Hattingen. Vor einem Jahr blockieren sie Straßen mit Treckern und auch 2025 beginnt für die Landwirte in Hattingen, Sprockhövel und dem Kreis mit Sorgen.
Proteste, Blockaden - ein Aufstand der Landwirte: Sie blicken zurück auf ein bewegtes Jahr und voraus in eine ungewisse Zulunft. Auch ein Jahr nach den großen Protesten sind die Probleme nicht gelöst, sondern neue dazugekommen.
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Mit Hunderten Trecker fahren die Landwirte aus Hattingen, Sprockhövel und dem übrigen Ennepe-Ruhr-Kreis vor einem Jahr zum Kreishaus. Die Verkündung des Beschlusses, dass der Agrardiesel nicht mehr vergünstigt und landwirtschaftliche Zugmaschinen besteuert werden sollen, führt zu nie dagewesenen Protesten.
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Denn lange brodelt es in den Landwirten. Schon fünf Jahre zuvor zieht es viele zum Protest. Damals geht es um die Diskussion um Düngemittel. Peter Oberdellmann aus Hattingen, stellvertretender Sprecher der Kreis-Landwirte betont schon da: „Die Politik setzt unsere Branche gerade massiv unter Druck.“
Ernte im EN-Kreis
Die Ernte fällt für die Landwirte im EN-Kreis 2024 gemischt aus. Staunässe hatte vielerorts die jungen Getreidebestände geschädigt und zu erheblichen Ertragsverlusten geführt. „Die Getreideernte wurde zwar immer wieder durch Regenphasen unterbrochen, aber die die trockenen Zeitfenster waren ausreichend lang, damit das Getreide abtrocknen und geerntet werden konnte“, so Landwirtesprecher Dirk Kalthaus. Auch für die Silograsernte seien die Zeitfenster lang genug gewesen. Die Heuernte, die längere trockene Zeitabschnitte brauche, sei hingegen problematisch gewesen. Die Kartoffelernte war gut, allerdings begünstigte die feuchte Witterung die Kraut- und Knollenfäule, eine Pilzkrankheit. Beim Mais waren die Erträge durchschnittlich bis gut.
„Rinder- und Schafhalter werden sich lange an das Jahr 2024 als das Blauzungenjahr erinnern“, so Kalthaus. Die Blauzungenkrankheit ist zwar für Menschen ungefährlich, macht aber Schafen, Ziegen und Rindern sehr zu schaffen. „Der Gang morgens früh in den Stall oder auf die Weide und die bange Erwartung, ob Tiere erkrankt sind, war für uns Bauernfamilien in diesem Jahr enorm belastend“, sagt er.
Fünf Jahre später steigt der Druck noch mehr. Landwirte, Lohnunternehmer sowie Spediteure fordern mehr Planungssicherheit und Verlässlichkeit seitens der Politik. „Nachdem wir bereits in den vorherigen Jahren mit unpraktikablen Auflagen, fehlender Planungssicherheit und vielen Kürzungen zu kämpfen hatten, brachte dieses Vorhaben der Bundesregierung das Fass zum Überlaufen“, blickt Landwirtesprecher Dirk Kalthaus zurück. „Es kamen immer mehr Auflagen dazu, die teure Investitionen nötig machen“, erklärt Peter Oberdellmann den Ärger der Bauern.
Nun, ein Jahr später, geht es wieder um politische Entscheidungen, die die Landwirte bedrohen. Neben dem Ampel-Aus sei es besonders das Mercosur-Freihandelsabkommen, erklären die Bauern. Die Landwirte fürchten Nachteile, wenn per Abkommen der Import aus südamerikanischen Ländern vereinfacht wird und so die Konkurrenz weiter steigt.
„Der Strukturwandel ging auch im Ennepe-Ruhr-Kreis in 2024 ungebremst weiter.““
„So haben wir uns in einem offenen Brief an unsere EU-Abgeordneten mit der dringenden Bitte gewandt, den agrarpolitischen Teil nachzuverhandeln“, sagt Kalthaus, denn dieses Abkommen würde für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sowie für die hiesige Landwirtschaft nicht ohne Folgen bleiben, betont er.
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Eine Folge: Bauernfamilien geben auf. „Der Strukturwandel ging auch im Ennepe-Ruhr-Kreis in 2024 ungebremst weiter“, sagt Kalthaus. Die fehlende Planbarkeit, unsichere Zukunftsaussichten und vielfach nicht stemmbare Auflagen würden dazu führen, dass in nahezu jedem Dorf es einen oder mehrere Höfe gebe, die in den letzten Jahren aufgegeben hätten oder die Aufgabe in den kommenden Jahren schweren Herzens planen würden, so der Landwirtevorsitzende. Für die, die weitermachen wollten, sei der Schritt in die Zukunft häufig mit hohem finanziellem Risiko und bürokratischen Hürden verbunden.
Ausblick auf 2025
Zumindest das Wetter hat zuletzt mitgespielt: „Witterungsmäßig erlebten wir im Ennepe-Ruhr Kreis und Hagen den Jahreswechsel deutlich entspannter als im letzten Jahr“, sagt Kalthaus. Die Saat habe im Herbst gut in den Boden gebracht werden können und die Pflanzen sähen in den meisten Fällen zufriedenstellend aus. Die politische Zukunft sei aber ungewiss.
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„Fakt ist jedoch, dass eine sichere heimische Nahrungsmittelversorgung die Basis für eine stabile Demokratie und für stabile gesellschaftliche Verhältnisse ist“, betont Kalthaus. Das beteuere auch die Politik immer wieder, nur müsse sie auch endlich die Rahmenbedingungen schaffen, um der heimischen Landwirtschaft Zukunftsperspektiven zu geben, so der Landwirtevorsitzende.