Hattingen. Vor der Bundestagswahl äußern Unternehmer ihre Sorgen: Energiekosten, Bürokratie, Fachkräftemangel belasten. Was sie von der Regierung erwarten.
„Die Wirtschaft ist am Ende“, sagt Unternehmer Kaan Öztürk aus Hattingen kurz vor der Bundestagswahl. Was er und andere Unternehmer fordern und hoffen.
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Noch würden die Menschen die schlechte Situation der Wirtschaft nicht spüren, „aber das kommt zeitverzögert“, sagt Kaan Öztürk, Geschäftsführer von KÖ Immobilien GmbH, die Gebäude auch saniert. Eine höhere Arbeitslosigkeit kann eine Folge sein. Dringend müssten laut Öztürk beispielsweise die Energiekosten gesenkt werden. „Die Arbeitgeber laufen auf dem Zahnfleisch. Und die Beiträge und Abgaben sollen auch noch steigen.“
Skeptischer Blick der Unternehmer in Hattingen auf Bundestagswahl
Auf die Wahl blickt Öztürk skeptisch. Er wäre froh, wenn „die AfD nicht zu stark vertreten sein würde“. Kein Verständnis zeigt er dafür, dass „in der Politik Leute in Positionen sitzen, die von der Materie keine Ahnung haben. Ich gehe ja auch nicht morgen hin und operiere am offenen Herzen.“ Es gebe ja auch beispielsweise bei den Grünen „Qualifizierte, aber die haben leider nicht die Ämter“.
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Er würde begrüßen, wenn die Parteien aus der Mitte stark aus der Wahl herausgingen. Richtig zufrieden ist er mit keiner Partei. „Ich gebe zu, jeder einzelne muss für sich entscheiden, was für ihn das kleinere Übel ist - egal ob bei der Bundestagswahl oder dann auch in Hattingen bei der Kommunalwahl.“
„Reduzierung überbordender Meldepflichten“
Marc Hidde, Geschäftsführer von Vulkan Inox, beurteilt die Lage seines Unternehmens, das Strahlmittel produziert, als „zufriedenstellend in einem sehr angespannten Umfeld“. Von der neuen Regierung erwartet er eine Klarstellung, ob und inwieweit ein Industriestrompreis kommt. Zudem fordert er „eine Einschränkung neuer und eine Reduzierung überbordender Meldepflichten seitens der EU und der Gesetzgebung.“
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Die Rahmenbedingungen für Unternehmen in Deutschland bewertet er als intransparent, ihm fehlen Aussagen zu und Umsetzungen von wirtschaftsfördernden Maßnahmen. „Selbst weitreichende Entscheidungen und gemachte Zusagen, wie die Förderung von Stahl, der mit Wasserstoff hergestellt werden soll, werden nicht konsequent umgesetzt“. Das führe zu Unsicherheit.
Große Unischerheiten
Die sehen auch Friedrich-Wilhelm Wengeler von „Wengeler & Kalthoff“ sowie Isabel und Marcel Pfeil, Geschäftsführende von Resol, spezialisiert auf Solar- & Heizungsregelungen, Power-to-Heat, Visualisierungen. Sie kritisieren das „Hin und her“ bei Förderungen. „Die Verbraucher warten ab. Sie überlegen sich zweimal, ob sie derzeit investieren. Es ist das Gegenteil von dem erreicht worden, was man wollte“, so Isabel Pfeil. Das Duo wünscht sich eine stabile Regierung.
Zwingend notwendig ist aus Marcel Pfeils Sicht, Regulierungen und EU-Vorschriften einzudämmen. „Das fängt schon bei den Verpackungsrichtlinien an.“ Isabel Pfeil: „Es gibt beispielsweise keine einheitlichen Entsorgungssymbole auf Umverpackungen. Jedes Land setzt die EU-Vorgaben anders um.“ Ein Wunsch von Isabel Pfeil: „Bürokratische Prozesse müssen schneller und digitaler werden.“
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„Insgesamt treten wir auf der Stelle“
Das sei auch bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte ein wichtiger Punkt. Den Fachkräftemangel spürt Resol. „Es gibt bei den Firmen nicht genug Installateure. Das bremst den Markt“, sagt Marcel Pfeil. Isabel Pfeil würde sich wünschen, dass mehr Anreize geschaffen werden, eine Ausbildung zu machen.
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„Mit Blick auf die Bundestagswahl im Februar erwarte ich, dass die wirtschafts- und vor allem industriepolitische Debatte in den Mittelpunkt des Wahlkampfes gerückt wird. Insgesamt treten wir auf der Stelle. Die zunehmende Investition im Ausland bedeutet Deindustrialisierung in Deutschland. Die Politik muss jetzt dringend alles unterlassen, was die Industrie schwächt und alles unternehmen, was sie stärkt“, sagt Lars Bergmann, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen, deren Konjunkturprognose pessimistisch ist.
Schlechte Geschäftslage
Auch die Ergebnisse des 114. Konjunkturberichts zur Ruhrwirtschaft weisen in diese Richtung. Jedes vierte Unternehmen - besonders aus Industrie und Handel - aus Bochum, Herne, Witten und Hattingen berichtet von einer aktuell schlechten Geschäftslage.
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„Was wir jetzt brauchen, ist eine Bundesregierung, die den Karren wieder aus dem Dreck zieht und auf diese Weise verloren gegangenes Vertrauen in die Politik wiederherstellt“, so Michael Bergmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet Die Inlandsnachfrage schwächele, die steigenden Arbeitskosten sowie komplexe wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen bereiten Probleme. „Hohe Energie- und Rohstoffpreise sind weiterhin ein großes Thema in der Industrie. Und im Handel dominieren die hohen Arbeitskosten“, so Bergmann.
Auf die neue Regierung wartet „riesiges Arbeitspensum“
Er fordert schnelle wirtschaftspolitische Antworten: „Wer auch immer das Ruder nach dem 23. Februar übernimmt, auf den wartet ein riesiges Arbeitspensum.“