Herne. Kaum eine Organisation ist von der Corona-Pandemie so betroffen wie das DRK. Geschäftsführer Martin Krause im Samstagsinterview mit der WAZ.
Kaum eine Organisation ist von der Corona-Pandemie so betroffen wie das Deutsche Rote Kreuz. Geschäftsführer Martin Krause erläutert im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann die unterschiedlichen Aspekte - auch als Akteur in der Bekämpfung der Pandemie.
Herr Krause, das DRK ist an ganz vielen Stellen von der Pandemie betroffen oder in die Eindämmung involviert. Fühlen Sie sich inzwischen als Pandemie-Manager?
Krause: So würde ich mich nicht bezeichnen. Wir sind einer von vielen Akteuren, die an verschiedenen Stellen ihren Teil zur Bekämpfung beitragen.
Aber durchaus an entscheidenden Stellen, wenn man das Abstrichzentrum und demnächst das Impfzentrum sieht...
...aber es gibt ja auch Stellen, die uns direkt berühren. Wir haben Pflegeeinrichtungen und betreuen viele Menschen, wir führen Arbeitsmarktprojekte und viele Beratungsleistungen durch. Wir sind ganz nah an den Menschen dran und deshalb vielfältig betroffen. So erleben wir, welche Nöte, gerade in den Pflegeeinrichtungen, die Menschen berühren. Wir versuchen, Lösungen zu finden.
Wie viel Prozent Ihrer Arbeit müssen Sie mit Corona-Themen verbringen?
Drei Viertel meiner Zeit beschäftigen sich mit Fragen der Pandemie. Auswirkungen, Schutzmaßnahmen, Abstriche oder Fragen rund ums Impfzentrum. Ich bin aber auch Ansprechpartner für die Mitarbeiter, die in der einen oder anderen Weise betroffen sind. Im Gegensatz zur ersten Welle sind wir nun stärker betroffen. Seit Oktober haben wir fast jede Woche einen Mitarbeiter, der Symptome zeigt oder positiv getestet wurde. Oder Angehörige waren betroffen. Oder die Pflegeeinrichtungen. Da spüre ich, dass die Mitarbeiter unterschiedlich damit umgehen.
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Inwiefern?
In der ersten Welle dominierte die Angst. Damals lautete das Credo, dass wir die Einrichtungen abschotten. Wir haben uns in den Leitungsrunden sehr viel damit beschäftigt, mit welchen Maßnahmen wir uns schützen. In der zweiten Welle war es dann auch die persönliche Sorge. Mitarbeiter gehen unterschiedlich damit um. Manche ziehen sich zurück, andere sagen: Wir schaffen das. Wir haben vom ersten Moment an mit einem corona-spezifischen Newsletter eine maximale Transparenz hergestellt.
Können Sie sich noch erinnern, wann Sie zum ersten Mal Corona wahrgenommen haben?
Es war kurz nach Neujahr. In einer Samstagsausgabe der WAZ gab es eine ganz kleine Meldung darüber, dass sich die Lungenentzündung in China ausbreitet. Das war zwar nichts Ungewöhnliches, weil es ja schon andere Erreger gegeben hat, aber ich hatte ein flaues Gefühl. Vielleicht lag das an meiner naturwissenschaftlichen Laufbahn. Sorgen gemacht haben wir uns, als die ersten Fälle in Europa aufgetreten sind.
Wie sind Sie mit der sich dann entwickelnden Dynamik umgegangen? Sie mussten ja innerhalb kürzester Zeit Konzepte entwickeln.
Im Nachhinein war es gut, dass wir in kürzester Zeit die Angebote runtergefahren haben. Natürlich hatte keiner ein Patentrezept, deshalb haben wir große Vorsicht walten lassen. Wir haben ja in der Regel eine ältere Zielgruppe: Seniorenreisen, Seniorenberatung, Pflegeeinrichtungen, die Selbsthilfegruppen. Die Blutspende dagegen musste als besonders schützenswerter Bereich nie in den Lockdown gehen. Durch das Engagement von Frau Sonnenschein konnten wir ins Kulturzentrum, zur Wewole ins City-Center oder in den Bürgersaal in Eickel gehen. Problematisch wurde es, als wir merkten, dass viele ehrenamtliche Helfer zu einer Risikogruppe gehören. Manche haben sich zurückgezogen. Doch wir mussten bis heute keinen Blutspendetermin absagen.
Wann sind Sie zum Akteur geworden?
Wir haben in den Gesprächen mit der Stadt festgestellt, dass wir als DRK in der Lage waren, viele Informationen bereitzustellen. Wir konnten verschiedene Dinge der Stadt anbieten, dazu gehörte die Testung. Als im Juni die erste Welle abebbte und die Kassenärztliche Vereinigung sich aus den Tests zurückgezogen hatte, haben wir angeboten, dass wir Tests durchführen könnten. Wir hatten uns damals drei Tage pro Woche mit jeweils zwei Stunden vorgenommen. Inzwischen sind 20 Mitarbeiter tätig.
Wie haben sie diese Kräfte rekrutiert? Sie konnten sie ja nicht aus den anderen Bereichen abziehen.
Es waren Mitarbeiter aus dem Erste-Hilfe-Bereich sowie dem Sanitäts- und Rettungsdienst. Viele kamen auch über Kontakte zu uns. Studenten oder ehemalige Pflegekräfte.
In absehbarer Zeit kommt mit dem Impfzentrum die nächste Aufgabe auf das DRK zu...
...genau. Da gibt es quasi ein Drei-Säulen-Modell. Die Stadt stellt die Räumlichkeiten und die organisatorische Gesamtverantwortung gegenüber dem Land, die Kassenärztliche Vereinigung das medizinische Fachpersonal, das für den Vorgang des Impfens verantwortlich ist. Dann gibt es den Empfang, die Datenerhebung und zwei Wartebereiche vor und nach der Impfung. Und da unterstützt das DRK. Zusätzlich stellen wir Rettungsdienstpersonal.
Wie umfangreich ist diese Aufgabe für das DRK?
Das hängt ein Stück davon ab, wie viele Impfstrecken errichtet werden. Die Planungen für die Halle sehen in der Hochphase bis zu vier Impfstrecken mit insgesamt acht Impfräumen vor. Wenn der Impfstoff zur Verfügung steht, soll auch schnell geimpft werden. Wenn man acht Impfräume hat, dann braucht das DRK etwa 40 Kräfte auf Vollzeitbasis, denn das Impfzentrum soll von 8 bis 20 Uhr geöffnet sein. Sieben Tage in der Woche.
Können Sie diese Kräfte noch aus Ihrem Kreis rekrutieren?
Nein. Wir schaffen neue Stellen, allerdings für einen begrenzten Zeitraum. Wir gehen von einer Laufzeit von sechs, wenn nicht neun Monaten aus, bis die Impfleistung auf Hausärzte übertragen wird. Ich bin weiter optimistisch, dass wir weiter Personal finden, das uns unterstützt.
Haben Sie eine Prognose oder Hoffnung, wann das DRK wieder halbwegs zu einem normalen Betrieb zurückkehren kann?
Ich schaue als gebürtiger Wanne-Eickeler immer von Kirmes zu Kirmes. Wir hatten schon sehr früh im Jahr die Befürchtung, dass die Cranger Kirmes so nicht stattfinden kann. Ich habe die große Hoffnung, dass die Impfungen so schnell anlaufen und Medikamente auf den Markt kommen, dass Anfang August etwas auf dem Kirmesplatz stattfindet.
>> KREISVERBAND: VON PFLEGE BIS QUARTIERSARBEIT
■ Der Kreisverband bietet eine Vielzahl von Dienstleistungen und Angeboten.
■ Das Spektrum umfasst die verschiedenen Facetten der Pflege und Hilfe: von Pflegeheimen über ambulante Pflege, Essen auf Rädern oder Seniorenberatung.
■ Darüber hinaus ist das Herner DRK bei der Quartiersarbeit (Röhlinghausen, Wanne-Süd) engagiert, berät bei der Migration und Integration oder betreibt Kleiderläden.