Hattingen. Hattingen hat einen Sexspielzeughandel? Ja, denn jenseits der Ruhr trotzt der R&W-Erotikshop der Online-Konkurrenz. Das sind die Geheimnisse.
Die diskrete Online-Konkurrenz wie Amorelie oder Eis.de setzten dem stationären Erotikhandel ein Ende – Sexshops sind aus den deutschen Innenstädten weitestgehend verschwunden. Ein inhabergeführtes Fachgeschäft in Hattingen aber trotzt aktuell dem Trend. Seit dem Jahr 1997 gibt es den R&W-Shop von Thorsten Wilkop und Christian Ritzki. Wer sich in das Geschäft nahe der Ruhrbrücke wagt, bekommt Eindrücke in die Spielarten des modernen Liebeslebens - und viel zu lachen.
Thorsten Wilkop und Christian Ritzki, beide 54, kennen die Branche, schließlich gründeten sie einen der ersten deutschen Onlineshops für Erotikbedarf: „Sex-Versand.com“, die Homepage haben sie bis heute. Und einen guten Ruf auch: 4,9 von 5 möglichen Google-Sternen. Damals studierten beide noch Wirtschaftswissenschaften und waren durchaus geschäftstüchtig. Thorsten Wilkop zum Beispiel handelte schon auf dem Schulhof mit Kondomen oder verkaufte als Student „Radarwarner“. Beim Erotikhandel „haben wir einfach drei Sachen zusammengelegt, die wir richtig gut können“, erinnert er sich. „Verkaufen, Programmieren und Sex!“
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Mancher Kunde möchte nicht gesehen werden
Das Geschäftsprinzip war simpel: „Wir haben für 1000 D-Mark im Großhandel in Wiesbaden eingekauft und dann über unseren selbst programmierten Webshop weiterverkauft.“ Die Waren, manche mag man hier gar nicht beschreiben, stapelte er in seinem Studenten-Zimmer zwischen Bett und Schreibtisch. Nach einem Jahr expandierten beide und mieteten „eine halbe Gewerbehalle“ in Bredenscheid an. „Dann haben wir einen Fehler gemacht. Der Laden lief so gut, dass wir in eine 800-qm-Halle nach Holthausen umgezogen sind. Bei 2000 Euro Miete im Monat. Völliger Wahnsinn, wie viele Dildos musste ich dafür im Monat verkaufen“, sagt Wilkop heute.
Der Fehler von damals ist heute ein Vorteil. „R & W“ zog an eine vermeintlich unattraktive Ecke an der Bochumer Straße in Winz-Baak. „Das Wichtigste ist eine günstige Miete. Nur dann kann man die Preise gering halten. Zehn Prozent überm Internetpreis, mehr zahlen die Leute nicht.“ Zudem gilt: Viele, die in diesen Laden gehen, möchten eher nicht gesehen werden.
„Eros Aqua, die große Tube!“
An der Bochumer Straße haben sich die beiden Händler sowie Wilkops Frau Silke Duda etabliert. Sie kommen mit den Nachbarn klar, nur einer habe sich einmal an einem unzüchtigen Nonnen-Kostüm im Schaufenster gestört. Sie haben Kunden, die sind Mitte 70 und bestellen telefonisch Cremes - „Eros Aqua, die große Tube!“ -, und lassen diese mit dem Taxi liefern. Im Schaufenster hängt mittlerweile ein Zertifikat der Industrie- und Handelskammer - mit den Glückwünschen zum 25-jährigen Firmenjubiläum.
Anderswo gibt es die Sex-Shops mit angeschlossenem Erotikkino längst nicht mehr. Das Unternehmen Beate Uhse ging 2017 insolvent, auch die Marktgröße Orion dünnte sein Filialnetz immer weiter aus. Erotikland machte viele seiner Filialen - wie in Witten - 2024 dicht. Eine Erklärung des damaligen Ladeninhabers Guido Geihsen: „Seit Corona gibt es so eine Gemütlichkeit. Anstatt auszugehen, haben sie die Leute daran gewöhnt, lieber nur auf dem Sofa zu sitzen.“
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Swingerclubs und Kinki-Partys
Davon kann in Hattingen keine Rede sein. Zwei Drittel der Kundschaft sind Frauen, die zumeist in der großen Schuh- und Bekleidungsauswahl stöbern, anprobieren - und Beratung wünschen. „Das ist ein sensibles Feld: Wie viel meines Körpers zeige ich, wie weit will ich gehen“, sagt Silke Duda (49). Die Kundinnen gehen entweder in Swingerclubs oder zu sogenannten Kinki-Partys, bei denen die Teilnehmenden ihre sexuelle Freiheit feiern. Außergewöhnliche Outfits und ein aufgeschlossenes, tolerantes Publikum sind teil dieses Trends, auf den Clubs wie die Matrix in Langendreer oder das Delta in Essen aufgesprungen sind.
Während sich viel Jahre lang nur Frauen aufbrezelten, sich in offenherzige Kleidchen oder den Bestseller, ein Perlentop (mit nix drunter) zwängen, kaufen inzwischen auch immer mehr Männer Gewagtes ein. Silke Duda zeigt eine mit goldenen Pailletten besetzte Hot Pants für 100 Euro und passende Glitzer-Weste. Und sowas tragen Männer im Swingerclub? Thorsten Wilkop nickt wissend, schließlich geht das Trio von der Bochumer Straße selbst swingen: „Alles besser als ein schwarzes T-Shirt und ne Unterbux.“
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