte Projekt erinnere ihn stark an das Projekt „Shamrockpark“, so Ahrens.
Als „kuriosesten Vorgang“ bezeichnet er den Versuch des Jugendamts, die CD „Der Heilige Geist greift an“ der Band Die Kassierer auf den Index zu setzen. „Die CD enthielt unter anderem den Song ,Sex mit dem Sozialarbeiter‘“, erinnert sich der Grüne. Das Lied habe mit Zeilen wie „Ich besuchte ihn bei sich zu Haus, er zieht mir meine Hosen aus“ viele empört. Die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“ folgte dem Antrag jedoch nicht, deshalb sollte schließlich eine Strafanzeige gestellt werden.
Das Herner Rechtsamt habe dann in einem 13-seitigen Gutachten überzeugend dargelegt, dass es sich bei den Songs um reinen Nonsens handele, der unter die Kunstfreiheit falle. Von einer Klage rieten die Juristen deshalb ab. Nach einer „emotionalen und kenntnisarmen Debatte“ habe die Grünen-Fraktion die Kunstfreiheit verteidigt und gleichzeitig die Klage unterstützt - „ein echter Kompromiss“, so Ahrens ironischer Kommentar.
Den Soundtrack zu Ahrens‘ Zukunft liefern allerdings nicht Die Kassierer, sondern Trude Herr mit ihrem Gassenhauser „Niemals geht man so ganz“. Der Eintritt in den Ruhestand erfolgt zwar zum 1. Dezember 2024, doch bis zur Kommunalwahl im Herbst 2025 will das Urgestein der Grünen noch in Teilzeit die Geschäfte der Ratsfraktion führen. Und er werde wohl auch (erneut) für die Bezirksvertretung Herne-Mitte sowie für einen „mittleren Listenplatz“ für den Rat kandidieren, kündigt er an.
Es leichnert
Was macht eigentlich Alt-Bürgermeister Erich Leichner (SPD)? Ganz aktuell lautet die Antwort: Pressearbeit! In seiner Funktion als Vorsitzender des Fördervereins des evangelischen Familienzentrums Dreifaltigkeit schickte der langjährige Stadtverordnete in dieser Woche eine Pressemitteilung an die Medien. Die Überschrift lautete „Große Unterstützung durch den Förderverein“; es geht um eine Einzelspende in Höhe von 10.000 Euro (!) für einen Geräteschuppen auf dem Grundstück dieser Kita an der Holsterhauser Straße. Der Bericht übermittelt aber noch eine weitere Nachricht, die man vielleicht so auf den Punkt bringen könnte: „Leichner meldet: Leichner wird Nachfolgerin von Leichner“. Erich Leichner weist nämlich darauf hin, dass seine Tochter Annika Leichner zum 1. August die Nachfolge seiner kürzlich in den Ruhestand gegangenen Gattin Livia Leichner als Leiterin des evangelischen Familienzentrums antreten wird. Alles Leichner, oder was?