Hattingen. Ise ist neben dem Hof Stens groß geworden und ihre Geschichte ist irre – jetzt kehrt Künstlerin Marie-Luise Dederichs in ihre Heimat zurück.
„Ich habe viel Humor“, sagt Marie-Luise Dederichs. Und so malt die 67-Jährige Sammeltassen aus Porzellan nach. Und Insekten dazu. Zu tun hat diese Kunst aber auch mit einer außergewöhnlichen Lebensgeschichte der Hattingerin.
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Marie-Luise Dederichs, die sich selbst lieber „Ise“ nennt, hat ihre Kindheit in Winz-Baak verbracht - direkt neben dem Hof Stens. „Wunderbar war es da“, sagt Ise. Sie sei damals viel in der Natur gewesen. „Und ich habe dort immer wieder auch Kleinstlebewesen beobachtet: Schmetterlinge, Schnecken, Weberknechte, Kellerasseln - alles Kunstwerke der Natur“, sagt Ise. „Ich hatte einfach schon immer ein Faible für Kleingetier.“
Hattingerin hat als Kind mit Porzellan-Sammeltassen der Mutter gespielt
Eine andere Leidenschaft der Hattingerin in jungen Jahren war es, „mit den schönen Porzellan-Sammeltassen meiner Mutter zu spielen. Dabei habe ich jedes Mal davon geträumt, eine Prinzessin zu sein“.
Zu Ises Bedauern gibt es die Sammeltassen ihrer Kindheit heute indes nicht mehr. Denn als sie 16 ist, muss sie den kompletten Haushalt ihrer Familie namens Kliefken - „der wohl vom Rittergut Haus Cliff abstammt, wie ich einst im Heimatkunde-Unterricht erfahren habe“ - auflösen. Als Vollwaisin zieht sie mit nur wenigen Sachen zu einer Cousine.
„Das war wirklich schlimm für mich“, sagt Ise heute, „dass ich nach dem Tod meiner plötzlich an einem Herzinfarkt verstorbenen Mutter und kurz darauf dann auch noch dem Tod meines Vaters infolge eines Schlaganfalls alles wegschmeißen musste. Und dass ich nicht eine einzige Sammeltasse behalten konnte.“
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Jahrzehntelang rückt die Erinnerung an die Porzellan-Tassen mit den besonderen Dekoren, die ihre Mutter zu besonderen Anlässen geschenkt bekommen hat, dann in den Hintergrund. Ise zieht erneut um, diesmal nach Köln. Sie heiratet, bekommt zwei Kinder. Dann, mit 39 Jahren, wird sie Witwe. Und findet einen Job als Kulturmanagerin, als solche organisiert sie unter anderem Kabarett-Veranstaltungen mit namhaften Künstlern. Dieter Hildebrandt, Jochen Malmsheimer, Thorsten Sträter.
„Ich glaube, meine Eltern haben mir ein gewisses künstlerisches Talent vererbt. “
In ihrer Freizeit reaktiviert sie eine weitere Leidenschaft aus Kindertagen: das Malen. „Ich glaube, meine Eltern haben mir ein gewisses künstlerisches Talent vererbt. Mein Vater konnte nämlich sehr gut zeichnen. Und meine Mutter war Dekorateurin und hat für die Gestaltung des Schaufensters des Kaufhauses Meyer auf der Heggerstraße, Hattingens erstem Kaufhaus mit einer Rolltreppe, sogar mal einen Preis gewonnen.“
Die Ausstellung
Unter dem Motto „Kunst am Fluss“ stellt Ise Dederichs ihre Tassen-Gemälde ab dem 24. November in der Birschel-Mühle, Schleusenstraße 8, aus. Die Vernissage am 24. November ist von 11 bis 13 Uhr. Die Ausstellung läuft bis zum 16. Februar 2025. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite der Birschel-Mühle: www.birschel-muehle.de
Neben Ise Dederichs zeigt in dieser Ausstellung auch Künstlerfreundin Ursula Zacher ihre Arbeiten: Ölgemälde von intensiver Farbigkeit. Die Motive für ihre Kunstwerke findet Ursula Zacher dabei meist zufällig in Cafés, Kneipen und in der Natur.
Der Ausstellungsbesuch ist kostenlos, Besuchsmöglichkeiten außerhalb von Vernissage und Finissage sind aber vorher telefonisch oder per E-Mail abzuklären.. Kontakt: 02324-9100871, E-Mail: info@birschel-muehle.de
Erinnerung an die Sammeltassen ihrer Kindheit
Farbgewaltig und expressiv sind Ises Bilder zunächst - bis die Erinnerung an die Sammeltassen ihrer Kindheit vor einigen Jahren wiedererwacht: Damals besucht Ise in ihrer Heimatstadt einen Kurs zum Thema „Altmeisterliche Techniken“ - hat aber ein Portraitfoto, das man zu diesem mitbringen und nachmalen sollte, vergessen.
Aus der Erinnerung an ihre Kindheit malt sie daher ihre erste Sammeltasse. Eine Schulfreundin, der sie die Arbeit zeigt, ist angetan. Und sagt sodann im Scherz: „Mal doch noch eine Fliege aufs Bild. „Ich fand die Idee von diesem Störfaktor damals richtig toll. Und das tue ich bis heute.“
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Inzwischen hat Ise Dederichs zig Porzellan-Sammeltassen porträtiert - realistisch, detailgetreu. Und jedes einzelne Tassen-Gemälde - 30 x 30 Zentimeter groß - kombiniert mit einem Insekt: Ameise, Heuschrecke, Kakerlake. „Die letzten ihrer Art…?“ hat sie ihre Tassen-Bild-Serie dabei überschrieben, eine Freundin, die vor einiger Zeit nach Kanada ausgewandert ist, hatte Ise als „Modelle“ für diese Gemälde einige Sammeltassen vererbt.
In vielen verschiedenen Ausstellungen hat Ise ihre Arbeiten mit der sehr persönlichen Lebensgeschichte dabei bereits gezeigt, einen Teil auch schon einmal 2022 bei der Revierkunst in der Henrichshütte. Nun aber stellt sie an einem für sie ganz besonderen Ort aus: in der Birschel-Mühle. „Dort“, sagt sie, „hat mein Opa mal gearbeitet. Und dort, in der Ruhr, habe ich selbst das Schwimmen erlernt.“ Kunst-Lebens-Bezüge außergewöhnlicher Art.