Hattingen. Tierschützer protestieren seit Jahren gegen den Brauch des Gänsereitens. Nach fast 20 Jahren gibt es nun wieder eine Veranstaltung in Hattingen.
Nach fast zwei Jahrzehnten kommt eine unter Tierschützern sehr umstrittene Tradition zurück nach Hattingen: das Gänsereiten. Drei Vereine haben sich zusammengeschlossen und bringen den Brauch wieder in die Stadt.
Der Reitverein Zieten aus Essen-Kupferdreh, der Sevinghauser Gänsereiterclub aus Bochum und der Gänsereiter-Club Freisenbruch aus Essen werden gemeinsamen am Samstag, 1. März, ein karnevalistisches Gänsereiten auf der Reitanlage Gut Kiekert veranstalten. Es werde immer schwieriger, das Gänsereiten noch durchzuführen. Zu massiven Protesten von Tierschützern in der Vergangenheit kamen neue Auflagen. Jetzt weichen die Vereine aus Essen und Bochum nach Hattingen aus.
Was ist Gänsereiten überhaupt? Beim Gänsereiten wurde bis vor wenigen Jahren eine zuvor getötete Gans an den Füßen zwischen Bäumen oder an einem Galgen aufgehängt. Die Reiter versuchen im Galopp der Gans mit bloßen Händen den Kopf abzureißen. Wer das schafft, wird Gänsekönig. Früher wurde der Brauch mit lebenden Gänsen durchgeführt.
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Gänsereiter passen sich an
Im Gegensatz zu damals wird heutzutage keine echte Gans verwendet. Sascha Peters, Erster Vorsitzender des Sevinghauser Gänsereiterclubs, erklärt den Wandel: „Wir haben früher eine echte Gans genommen, die unter Aufsicht des Veterinäramts gestorben ist. Tierschützer wollten das nicht.“
Proteste führten immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen und Petitionen. 2016 entschied das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, dass das Tötungsverbot nicht gelte, solange die tote Gans auch gegessen würde. Gerade in Bochum bei den Clubs in Sevinghausen und Höntrop wurden immer wieder Stimmen von Tierschützern laut.
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In Hattingen findet das Gänsereiten seit 2006 nicht mehr statt. Zuvor hatte es diese Tradition viele Jahre beim Zucht-, Reit- und Fahrverein Dumberg gegeben. Während die Jugendlichen zuletzt auf eine Stoff-Ente ritten, ging es bei den Erwachsenen um eine tote Gans. Doch beides gab Ärger. Den jungen Leuten im Verein sei die Tradition hinter dem Gänsereiten einfach nicht mehr vermittelbar gewesen, erklärte Heiner Blum, damals Vorsitzender des Vereins, vor Jahren.
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Inzwischen ist die Tötung eines Tieres für das Gänsereiten verboten: Nach einer Petition mit rund 100.000 Unterstützern wurde entschieden, dass das Ritual ab 2018 nicht mehr mit echten Gänsen durchgeführt werden sollte. Stattdessen wird nun eine Holzattrappe unter die Decke der Reithalle oder an eine Seilkonstruktion gehängt.
Hattingen als Austragungsort
Warum findet das diesjährige Gänsereiten der Vereine in Hattingen statt? In ihren Heimatorten gibt es geeigneten Platz für die Austragung. „Wir sind befreundete Vereine und wollen die Tradition nicht aufgeben, deswegen haben wir nach Alternativen gesucht“, so Peters. Denn es sei immer schwieriger, das Gänsereiten zu veranstalten.
Durch Gespräche haben die Vereine mit der Reitanlage Gut Kiekert „einen für uns passenden Ort gefunden, wo wir alles haben, was wir für die Durchführung des Gänsereitens benötigen“, erklärt Peters.
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Tradition vs. Tierschutz
Das Gänsereiten bleibt trotz Verwendung einer Attrappe umstritten. Befürworter argumentieren, es sei ein jahrhundertealtes Kulturgut. Die Vereine aus Bochum und Essen-Freisenbruch führen diese Tradition schon seit über 425 Jahren aus. Außerdem stelle die Benutzung einer Attrappe eine tierschutzfreundliche Alternative dar, die den Brauch ohne Tierleid fortführt.
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Kritiker hingegen sehen darin eine Form der Gewaltverherrlichung. Obwohl keine echten Gänse mehr benutzt werden, erinnert es an die frühere Tiermisshandlung und verharmlosen diese. Zudem gibt es pädagogische Bedenken, insbesondere hinsichtlich der Vorbildfunktion für Kinder und Jugendliche.
Geschichte des Gänsereitens
Die Tradition hat seine Wurzeln in Spanien und verbreitete sich über verschiedene Länder Europas und Nordamerika. Im 16. und 17. Jahrhundert soll der Brauch seinen Weg ins Ruhrgebiet gefunden haben. Spanische Reitertruppen, die in der Region stationiert waren, vertrieben sich mit dem Gänsereiten ihre Zeit. Dann ist die Tradition eingeschlafen und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts wiederbelebt.