Gladbeck. Das Werk der Ineos Phenol wird geprüft. Der Aufwand ist gigantisch. Besuch einer Anlage, die stillsteht und auf der doch emsig gearbeitet wird.
Stillstand bei Ineos Phenol in Gladbeck. Tatsächlich wird hier im Moment nichts produziert. Denn seit Anfang des Monats läuft die große Revision des Werks. Das heißt, die Produktion wird heruntergefahren und das Werk wird gründlich überprüft. Es stehen Reinigungs- und Ausbesserungsarbeiten an und am Ende die TÜV-Abnahme zur Verlängerung der Betriebserlaubnis. Was auffällt: Im Gegensatz zum Normalbetrieb kann man daher stellenweise riechen, dass hier mit Chemikalien gearbeitet wird. Zumindest auf dem Werksgelände der Ineos Phenol in Gladbeck-Zweckel liegt ein entsprechender, zugegeben leichter, Geruch in der Luft.
Diesen vermeintlichen Widerspruch zwischen Stillstand in der Produktion und Geruch in der Luft klärt Geschäftsführer Benie Marotz auf. Für die Revision werde vieles geöffnet, Tanks und Rohrleitungen dekontaminiert und gespült und da kann es auch zu Geruchsentwicklungen kommen. Im Produktionsalltag ist die Anlage geschlossen, im Regelbetrieb kann nichts austreten und es riecht daher auch nicht.
Planung für eine Revision beginnt schon ein Jahr im voraus
Doch alle drei Jahre wird die Anlage auf Herz und Nieren geprüft. Damit einher geht ein immenser organisatorischer Aufwand. „Die Planung beginnt in der Regel zwölf Monate vorher“, erläutert Marotz. Schließlich gehe es unter anderem darum, sich rechtzeitig entsprechende Kapazitäten bei den Dienstleistern zu sichern. Es werden Kräne gebraucht, Gerüste und Spezialfirmen, die auf diese Arbeiten in einer solchen Anlage vorbereitet sind.
Daneben braucht es auch das erforderliche Material, schließlich werden im Laufe einer solchen Revision auch immer wieder Teile ausgetauscht. Und die Lieferzeiten hätten sich zuletzt verdoppelt, teilweise gar verdreifacht. „Vor einem Jahr haben wir Kugelkräne bestellt, die werden jetzt hoffentlich in dieser Woche kommen“, gibt Marotz ein Beispiel.
Gleichzeitig muss so ein Produktionsstillstand auch gegenüber den Kunden kommuniziert werden, schließlich sind die ihrerseits von den Produkten aus Gladbeck abhängig. Aus dem Grund habe man auch im Vorfeld die Produktion hochgefahren. Alle Tanks sind voll und auch während der Revision werden die Stoffe, die in Zweckel produziert werden – hauptsächlich Phenol und Acethon – in Lkw oder Waggons verladen und auf die Reise zum Kunden geschickt.
Rund 280 Menschen arbeiten für Ineos Phenol in Gladbeck
Rund 280 Menschen arbeiten für Ineos Phenol in Gladbeck. Während einer solchen Revision sind darüber hinaus zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Fremdfirmen auf dem Gelände unterwegs. Das fällt beim Gang über das Areal auch sofort auf. Beim Vor-Ort-Termin der Lokalredaktion stehen allein neun schwere Autokräne auf dem Gelände. An einem der Ausleger hängt ein Korb, darin Arbeiter, die augenscheinlich an einer der Kolonnen arbeiten. Kolonnen, das sind die hohen Edelstahltürme, in denen findet die Destillation statt, um Stoffe aufzutrennen.
Wichtig bei all den Arbeiten sei die Sicherheit, betonen Benie Marotz und Werner Wahlers von Management. Deshalb sei genau geregelt, wo Teile abgelegt werden dürfen, wo gerade gearbeitet wird und welche Wege freibleiben müssen, damit im Notfall die Werkfeuerwehr durchkommt. Auch die ist in die aufwändigen Planungen der Revision eingebunden. „Es gibt jeden Morgen eine Besprechung, in der wird beredet, was ansteht und da ist auch die Werkfeuerwehr dabei.“
Vor einem Teil der Anlage liegt eine Vielzahl von Rohrverbindungen. Die glänzenden Edelstahlrohre werden im Verlauf der Revision eingebaut und ersetzen andere Rohre, deren Lebenszyklus sich dem Ende nähert. Was auffällt: Sie sind alle vormontiert. „Vor Ort ist es am Ende nur noch Schraubarbeit“, fasst Benie Marotz den Vorteil zusammen. Das spart beim Einbau wertvolle Zeit und hält den Stillstand der Anlage so kurz wie möglich. Gleichzeitig sind aber präzise Vorarbeiten nötig, damit die Stücke tatsächlich genau in die Anlage passen. Spezialisten messen es Monate vorher präzise auf den Millimeter aus und fertigen die Teile entsprechend an.
„Wir machen den Standort damit zukunftsfest.“
An anderer Stelle liegen vor einem der Kühltürme gigantische Propeller der Ventilatoren, die im Betrieb die Luft ansaugen, die das durchströmende Kühlwasser wieder herunterkühlt. Die Ausmaße: Riesig, allein mit einem Rotorblatt dieses Propellers könnte man wahrscheinlich auch ein Kreuzfahrtschiff vor Anker legen, zumindest was die Größe angeht.
Revision kostet eine hohe einstellige Millionensumme
Parallel dazu sind einige Wärmetauscher innerhalb der Anlage geöffnet. Dort ertönt das Surren und Rauschen gigantischer Hochdruckreiniger. Mit extra langen Lanzen werden die einzelnen Rohre innerhalb der Wärmetauscher durchgespült. Im Betrieb setzen sich dort Ablagerungen fest, das geht zulasten der Effizienz des Wärmetauschers. Die Revision, die gründliche Reinigung dient letztlich also auch dazu, den Energieverbrauch des Werks zu optimieren. Das Wasser, was bei der Reinigung anfällt, wird, wie auch das Wasser aus dem Produktionsprozess, gesammelt und aufbereitet, dann Richtung Klärwerk abgeführt.
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Für die Herstellung von Phenol wird als Grundstoff Cumol benötigt. Das produziert Ineos selbst, betreibt dazu eine entsprechende Anlage im Chemiepark Marl. Über eine Pipeline kommt der Stoff ins Werk nach Gladbeck. Während hier die Produktion stillsteht, habe man auch die Anlage in Marl abgestellt und überhole sie, so die Verantwortlichen. Ende nächster Woche sollen die Arbeiten abgeschlossen sein, die Produktion wieder anlaufen.
Der beträchtliche Aufwand macht sich auch finanziell bemerkbar. Was genau eine solche Revision kostet, da will sich Marotz nicht zu tief in die Karten blicken lassen. Doch es gelte eben die strengen Auflagen innerhalb der EU zu erfüllen, dazu komme die Lage des Gladbecker Werks mitten im Wohngebiet – am Ende sei es eine hohe einstellige Millionensumme, die Ineos in den Standort investiere. Doch das sei gut angelegtes Geld, denn: „Wir machen den Standort damit zukunftsfest.“
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