Hattingen. Landwirte aus Hattingen erklären, wofür die Agrar-Subventionen sind, warum sie teils auf Subventionen verzichten und wie es auch ganz ohne ginge.
Diese Woche ist geprägt vom Protest der Landwirte. Sie demonstrieren gegen Kürzungen von Bundesmitteln. Förderungen bekommen Landwirte auch von der EU. Wie viel Geld sie aus dem Agrarfonds erhalten, listet eine Internetseite für um die 70 Hattinger Betriebe auf. Einige von ihnen erklären, wofür sie Subventionen nutzen, wie es auch ohne ginge und warum sie zum Teil schon jetzt auf Gelder verzichten.
Die Förderungen für Hattinger Landwirte fallen extrem unterschiedlich aus. Die Spanne reicht von etwa 1500 Euro bis gut 140.000 Euro. Viele liegen zwischen 5000 und 25.000 Euro.
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Stefan Knoche gehört mit 5300 Euro zu denen, die eher geringere Beträge erhalten haben. Er bekomme die Flächenprämie, die aber jedes Jahr weniger werde. „Wenn die wegfällt, muss ich trotzdem weitermachen. Aber die kleinen Bauern, wie ich mit meinen zehn oder elf Hektar, sind gar nicht mehr gewollt“, sagt er. Von seinen 15 Tieren verwertet er einen kleinen Teil selbst. „Sonst würde ich das gar nicht mehr machen“, betont Knoche.
Hattinger Landwirte nutzen teilweise Agrar-Diesel nicht
Er erzählt von seinem 24 Jahre alten Trecker, mit dem er nicht nur an diesem Glatteis-Freitag den Winterdienst für die Stadt übernimmt. Die neuen Trecker anderer, gehörten doch meist den Banken. Die derzeit heiß diskutierte Diesel-Rückvergütung nutze er aber gar nicht. „Ich würde 1800 Liter bewilligt bekommen, das geht ja nach Größe“, sagt er. Der Aufwand dafür lohne sich für ihn aber nicht.
Mehr als 1,1 Millionen für Hattingen
Aus dem EU-Agrarfonds gingen zwischen Oktober 2021 und 2022, das sind die neuesten Daten, die die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung auf ihrer Seite ausweist, mehr als 1,1 Millionen Euro nach Hattingen.
Dabei erreichten die Beträge nicht allein Landwirte. Aufgeführt werden als Empfänger auch der Bürgermeister als Vertreter der Stadt Hattingen (knapp 124.000 Euro) und die Stiftung Trias (152.000) Euro.
Auch Alfred Schulte-Stade sagt, er nehme „an der Dieselsubvention und Steuererleichterungen nicht teil“. Seit 1983 ist er Landwirt, hält derzeit 150 Rinder. „Ich bin kein Freund von Subventionen“, betont Schulte-Stade. Aus dem EU-Agrarfonds hat er laut der Internetseite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung dennoch mehr als 60.000 Euro erhalten.
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Dazu erklärt er, er nutze das Geld vor allem, um die Flächen im Ruhrbogen nach den Extrem-Hochwassern der vergangenen Jahre mit viel Aufwand zu reinigen und wieder nutzbar zu machen. „2021 wurden da ja halbe Ferienhäuser angespült“, berichtet er. Geld bekommt er außerdem dafür, dass er ohne Gülle und Kunstdünger wirtschaftet. Die Prämie der EU liefert einen Ausgleich für Ernteeinbußen, die durch eine umweltfreundliche Landwirtschaft entstehen.
Er selbst sei von vielen Problemen der Bauern aber nicht so sehr betroffen. Er baut das Futter für seine Rinder an, hat ein eigenes Schlachthaus und vermarktet das Fleisch auch selbst. Damit sei er nicht abhängig davon, welche Preise große Abnehmer für seine Produkte zahlten, erklärt er.
Den Protest der Landwirte kann er dennoch verstehen. Was die Landwirtschaft brauche, sei Zuverlässigkeit, dass Investitionen sich lohnen und nicht Unsicherheit durch immer neue und wechselnde Auflagen. „Früher konnte man von 50 Hektar leben. Das geht jetzt gar nicht mehr und das ist doch traurig“, betont er. Landwirte würden dazu getrieben, immer mehr Ertrag pro Hektar schaffen zu müssen.
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Gegen das Immer-Mehr hat sich auch Paula Haugrund entschieden, die den Biohof ihres Vaters vor einigen Jahren übernommen hat. Sie wird mit einer hohen Fördersumme aufgeführt. „Aber das Jahr stimmt gar nicht“, wundert sie sich. Schon 2020 habe sie den Hühnerstall umgebaut - für mehr Tierwohl, mehr Auslauf und Freiflächen. Dafür hatte sie mehr als 80.000 Euro Förderung bekommen. „Die machen aber nur 20 Prozent der eigentlichen Kosten aus. Den Rest muss ich über Jahre abbezahlen“, sagt die 28-Jährige.
Investitionen in den Hof und die Zukunft bergen für sie somit ein extrem hohes Risiko, berichtet die junge Landwirtin. Ausgleichszahlungen erhielt sie auch für den Tierschutz - die Haltung auf Stroh -, Ernteausfälle durch ökologische Bewirtschaftung ohne „Spritzen“ und für den Unterhalt und die Pflege von Flächen, die mit dem Trecker kaum befahrbar sind. Ökologischer Landbau, der auch Insekten zugutekommt, ist für Paula Haugrund auch ein Dienst für das allgemeine Wohl aller.
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Sie sagt, Landwirtschaft wäre auch ohne Förderungen möglich - dafür brauche es aber ein Umdenken, vor allem bei Verbrauchern. Denn: „Die Gelder sind dafür da, die Preise für die Produkte niedrig zu halten“. Würden Milch, Eier, Fleisch, Getreide und Co. also teurer, könnte sich Landwirte auch ohne Subventionen tragen. Paula Haugrund ist es wichtig zu erklären, dass das Geld nicht für sie privat sei. Außerdem, so betont sie, werde in der Diskussion oft vergessen, dass auch andere Selbstständige Fördergelder bekommen - und selbst Angestellte Erleichterungen, zum Beispiel über die Pendlerpauschale, erhalten.