Herne. 250 Menschen wollen beim Cranger Weihnachtszauber in Disney-Kostüme schlüpfen. Der Reporter erfährt, warum der Knochenjob auch Heidenspaß ist.
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts! Die Aussicht aus dem Elchkostüm ist recht eingeschränkt und unscharf. Ein paar Meter vor mir, nichts links daneben, nichts rechts daneben. Direkt vor der Nase hängt auch noch ein dunkles Netz. Die Brille passt ohnehin nicht drunter. Was soll’s. Ich, der WAZ-Reporter, darf beim Kostüm-Casting für den Cranger Weihnachtszauber antreten. Die Konkurrenz ist groß. Gut 250 Bewerber wollen nach dem Aufruf einen der etwa 50 Jobs als Darsteller in Disney-Kostümen ergattern. Ich glaub’, ich werd’ zum Elch!
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Nur Anna und Elsa noch nicht da – Parade auf dem Weihnachtszauber ab 17. November
Eine kleine Enttäuschung vorweg. „Die Disney-Kostüme sind noch nicht da“, sagt Weihnachtszauber-Sprecher Alex Talash. Aber es sind ja noch ein paar Tage Zeit. Anna und Elsa aus der Eiskönigin, der Grinch… Sie sollen ab dem 17. November bei der großen Parade auf dem Weihnachtszauber mitlaufen, für Fotos zur Verfügung stehen und einfach die Menschen erheitern. Spaßbremsen haben da nichts zu suchen. Und eine gewisse Vorliebe für Körperpflege sollte man auch haben. Dafür gibt’s die Aussicht auf 13 Euro pro Stunde.
Der Elch, den wir aus dem Regal im Kostümlager im Seecontainer ziehen, ist frisch gewaschen. Alleine schafft man es nicht rein. Der Kopf muss mit Klettverschlüssen mit dem Körper verbunden werden. Der Fotograf hilft. Passt wie angegossen. In der ersten Castingrunde dürfen die meisten Bewerber noch keine Kostüme anziehen. Für uns machen die Veranstalter um Sebastian Küchenmeister eine Ausnahme. Gut 50 der 250 Bewerber sind an dem ersten Casting-Tag hier. Manche haben schon Erfahrung aus Movie World („Die helfen nicht beim Schminken“). Andere sind noch Darsteller-Neulinge.
Ein Casting wie bei DSDS oder Germany’s Next Topmodel
Das Casting läuft nicht viel anders als bei „Germany’s Next Topmodel“ oder „Deutschland sucht den Superstar“: Zuerst bitte der Name! Das ist noch einfach. Dann sollen die Bewerber eine typische Bewegung einer Weihnachtsfigur vormachen. Eine Frau formt ihre Hände irgendwo zwischen Kuchenrühren und Schweißabwischen. Aha. Die Jury quittiert das mit einem Kreuz in der Mitte zwischen „gut“ und „schlecht“. Eine andere junge Frau formt galant ein Herz mit den Händen. Und wie sie dabei strahlt! Fantastisch!
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Dann kommt der sogenannte „Anschreitest“. Die Bewerberinnen und Bewerber müssen laut den Satz „Frohe Weihnachten“ brüllen. Die 19-jährige Zoe meistert das mit Bravour. Sie habe so viel Herz in der Stimme, sagt einer der Männer daneben. Ein anderer Castingteilnehmer erhebt die Stimme so laut, als wolle er gerade zum Finale der Götterdämmerung ansetzen. In der Bewertung setzt die Jury das Kreuz bei „Ohne Nachdenken und ohne Scham erledigt“. Immerhin.
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Elchtest vor Publikum: Das Kind weint, die jungen Frauen kommen zum Foto
Wir umgehen das harte Votum der Chefs und testen unsere Fähigkeiten direkt mal vor echtem Publikum. Eine junge Familie kommt mit Kinderwagen und Töchterchen über den Kirmesplatz geschlendert. Ich gebe alles. Huhu! Einmal schön Winken. Dann galant springen. Der Versuch eines Purzelbaumes scheitert am ausladenden Geweih. Dem Kind steigen erste Tränen in die Augen. Verzeihung! Der Elchtest ist gescheitert.
Neuer Versuch: Zwei junge Frauen schlendern über den Kirmesplatz. Huhuuuuu! Ein Foto mit Elch? Judith Frölich und Stephanie Godowski müssen lachen. Klar, warum eigentlich nicht?! Einmal Arm in Arm. Foto! Ich hoffe, ich rieche noch nicht zu streng. Das Kostüm ist innen mittlerweile nass wie ein Saunahandtuch nach dem dritten Aufguss. Und noch ein Foto! Der Elch hat Flirtfaktor.
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Der Nacken schmerzt, der Kopf schlägt gegen die Glühweinbude
Nach einer knappen halben Stunde schmerzt der Nacken. Etwas Fitnessstudio zur Vorbereitung wäre nicht schlecht. Der Kopf hat echt Übergewicht. Puh, ist das warm. Zurück zu den anderen. Rumms, der Kopf schlägt gegen das Vordach der Glühweinbude. Der Elch ist gut 40 Zentimeter größer als der Reporter im Innern. Uppsa, ich stolpere über die verlegten Kabel. Man sieht einfach überhaupt nichts.
Zoe Burchhardt, der sie die schöne Stimme attestierten, lässt sich von der Aussicht auf sechs Wochen Knochenarbeit nicht abhalten. Die 19-Jährige will den Job neben ihrer Ausbildung zur Krankenschwester und der Arbeit als Fitnesstrainerin machen. Sie hatte in der WAZ von der Ausschreibung gelesen. „Meine Freunde haben gesagt, das ist der perfekte Job für dich.“ Nun steht sie zum Test als verschnürtes laufendes Paket mit Nikolausmütze da und strahlt die Leute an. „Eigentlich will ich ja Elfe sein.“ Das wird sich machen lassen. Macht sie den Job fürs Geld? „Nein, weil es Spaß macht.“
Plötzlich wird der Elch zum Medienstar – niemand erkennt einen im Kostüm
Und es macht einen Heidenspaß. Auch, weil den Elch keine Sau (verzeihen Sie bitte die Wortwahl) erkennt. Eigentlich will ich gerade das Kostüm ausziehen. Da ist plötzlich eine ganze Medienmeute hinter mir her. Wie fühlt man sich, fragen die Kollegen vom Fernsehen mit der großen Kamera und dem kuscheligen Mikrofon-Puschel. Die Fotografen lassen ihre Kameras im Sekundentakt rattern. Blitzlichtgewitter. So fühlt man sich also als Popstar – oder Elch. Drehen wir den Spieß mal schnell um und wuscheln dem WDR-Kollegen durch die akribisch frisierten Haare. Wie schnell der auf einmal rennen kann...
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Wer jetzt wirklich genommen wird, steht noch nicht fest. Es gibt noch einen weiteren Casting-Termin. Danach müssen die Auserwählten noch einmal die Parade proben.
Und nun das Wichtigste: Wäre ich denn jetzt ein guter Elch? Die anderen Castingteilnehmer quittieren die Frage mit einem höflichen, aber immerhin zustimmenden Ja. Nur eine Frau flüstert freundlich: „Das ist kein Elch. Das ist ein Reh.“ Recht hat sie.