Hattingen. . Vor 40 Jahren besuchten Hunderte das Gänsereiten in Hattingen. Vor elf Jahren war Schluss damit – auch, weil es Proteste von Tierschützern gab.
- Die Tradition des Gänsereitens hat ihren Ursprung im 16. Jahrhundert
- In Niederwenigern wurde bis 2005 der Enten- und Gänsekönig ausgeritten
- Jüngere Vereinsmitglieder des ZRFV Dumberg wollten die Veranstaltung nicht erhalten
Vor 40 Jahren „griff Karl-Heinz richtig zu“. Und die Dumberger Reiter hatten nach einer halben Stunde ihren 39. Gänsekönig. Seit einigen Jahren gibt es das traditionelle Gänsereiten in der Karnevalszeit beim Zucht-, Reit- und Fahrverein Dumberg nicht mehr – aus unterschiedlichen Gründen, wie Heiner Blum, Vorsitzender des Vereins, erklärt.
Er selbst ist seit 30 Jahren im Verein. „Das Gänsereiten ist eine uralte Tradition“, weiß Blum. Im 16. Jahrhundert sei sie entstanden, als in der Gegend spanische Reitertruppen stationiert waren, die sich mit dem Gänsereiten die Zeit vertrieben. „Dann ist die Tradition eingeschlafen und erst Mitte des 19. Jahrhunderts wieder aufgeflammt“, berichtet Heiner Blum. In der für die Landwirtschaft wenig geschäftigen Zeit um Karneval ritten die Bauern – damals waren nur sie Mitglied in den ländlichen Reitervereinen – um den Titel des Gänsekönigs. „Da wurde nur noch auf tote Gänse geritten“, betont der ZRFV-Vorsitzende.
Auch bei den Dumbergern hatte die Veranstaltung Tradition. Jedes Jahr am Karnevalssamstag wurde der sogenannte Galgen aufgebaut. „Den ersten Spatenstich hatte der Ehrenvorsitzende“, erinnert sich Blum. „Und die Frauen der Aktiven schmückten den Gänsewagen.“ Der wurde dann am Rosenmontag von den kostümierten Reitern abgeholt und auf den Platz in Niederwenigern gebracht. 1977 hatten sich Hunderte Schaulustige eingefunden, um die 25 Reiter anzufeuern. Zuerst durfte aber die Jugend ran: Die ritt um den Entenkönig. Diesen Titel errang vor 41 Jahren übrigens erstmals ein Mädchen.
Insgesamt konnte das Gänsereiten durchaus mehrere Stunden dauern, bevor es am Abend zum Krönungsball ging. Blum selbst hat nur ein Mal mitgemacht: „Aber das hat mir mein Pferd übel genommen“, sagt er lachend.
Proteste von Tierschützern
Proteste gab es dagegen immer wieder von Tierschützern. „Wir haben bei den Jugendlichen nur noch eine Stoffente verwendet. Aber es gab trotzdem Proteste – wegen der Symbolik“, erinnert sich Heiner Blum. Die Erwachsenen ritten auf eine tote Gans. „Das gab Krach.“ Ebenso ist es heute in Wattenscheid, wo es das Gänsereiten noch gibt. Mehrfach waren Tierschützer gescheitert, das Gänsereiten verbieten zu lassen – der Antrag für eine einstweilige Verfügung gegen die Traditionsveranstaltung wurde 2016 abgelehnt. Für dieses Jahr wurde diskutiert, ob nur eine Attrappe benutzt werden darf. Es wird aber wieder auf eine tote Gans geritten.
Die Streitigkeiten der Vergangenheit trugen bei den Dumbergern jedenfalls dazu bei, dass die Tradition vor elf Jahren begraben wurde. „Außerdem gab es kaum noch alte Dumberger, sondern viele neue Leute im Verein. Denen war die Tradition hinter dem Gänsereiten einfach nicht mehr vermittelbar“, bedauert Blum. Heute feiern die jungen Reiter anders Karneval: mit Reiterspielen – gern im Kostüm.
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