Herne. Es ist viel passiert: ein SPD-Brandbrief schlägt Wellen, Wahlen in Herner Partnerstädten, Merkel-Raute - der Wochenrückblick im Politgeflüster.
Herner Partnerstädte mit starkem Rechtsdrall
Rechtsextremismus? Rassismus? Demokratieverachtung? Ihnen doch egal. 18 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben bei der Europawahl am 9. Juni in Herne der AfD die Stimme gegeben. Damit ist Herne in allerschlechtester Gesellschaft, denn: Auch bei den jüngsten Wahlen in einigen Herner Partnerstädten räumten Rechtsaußen ab. Ganz weit vorne (rechts) liegt - keine Überraschung - Hénin-Beaumont. In der französischen Kommune konnten sich Parteichefin Marine Le Pen vom Rassemblement National (RN) schon in der ersten Runde der Wahl zur Nationalversammlung mit 64,6 (!) Prozent durchsetzen.
Bei den britischen Parlamentswahlen siegte im Wahlkreis Wakefield (and Rothwell) der Labour-Kandidat mit 43,7 Prozent. Platz 2 belegten in der Herner Partnerstadt jedoch nicht die konservativen Tories (desaströse 18 Prozent; minus 26,9 Prozentpunkte), sondern die Rechtspopulisten von Nigel Farages Partei Reform UK mit 20,7 Prozent (plus 17,5 Prozentpunkte). Und zum ganz schlechten Schluss: Bei der Europawahl in der Lutherstadt Eisleben war die rechtsextreme AfD mit 37,6 Prozent die mit Abstand stärkste Partei und lag damit deutlich über dem Landesschnitt von Sachsen-Anhalt (30,5 Prozent).
SPD-Brandbrief aus Wanne: Zustimmung und Kritik
Das alarmierende Europawahlergebnis im Stadtbezirk Wanne - in Unser Fritz und Bickern war die AfD sogar stärkste Partei - trug mit dazu bei, dass die vier Wanner SPD-Ortsvereine einen Brandbrief an die Parteispitze in Berlin geschrieben und eine persönliche Einladung an Bundeskanzler Olaf Scholz ausgesprochen haben. Der Brief stößt in der Herner Sozialdemokratie im Nachgang auf viel Zustimmung, aber auch auf Kritik.
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So erklären die Jusos (auf WAZ-Nachfrage), dass sie den grundsätzlichen Frust über die Politik der Ampel und insbesondere über die des Kanzlers teilen. Allerdings habe sich ihre Kritik immer am Handeln der Regierung orientiert, nicht an Wahlergebnissen, so Alexander Stahl, Co-Vorsitzender der Jusos. Ein Blick nach Frankreich zeige, wohin „unüberlegte, frustgesteuerte Forderungen nach Neuwahlen“ führten. Eine Ursache für den Ärger und die Wut sei die Schuldenbremse, die sich immer mehr zur „Demokratiebremse“ entwickele. In dem Wanner SPD-Brandbrief komme dies jedoch zu kurz. Und: Es würden teils „populistische Aussagen“ gemacht, links und rechts werde gleichgestellt, so der Vorwurf der Jusos.
Ganz anders äußert sich SPD-Chef Hendrik Bollmann. Er teile nicht alle Aussagen des Briefes und hätte einige Punkte sicherlich anders geschrieben, erklärt er gegenüber der WAZ. Aber im Grundsatz könne er den Inhalt gut nachvollziehen. Und: Es sei vollkommen in Ordnung, diese Standpunkte „auch mal ungefiltert nach oben durchzureichen“. Auch Sarah Jansen, die gegen Bollmann um die SPD-Kandidatur für die Bundestagswahl 2025 kämpft, äußert Verständnis: Es sei richtig, dass nach der Wahl Druck gemacht werde. Sie teile die Haltung der SPD in Wanne, dass sich die Partei stärker auf Arbeitnehmerinteressen fokussieren müsse. Weiteren Rückenwind gibt es von den „Ruhrbaronen“: Das Online-Medium lobt in einem Bericht die Briefschreiber aus Wanne und bescheinigt ihnen, dass sie „keine Hafermilchtrinker und Krawallmacher“ seien ...
Und sonst? Zehn von 20 Herner SPD-Ortsvereinen haben den Brandbrief bislang nicht öffentlich unterstützt. Das liege überwiegend an formalen Gründen, sprich: vor allem am Zeitfaktor, so ist aus Parteikreisen zu hören. Einige Ortsvereine hätten sich so kurz vor der Sommerpause nicht in der Lage gesehen, intern ausführlich über den Brief zu beraten. Kein Statement gab es übrigens auch von der SPD-Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering, die bekanntlich dem SPD-Bundesvorstand angehört. Auf Anfrage der WAZ reagierte sie (erneut) nicht. In der Herner SPD ist die bei der Bundestagswahl 2025 nicht mehr antretende Politikerin offenbar kein großer Faktor mehr: Die Wanner Ortsvereine hielten es nach WAZ-Informationen nicht für nötig, ihren Brandbrief direkt an ihre offizielle Vertreterin in Berlin zu schicken.
Ob Olaf Scholz die Einladung annimmt und nach Wanne, Unser Fritz, Bickern und Baukau-West kommt, wissen die vier Ortsvereine bislang nicht. Die Antwort steht verständlicherweise noch aus, denn: Der Kanzler hatte zuletzt genug damit zu tun, zunächst mal die Ampel zu retten - allerdings ohne dabei die inhaltlichen SPD-Forderungen aus dem Bezirk Wanne zu erfüllen. Heißt: Fortsetzung folgt.
Die Herner Merkel-Raute
Gruppenbilder können zur bösen Falle werden. Der Fußball-Profi Thorsten Legat hat das mal buchstäblich am eigenen Leib erfahren, als er beim Fotoshooting fürs Mannschaftsbild von Schalke 04 seine Hose wegen einer Wette bis unter die Achseln zog. S04-Chef Rudi Assauer war not amused und verhängte daraufhin eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 Euro.
Eine solche Buße droht Maximilian Jansen nicht. Ordnungsgemäß gekleidet und im feinsten Zwirn präsentierte sich das Herner Mitglied der Jungen Union (JU) beim Fotoshooting des neuen Vorstands der CDU-Nachwuchsorganisation. Rätsel gab er trotzdem auf - formte er doch mit seinen Händen die berühmte Merkel-Raute. Witz, Wette oder Ausdruck einer Verehrung für die Ex-Kanzlerin? Angesichts der grundsätzlich eher konservativen Ausrichtung der JU ist letzteres eher nicht zu vermuten.
Dass es mit der Einordnung ins politische Koordinatensystem allerdings längst nicht mehr so einfach ist, zeigt ein Blick in das soeben vom Herner CDU-Nachwuchs vorgelegte „Grundsatzprogramm 2024: Heute. Morgen. Herne“. Dort findet sich nämlich etwas, was vor Jahren undenkbar gewesen wäre: Ein langes Kapitel über Klima und Energie mit zahlreichen Forderungen, wie sie auch die Grünen nicht anders formuliert hätten (die WAZ kommt auf das Programm zurück).
Bollmann, VfL Bochum, Brandt
Hendrik Bollmann ist nicht nur SPD-Chef, sondern auch Fan des VfL Bochum. Als solcher präsentierte er jetzt auf Facebook stolz sein brandneues VfL-Trikot. Für das Foto posierte er neben einer Büste von Willy Brandt, der sich aus bekannten Gründen dagegen nicht mehr wehren kann. Deshalb sei an dieser Stelle nur mal kurz festgehalten: Der ehemalige Kanzler und SPD-Vorsitzende hatte kein Faible für den VfL Bochum, sondern für den SV Werder Bremen.