Witten. Gut zehn Jahre machte der Erotik-Shop in bester City-Lage gute Geschäfte. Aber Ende März ist trotzdem Schluss.
Vielen behagte es nicht, dass 2013 an prominenter Stelle in Wittens Einkaufsmeile das „Erotikland“ eröffnete. An der Ruhrstraße, ausgerechnet neben dem Kindermodegeschäft „Ernstings Family“ und an Wittens meistgenutzter Fußgängerampel, die täglich viele Schüler passieren. Inzwischen hat man sich an den rotschrillen Sexshop mit seinen halbwegs züchtig angezogenen Schaufensterpuppen halbwegs gewöhnt, doch nun ist Schluss: Ende März schließt die Filiale.
Aktuell läuft der Ausverkauf, bis zu 70 Prozent aufs gesamte Sortiment. Das zieht neben den Stammkunden, das sind 80 Prozent aller Käuferinnen und Käufer, auch einige Neugierige ins Geschäft. Dort sind die Regale noch gut gefüllt mit DVDs, Accessoires, Gerätschaften und reihenweise Dessous. „Reizwäsche in XXL läuft besonders gut“, so die Verkäuferin, und packt einige großformatige Stücke aus feiner Spitze und weichem Lederimitat für füllige Damen aus. „Schauen Sie, wie gut das verarbeitet ist!“ Die Kundinnen wüssten die Qualität zu schätzen und es gebe eine Umkleidekabine – diesen Service biete eben das Fachgeschäft und nicht der Onlinehandel.
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Denn der stationäre Erotikhandel hat bekanntlich schwer mit der Internet-Konkurrenz wie Amorelie oder Eis.de zu kämpfen. Die schmuddeligen Sex-Shops mitsamt Kinosaal sind aus deutschen Innenstädten längst verschwunden und den Streaming-Angeboten zum Opfer gefallen. Das Unternehmen Beate Uhse ging 2017 insolvent, auch Marktgröße Orion dünnte sein Filialnetz immer weiter aus. Tatsächlich geriet das dem Wittener „Erotikland“ zum Vorteil. „Vor zwei Jahren gab es einen regelrechten Kundenaufschwung“, so Inhaber Guido Geihsen. „Viele Mitbewerber im Umkreis haben nach Corona geschlossen. Als in Bochum Orion dicht machte, kamen die Kunden zu uns.“
Leute wollen Produkte sehen und anfassen
Wirtschaftliche Gründe seien es nicht, warum Geihsen eine seiner sechs Filialen schließt. „Im Gegenteil, die Tendenz geht wieder zurück zum Einzelhandel. Die Leute wollen die Produkte sehen und anfassen.“ Der 54-Jährige nennt als Beispiel die Vibratoren, echte Umsatzmotoren in dem Fachmarkt. „Online steht in jeder Artikelbeschreibung „softes Silikonmaterial“, aber jedes Produkt fühlt sich anders an. Auch mit der Angabe 18 mal drei Zentimeter können viele wenig anfangen. Das muss man sehen!“
Sein Problem ist vielmehr der Fachkräftemangel. „Wir bekommen die Personalprobleme kaum in den Griff“, sagt Guido Geihsen. Auf seine Stellenanzeigen hätten sich früher 40 Leute beworben, „jetzt sind es null oder eins.“ Immer öfter springt der Chef selbst ein, anstatt im Büro zu bleiben. „In manchen Monaten hatte ich 25 Verkaufstage.“ Künftig werde er nur die Filialen in Unna, Dülmen, Wesel, Iserlohn und Lüdenscheid plus den Versandhandel weiterführen. Das Ladenlokal in Witten habe er zum 1. April 2024 gekündigt. Dann steht das Geschäftshaus, in dem sich früher McDonalds befand, bis auf einen Handyladen leer.
Dass hier erneut ein Sexshop einzieht, ist unwahrscheinlich. „Im Erotik-Fachhandel gibt es nur noch Geschäftsaufgaben, keine Neueröffnungen mehr“, so Branchenkenner Guido Geihsen. Dass das Geschäft mit Zubehör fürs Liebesleben eher abflaut, hat seiner Meinung nach auch diesen Grund: „Seit Corona gibt es so eine Gemütlichkeit. Anstatt auszugehen, haben sie die Leute daran gewöhnt, lieber nur auf dem Sofa zu sitzen.“
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