Hattingen. Politik interessiert offenbar doch: Unerwartet viele Gäste kamen zu einer Podiumsdiskussion in Hattingen, die den Rechtsruck erklären möchte.
Das Interesse war nicht nur groß, es war riesig. Zur Podiumsdiskussion „Gerechte Politk statt rechter Politik“ kamen über 70 Zuhörer und Zuhörerinnen ins Holschentor in Hattingen. Ihre Teilnahme abgesagt hatten CDU und FDP, wie Rainer Sommer, Sprecher von „Buntes Hattingen gegen Rechts“ sagte. So bestand die in ihren Ansichten häufig homogene Gruppe aus dem SPD-Bundestagsabgeordneten Axel Echeverria, der Fraktionsvorsitzenden der NRW-Grünen, Verena Schäffer, und Albert Wagner vom Bündnis „Buntes Hattingen gegen Rechts“.
Susanne Schild, Redaktionsleiterin der WAZ Hattingen, sorgte mit ihren Fragen dennoch für ausreichend Diskussionsstoff. Die Grundthese für die Veranstaltung hatte Buntes Hattingen gesetzt: „Zunehmender Rechtsruck in der Gesellschaft und innerhalb der demokratischen Parteien sowie die Übernahme rechtspopulistischer Positionen, die so zuvor nur von der AfD propagiert wurden.“
Verschiebung des gesamtgesellschaftlichen Gefüges
„Treibt die AfD die Parteien der bürgerlichen Mitte vor sich her“, wollte Susanne Schild wissen. Für Echeverria keine Frage: Natürlich habe die AfD die politische Landschaft beeinflusst. Für ihn liegt aber auch eine große Schuld bei der Boulevard-Presse, die „mit reißerischen Überschriften auf dem Rücken der Menschen mit Migrationshintergrund Auflage machen.“ Er selbst habe zum Beispiel auch einen solchen Migrationshintergrund, weil sein Vater Spanier war. Es gelte, sich deutlich gegen solche populistischen Strömungen zu stellen.
Erschreckend sei dieser Rechtsruck in Deutschland, sagte Verena Schäffer. „Die AfD ist rechtsextrem und rassistisch und man stellt fest, dass immer mehr Menschen sie wählen. Man merkt, dass der Hass zunimmt und Gewalt auch gegen Abgeordnete angewendet wird.“ Es habe im vergangenen Jahr eine Zunahme rechtsextremer Gewalt von 17 Prozent gegeben. Auch Albert Wagner stellte fest, dass „es eine Verschiebung des gesamtgesellschaftlichen Gefüges gibt.“ Er klagte an, dass man über Jahre das rechte Gedankengut in der deutschen Mittelschicht nicht ernst genommen und jetzt mit einem großen Problem konfrontiert sei.
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Verpasst, die AfD zu verbieten
Gründe für diese Entwicklung gebe es viele, aber ein einfaches Mittel dagegen eben nicht. Man habe verpasst, die AfD zu verbieten, weil sie rechtsradikal ist. „Warum schafft das Innenministerium das nicht“, fragte Wagner, der SPD-Mitglied war und aus Frust über diese Politik die Partei verlassen hat. Echeverria entgegnete, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser handele und eine rechte Zeitschrift bereits verboten habe. Die Fraktionsvorsitzende der NRW-Grünen wies allerdings darauf hin, dass es eben nicht einfach sei, eine Partei zu verbieten. „Es zieht sich über Jahre hin.“
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Dass vor allem für die Kinder und Jugendlichen die Social-Media-Plattformen eine Gefahr darstellen, war ebenfalls Thema. „Die sind aber mittlerweile ein Teil des Lebens der Jugend. Wichtig ist, Medienkompetenz zu vermitteln, damit sie echte Nachrichten von Fake-News unterscheiden lernen“, betonte Verena Schäffer.
Einfache Lösungen scheint es nicht zu geben
Vor allem rechtsradikalem Gedankengut bei Polizei, Bundeswehr und in Behörden müsse Einhalt geboten werden. Wagner ärgerte sich: „Willy Brandt hat vor Jahrzehnten den Radikalenerlass durchgesetzt. Wo bleibt heute der Rechtsradikalenerlass“, fragte er.
Fazit nach anderthalb Stunden intensiver Diskussion: Es war in erster Linie eine Analyse, warum Deutschland in den vergangenen Jahren rechts der Mitte so stark geworden ist, einfache Lösungen scheint es dagegen nicht zu geben. Eine Forderung gab es immer wieder an dem Abend: Auf jeden Fall weiter aufklären und sich gegen die rechten Strömungen stellen. Nicht nachlassen im Kampf gegen rechte Politik.
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