Gladbeck. In den Gladbecker Gärten läuft die Erntezeit. Nach und nach werden die Früchte reif. Viel Arbeit für die Gärtner, aber es lohnt. Auch finanziell?

Die Erdbeerernte ist eingefahren, die Himbeeren sind reif und dürfen gepflückt werden, die Tomaten und Zucchini brauchen noch ihre Zeit. In den Kleingärten herrscht im Juli Hochsaison – und in diesem Jahr auch großer Verdruss, weil es viele Pflänzchen gar nicht bis zur Blüte geschafft haben und den Erntekorb nicht füllen werden. Armadas von Nacktschnecken sind über die Gärten hergefallen und haben so manches Beet ratzekahl leer und so manches Blatt löchrig gefressen. Ein Besuch in der Kleingartenanlage „Im Linnerott“ bei Helga Hösch, die nach Meinung der Vereinsvorsitzenden Heike März den schönsten Garten hat.

Anbau und Ernte im Kleingarten Im Linnerott in Gladbeck
Sieglinde Petasch begutachtet ihre Tomatenpflanzen. Noch sind sie nicht reif, doch sie freut sich schon auf die Ernte, denn: „Meine Tomaten, die schmecken nach Sonne.“ © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die Spanische Nacktschnecke fühlt sich auch auf der Parzelle, die Helga Hösch zusammen mit ihrem Mann Arwed beackert, wohl. Die ersten Schädlinge begrüßen den Besucher schon am Gartentor. Und dabei hat die 87 Jahre alte Gladbeckerin bereits am frühen Morgen die Schnecken aufgesammelt und in einem Eimerchen mit Spülwasser versenkt. Der Methoden, den Tieren den Garaus zu machen, gibt es viele: Die einen greifen zur Schere und teilen die Tiere in der Mitte durch, andere streuen Salz auf die Schnecken, stolze Besitzer von Hochbeeten versuchen mit Kupferbändern die Pflanzen zu schützen – oftmals vergeblich.

Drei Tiefkühlschränke, um die Ernte aus dem Garten aufzunehmen

Der Tisch für die Schädlinge ist bei Helga Hösch in diesem Jahr gar nicht so reichhaltig gedeckt. Auf den Gemüseanbau verzichtet die Seniorin. Zum Ende des Jahres wird das Ehepaar den Garten, den es 37 Jahre lang liebevoll gepflegt hat, aufgeben – aus gesundheitlichen Gründen. „Ich mag gar nicht daran denken“, sagt Helga Hösch, die nach wie vor nahezu jeden Tag zur Anlage hinauskommt, Unkraut zupft, verblühte Rosen zurückschneidet, fegt, Fische füttert, gießt oder hackt, Schnecken aufsammelt, Rasen mäht, und, und, und.

Anbau und Ernte im Kleingarten Im Linnerott in Gladbeck
Die Gurken können geerntet werden. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Unmengen an Gemüse und Obst hat sie im Laufe der Jahre in ihrem Garten geerntet – Bohnen, Kohlrabi, Möhren, Kürbisse, Kohl, Mirabellen, Stachel- und Johannisbeeren, Pflaumen, Äpfel oder Wein. Sie habe sich einst, erzählt die passionierte Gärtnerin, extra drei Tiefkühlschränke angeschafft, um all das einfrieren zu können. Sie hat eingemacht und Apfelmus gekocht, sie hat Marmeladengläser gefüllt und Gurken eingelegt. Vieles habe sie auch an Verwandte und Freunde verschenkt. Die Geschenke seien immer willkommen gewesen.

„„Meine Tomaten, die schmecken nach Sonne.““

Sieglinde Petasch
stellv. Vorsitzende KGV Im Linnerott

Rechnet sich denn das Gärtnern? „Darüber habe ich nie nachgedacht“, sagt Helga Hösch. Der Kleingarten im Linnerott, das sei das große Hobby ihres Mannes und von ihr gewesen, erzählt sie. Daheim hatten sie noch nicht einmal einen Balkon, sodass die Familie vom Frühjahr bis zum Herbst viele Stunden im Kleingarten verbracht hat. Ihre Pflanzen hat sie wie viele andere Kleingärtner auch selbst aus Samen gezogen. Heike März greift lieber auf vorgezogene Ware aus dem Fachhandel zurück, weil’s mit der eigenen Anzucht nicht so gut geklappt hat. Dafür gedeihen in ihrem Garten Wasser- und Honigmelonen.

Gladbecker Kleingärtner pflanzen auch alte Sorten an

Trotzdem: Um beim Einkauf nicht so tief in die Tasche greifen zu müssen, deswegen würden sich wohl die wenigsten Kleingärtner die Mühen mit einer eigenen Parzelle auf sich nehmen, sagt die Vereinsvorsitzende. Und sie kann sich auch nicht vorstellen, dass die Rechnung aufgeht, fallen doch allein an Pacht je nach Größe des Gartens bis zu 500 Euro jährlich an.

Ihre Stellvertreterin Sieglinde Petasch pflichtet ihr bei. Der Preis dürfte kaum ein Argument für einen Kleingarten sein, wohl aber der Geschmack von Obst und Gemüse. „Meine Tomaten, die schmecken nach Sonne“, sagt sie. Heike März schwärmt von ihren Kartoffeln, einer alten Sorte, von denen sie so viele erntet, dass sie den ganzen Winter über reichen. Das preisliche Argument sollte man aber auch nicht unter den Tisch fallen lassen, sagt Heidrun Kerkhoff, Vorsitzende des Bezirksverbandes der Gladbecker Kleingärtner. Wer Obststräucher und -bäume in seinem Garten habe, der könne nahezu kostenlos Früchte ernten, die im Lebensmittelhandel viel Geld kosten würden.

Anbau und Ernte im Kleingarten Im Linnerott in Gladbeck
Heike März Vors. KGV Im Linnerott), Helga Hösch und Seieglinde Petasch (stellv. Vors., v.l.) berichten von der Erntezeit im Kleingarten. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Was man sich mit dem eigenen Garten auf jeden Fall spart: das Fitnessstudio. „Ein Garten hält fit“, ist Helga Hösch überzeugt. Das könne man den Schrebergärtnern zwar nicht ansehen, wenn sie „krumm und schief“ am Abend nach Hause gehen würden, aber die Bewegung im Garten tue gut. Die 87-Jährige ist der beste Beweis dafür.

Wartelisten für die zehn Gladbecker Kleingartenanlagen

Für die Gärten in den zehn Gladbecker Anlagen gibt’s eine Warteliste. In der Corona-Pandemie war auch das Interesse an Kleingärten gestiegen. Mit rund 600 Gärten – die 1932 ins Leben gerufene Anlage „Im Linnerott“ zählt 93 Gärten – sei Gladbeck ganz gut versorgt, sagt Heidrun Kerkhoff, aber es dürften auch ruhig ein paar mehr sein. Die Bewerbungen sind direkt an die Vorstände der einzelnen Vereine zu richten, die auch die Auswahl der künftigen Laubenpieper treffen.

Wer nur Wert auf eine Rasenfläche zur Erholung oder zum Spielen für die Kinder legt, der ist in den Schrebergartenanlagen allerdings nicht an der richtigen Stelle. Laut Bundeskleingartengesetz müssen – auch sehr zur Freude der Schnecken – in jedem Garten auf einem Drittel der Fläche Obst und Gemüse angebaut werden. „Wir gehen zwar nicht mit dem Zollstock durch die Anlage“, sagt Heike März, aber ein Auge werfen die Vorstände schon auf die Nutzung der Gärten. Und sie achten darauf, dass sich jeder an den Gemeinschaftsstunden beteiligt, mit der die Anlage in Schuss gehalten wird. Wer am Ende auf Minusstunden kommt, muss tief in die Tasche greifen.

Tipp: Obst und Gemüse, das vor dem Gartentor liegt, darf mitgenommen werden

Zurück in den Garten von Helga und Arwed Hösch, wo es so viel zu entdecken gibt. Das Spalierobst zum Beispiel, das als Hecke zum Nachbargarten dient, der mit einem Netz gegen die Fischreiher geschützte Goldfischteich oder die Schalke-04-Ecke, wo die Blumen in Blau und Weiß blühen und S04-Devotionalien die Fläche schmücken. Von der Hütte ganz zu schweigen, in der man unterm Dach sogar übernachten kann. „Wie ein Schwarzwaldhäuschen“, schwärmt Sieglinde Petasch. Die Schlafkammer kann nur über eine Leiter erreicht werden.

Schnecken sind übrigens nicht das einzige Getier, das den Hobbygärtnern Kopfzerbrechen bereitet. Heike März hatte vor Jahren mit Wühlmäusen zu kämpfen, die vor ihren Augen die Möhren ins Erdreich gezogen haben. Erst als sie die Pflanzen ist Speisbottiche setzte, gaben die Mäuse klein bei. Kartoffelkäfer, Läuse, Apfelwickler – der ungebetenen Gäste gibt es viele. Aber sie alle vermögen es nicht, den Schrebergärtnern die Freude an ihrem Hobby zu nehmen.

Kleiner Tipp für alle Spaziergänger in den Anlagen: Es sei ungeschriebenes Gesetz, sagt Heike März, dass als das, was die Schrebergärtner vor ihr Gartentor legen, zum Mitnehmen gedacht ist. Liebe Schnecken: Das gilt nicht für euch.

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