Herne. Corona ist für den 19-jährigen Herner Mohammad Alawad seit Monaten ein bestimmender Faktor im Leben - weil er sich ehrenamtlich engagiert.

Hunderte Herner haben ihm in diesem Jahr gegenüber gestanden. Doch sein Gesicht hinter der Schutzmaske konnten sie wohl kaum erkennen. Es ist das Gesicht von Mohammad Alawad. Er nimmt seit Monaten ehrenamtlich Abstriche von Menschen, bei denen ein Verdacht auf eine Corona-Infektion besteht. Doch eigentlich beginnt seine Geschichte viel früher. Und mit seinen 19 Jahren hat er womöglich schon mehr erlebt als andere Menschen in ihrem kompletten Leben nicht.

Die Geschichte beginnt im Februar 2016, als Mohammad Alawad mit seiner Familie aus der syrischen Stadt Idlib nach Deutschland kam - über das Mittelmeer, Griechenland und die Balkanroute. Ihre erste Bleibe in Herne war die ehemalige Görresschule, acht Monate habe die Familie dort gelebt. Die Unterkunft wurde damals vom Deutschen Roten Kreuz betreut. Mohammad fiel den Helfern auf, weil er mitgeholfen hat und weil er schon ein wenig Deutsch sprach, obwohl er gerade erst angekommen war. Deshalb habe eine DRK-Mitarbeiterin ihn gefragt, ob er Interesse an einer Sanitätsausbildung habe. Hatte er. Und er hängte noch eine Betreuungsausbildung dran.

Die Verbindung zum DRK sollte im Coronajahr noch viel enger werden - was Alawad zu Beginn des Jahres nicht ahnen konnte, als er mit der Gesamtschule Wanne-Eickel in der Skifreizeit in Österreich unterwegs war. Damals habe er zum ersten Mal von Corona gehört, „aber ich habe es nicht sehr ernst genommen, bei der Schweinegrippe war ja dann auch nichts Besonderes passiert“.

Mohammad Alawad hat in einem schlimmen Jahr auch schöne Dinge erlebt. Zum Beispiel ein OP-Praktikum im Anna-Hospital.
Mohammad Alawad hat in einem schlimmen Jahr auch schöne Dinge erlebt. Zum Beispiel ein OP-Praktikum im Anna-Hospital. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Er hatte sich - wie viele andere - getäuscht. Wenig später fand er sich mitten im Geschehen. Er gehörte zu jenen DRK-Helfern, die im Frühjahr die Menschen bei der Wewole testeten, auch beim Fleischkonzern Tönnies testete er in der Folge des Ausbruchs hunderte Mitarbeiter. Als sich das DRK im Spätsommer im Abstrichzentrum der Stadt Herne engagierte, meldete sich der Schüler freiwillig. „Vielleicht habe ich inzwischen mehr als 1000 Menschen getestet“, schätzt er. Allerdings ohne eine Spur von Stolz. Das sei keine Zahl, um anzugeben. Es sei vielmehr schade, dass so viele Menschen getestet werden müssten. Es sei eine sensible Aufgabe, die er habe, schließlich sei es unangenehm, wenn das Stäbchen in die Nase geschoben werde. Jeder Mensch reagiere anders. Manchmal hätten Erwachsene mehr Angst als Kinder. Die Angst sich selbst zu infizieren, sei übrigens schnell gewichen.

Um Alawads Engagement einordnen zu können, muss man wissen, dass er so gut wie jede freie Minute im Abstrichzentrum verbringt. Er war während der kompletten Herbstferien im Einsatz, auch am kommenden Samstag wird er wieder mithelfen. Seine Mitschüler könnten nicht so recht nachvollziehen, dass er seine Freizeit für so eine Tätigkeit opfere. „Aber für mich ist das kein Opfer, ich mache das gerne.“ Er werde sich auch für den Einsatz im Impfzentrum melden, DRK-Geschäftsführer Martin Krause weiß bereits von diesem Wunsch.

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Apropos Schule: An der Gesamtschule Wanne-Eickel gab es mehrere Coronafälle - allein deshalb war Mohammad Alawad zweimal selbst in Quarantäne. Ein drittes Mal, weil seine Corona-Warnapp angeschlagen hatte. Teilweise habe er diese Tage im eigenen Zimmer verbringen müssen, dann immerhin in der Wohnung. Keine schöne Zeit sei das gewesen. Hinzu komme, dass es zu Hause viel schwieriger sei, Sachen für die Schule zu lernen. Dazu muss man wissen: Klausuren, die Alawad jetzt schreibt, sind abiturrelevant. Auch wenn bald die Impfungen beginnen: Sein Blick nach vorn ist nicht ungetrübt. Sein Abitur werde er wohl mit Maske absolvieren.

Doch Mohammad Alawad sieht auch das Schöne im Schlimmen. In diesem Jahr sei er zum ersten Mal in seinem Leben Ski gefahren, er habe ein Spiel des BVB im Stadion gesehen - und ein großer Wunsch sei in Erfüllung gegangen. Nach verschiedenen anderen Praktika im St. Anna Hospital habe er dort ein Praktikum im Operationssaal absolvieren dürfen. Denn Alawad hat einen festen Berufswunsch: Chirurg.

>> FÖRDERUNG ALS RUHRTALENT

■ Mohammad Alawad hat in sehr kurzer Zeit fast perfekt Deutsch gelernt. Auch deshalb wurde er im vergangenen Jahr in der Kreis der Ruhrtalente aufgenommen.

■ Das Schüler-Stipendienprogramm bietet eine dauerhafte persönliche Beratung in Bildungs- und Ausbildungsfragen. Das Programm besteht aus Workshops, Seminaren, kulturellen Veranstaltungen und spannenden Exkursionen. Dazu kommen individuelle Angebote.