Herne. Die AfD hat in Herne bei der Europawahl das beste Ergebnis ihrer Geschichte erreicht. Wo sie sogar die SPD abhängen konnte.

Das Entsetzen war bei demokratischen Parteien am Sonntagabend groß: Mit 18,0 Prozent erzielte die AfD in Herne bei der Europawahl das mit Abstand beste Ergebnis ihrer rund zehnjährigen Geschichte.

Die in Teilen rechtsextreme Partei, die in Herne seit ihrer Gründung nicht durch Inhalte, sondern vor allem durch parteiinternen Streit und diverse Spaltungen in Erscheinung getreten ist, konnte sich vor Ort im Vergleich zur Europawahl 2019 um 4,8 Prozent steigern. Im Vergleich zur Kommunalwahl 2020 und zur Landtagswahl 2022 konnte die AfD in Herne ihr Ergebnis mehr als verdoppeln (siehe Grafik)

In den Stadtteilen Unser Fritz/Crange und Bickern landete die AfD sogar vor der SPD - in Unser Fritz/Crange sogar mehr als deutlich (27:21 Prozent). Als Hochburg erwies sich das Wahllokal Kleingartenanlage Emscherland an der Resser Straße in Unser Fritz, wo die AfD am Sonntag mit 35,7 Prozent deutlich vor der SPD lag (siehe auch unten).

In Horsthausen hatte die SPD gerade mal 0,3 Prozent Vorsprung auf die AfD. Und in Wanne-Mitte landeten beide Parteien gleichauf.

Im Herner Stadtbezirk Wanne ist die AfD gleichauf mit CDU und SPD

Ein Blick auf die vier Stadtbezirke (Wanne, Eickel, Herne-Mitte und Sodingen): Angesichts des starken Abschneidens in den Stadtteilen Unser Fritz/Crange und Bickern ist es wenig überraschend, dass die AfD im gesamten Bezirk Wanne fast gleichauf mit SPD und CDU liegt. Am schwächsten schnitt die rechte Partei mit 16,7 Prozent im Bezirk Herne-Mitte ab.

Hernes AfD-Chef Guido Grützmacher sah am Wahlabend sogar noch „Luft nach oben“ für die im Herbst 2025 anstehenden Bundestags- und Kommunalwahlen. Dabei dürfte er auch jene Ruhrgebietsstädte im Blick haben, in denen seine Partei noch besser abschnitt als in Herne: Das gilt insbesondere für Gelsenkirchen (21,7 Prozent), aber unter anderem auch für Marl (19,8). Überbewerten wolle er das erfolgreiche Abschneiden jedoch nicht, denn: Es habe sich um eine Europawahl gehandelt, so der Stadt- und Bezirksverordnete Grützmacher.

SPD-Politiker blickt zuversichtlich auf die Kommunalwahl in Herne

Zurück nach Unser Fritz/Crange: „Das Ergebnis beschäftigt einen natürlich“, sagt SPD-Ratsherr Michael Zyweck. Die Schlappe gegen die AfD in Unser Fritz/Crange müsse man mit Blick auf die absoluten Zahlen - rund 2100 Menschen gaben hier ihre Stimme ab - relativieren. Und trotzdem: „Wir müssen das sehr, sehr ernst nehmen“, so der 59-Jährige.

Michael Zyweck ist SPD-Ratsherr in Unser Fritz/Crange. Bei der Europawahl lag seine Partei in diesem Wahlkreis deutlich hinter der AfD.
Michael Zyweck ist SPD-Ratsherr in Unser Fritz/Crange. Bei der Europawahl lag seine Partei in diesem Wahlkreis deutlich hinter der AfD. © WAZ | SPD Herne

Die Zuwächse der rechten Partei in seinem Beritt führt er vor allem auf die „gesellschaftliche Entwicklung“ zurück, nicht auf die konkrete Arbeit. „Wir machen als SPD viel für die Menschen vor Ort.“ Ganz anders die AfD, die gar nicht präsent sei. Ähnliche Effekte, sprich: starke Zuwächse fürs rechte Lager seien auch in anderen Vierteln sowie in Städten wie beispielsweise Gelsenkirchen zu beobachten, wo viele Menschen sich abgehängt fühlten und etablierten Parteien nicht mehr vertrauten.

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Bei der Kommunalwahl 2025 habe die SPD das Heft des Handelns aber in der Hand, betont Zyweck. Er sei davon überzeugt, dass Menschen in Unser Fritz/Crange sowie in ganz Herne differenzieren und erkennen würden, dass sich Herne gut entwickle und dass die SPD und ihr Oberbürgermeister Frank Dudda sehr großen Anteil daran hätten.

Bündnis Herne will Kampf gegen die AfD verstärken

Mit zwei Perspektiven blickt der überparteiliche Verein „Bündnis Herne“ auf die Europawahl. „Zum einen ließen die Umfragewerte der AfD zu Beginn des Jahres Schlimmeres befürchten“, erklärt Vorsitzender Markus Vordenbäumen auf Anfrage. Gegenproteste, hausgemachte Skandale der AfD und letztlich auch Bündnis-Aktionen in Herne hätten einen Teil dazu beigetragen, Menschen zu einem Umdenken zu bewegen. „Zum anderen sehen wir aber, dass populistische Parolen in den sozialen Medien, gerade bei jüngeren Menschen, verfangen“, so Vordenbäumen.

Und: Das Ergebnis der AfD in Herne habe nichts mit deren Akteuren zu tun: „Die AfD konnte dieses Ergebnis eher trotz der lokalen Akteure, die kaum sichtbar sind, erzielen.“

Das Bündnis Herne werde nun gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Kräften in Herne „unsere Bemühungen verstärken, weiter über die unserer Ansicht nach faschistische Natur der AfD und den Schaden, den die Forderungen der AfD für die Menschen in Herne bedeuten würden, aufzuklären“, so Vordenbäumen.