Gladbeck. Die Einführung der ePA steht bevor. Ein Arzt und eine Apothekerin aus Gladbeck sehen Probleme. Das ist für Patienten wichtig zu wissen.
Die vierwöchige Pilot-Phase für die Elektronische Patientenakte – kurz ePA – soll am 15. Januar starten. Was spricht für die Nutzung dieses neuen Instruments? Was dagegen? Ein Arzt und eine Apothekerin in Gladbeck sehen Vor- und Nachteile.
Ob die Menschen in Gladbeck das Thema überhaupt auf dem Schirm haben, darf bezweifelt werden. Nagel stellt fest: „Die Patienten zeigen wenig bis gar kein Interesse.“ Dabei könnte die ePA, an der seit 20 Jahren getüftelt wird, vieles erleichtern, beschleunigen und manche Abläufe effizienter machen. Denn (gebündelte) Informationen zu Diagnosen, Befunden, Medikation und Therapie ermöglichen es, dass in Praxen und Krankenhäusern die Fachleute einen Überblick haben und zum Beispiel Untersuchungen nicht doppelt und dreifach durchgeführt werden müssen.
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook! +++
Nagel sagt: „Im Prinzip bin ich ein Freund von gut gemachter Technik.“ Mit Betonung auf „gut gemacht“. Der Experte findet die Idee „ePA“ lobenswert. „Beispielsweise Verordnungen, die wir tätigen, automatisch zugänglich“ zu machen, das könnte in puncto Effizienz ein Plus sein. „Es wäre zum Beispiel hilfreich zu gucken, welches Antibiotikum ein HNO-Arzt einsetzt.“ Sämtliche Befunde, die Krankengeschichte und so weiter in einem Paket abrufbar? „So wird es nicht sein“, ist der Gladbecker Hausarzt überzeugt.
Die Tücke steckt nach seiner aktuellen Einschätzung im Kleingedruckten. Der Gladbecker Hausarzt meint: „Die Testzeit ist zu knapp, um Erfahrungen zu sammeln und die ePA für alle auszurollen. Der Chaos Computer Club hat schon darauf hingewiesen, dass die elektronische Patientenakte bedenklich sei, sollte sie leicht zu hacken sein.“
Patienten haben die Hoheit über ihre Daten
Ein weiterer Knackpunkt aus Sicht des Mediziners: „Die Daten sollen Forschenden zugänglich sein. Wer ist das? Pharmafirmen?“ Und wer bekomme das Geld, falls sich aus den Informationen ein Geschäft machen lasse? Altbefunde „können auf Wunsch bei der Krankenkasse eingescannt werden, aber wohl nur in begrenzter Anzahl“, so Nagels jetziger Kenntnisstand. Das ziehe allerdings einen großen Aufwand nach sich. „Wer hat die Zeit dafür?“ Oder für die Arbeit, Rechnungen einzuscannen?
Einmal davon abgesehen, dass die notwendige Technik vorhanden sein und funktionieren sowie das Personal vor Ort geschult werden müsse. Entlassungsberichte werden in Krankenhäusern geschrieben. Dr. Gregor Nagel erzählt: „Ich kenne keines in der Umgebung, das technisch in der Lage ist, sie in der ePA einzupflegen.“
„Die Daten sollen Forschungen zugänglich sein. Wer ist das?“
Der Arzt bekräftigt: „Der Patient hat die Hoheit über seine Daten.“ Die medizinischen Einträge könnten für Laien jedoch zu Missverständnissen führen. „Mein Team kennt die Verschlüsselung für die Diagnosen“, so Nagel. Aber Patienten hätten unter Umständen Verständnisprobleme, die Irritationen und Ängste auslösen können.
Informationen können gesperrt werden
Da die Versicherten festlegen, welche Informationen überhaupt einsehbar sein sollen, besteht die Möglichkeit, Angaben zu sperren. Ein denkbarer Fall: Diagnosen zu Geschlechtskrankheiten? Die möchte man vielleicht und verständlicherweise blockieren. Krankschreibungen – wen gehen sie überhaupt etwas an?
Das Problem: Die Sperrfunktion ist im Detail, so der derzeitige Stand, nicht differenzierbar. Heißt, es lässt sich unter anderem nicht unterscheiden, welcher Arzt Zugang zu Informationen bekommt und welcher nicht. Nagel: „Es entsteht ein lückenhaftes Bild. Und wie glaubhaft ist das dann?“
„Ich befürchte, dass die Patienten vieles blockieren werden. Dabei ist die Grundidee keine schlechte. Die ePA würde die Vernetzung erleichtern“
Der gute Wille sei bei der ePA da, „aber es gibt potenzielle Störenfriede“. Dorothee Pradel, Sprecherin für die Apothekerschaft in Gladbeck, meint: „Lasst uns die elektronische Patientenakte erst einmal positiv sehen. Denn wie es jetzt ist, ist es schlecht.“ Es sei kompliziert, an Daten zu kommen. Dies sei unter anderem notwendig, um die Verträglichkeit verschiedener Medikamente miteinander zu klären. „Wir rufen dann in der Praxis an, oder Patienten bringen ihre Unterlagen mit, die jedoch nicht vollständig sind“, berichtet Pradel.
Es gibt noch viele Fragezeichen
Ein anderer Fall: Das Apotheken-Personal kann per ePA sehen, wo welche Arznei gekauft wurde, und sich einen Überblick verschaffen. So sind Wechselwirkungen überprüfbar.
Die Apothekerin schränkt ein: „So richtig wissen wir hier alle nicht, wie es laufen soll.“ Was mit Löschen und eingeschränkter Einsicht ist: große Fragezeichen. Es sei ebenfalls nicht absehbar, wie viele Menschen nach der Probezeit tatsächlich die ePA in welchem Umfang nutzen werden.
Arztbriefe, Labor-Befunde, Röntgenbilder, Verordnungs- und Abgabedaten, eine Medikationsliste, Daten zu Organ- und Gewebespenden, um nur einige potenzielle Informationen zu nennen: Das ist eine Vielzahl sehr persönlicher, sensibler Angaben. Pradel hegt hinsichtlich der Akzeptanz in der Bevölkerung Bedenken: „Ich befürchte, dass die Patienten vieles blockieren werden. Dabei ist die Grundidee keine schlechte. Die ePA würde die Vernetzung erleichtern.“ Erst die Pilot-Phase werde Probleme ans Licht bringen. Dorothee Pradel: „Ich sehe die Tatsache, dass wir die Zeit nicht zurückdrehen können, also müssen wir die ePA positiv betrachten.“
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.