Gladbeck. Die Durchfallquoten bei den Prüfungen für den Führerschein steigen seit Jahren. Das hat laut Gladbecker Fahrlehrer mehrere Gründe.
Immer mehr junge Menschen fallen durch die Führerscheinprüfung. Nach Angaben des TÜV steigt die Durchfallquote seit Jahren. Der TÜV-Verband hatte zuletzt unter Berufung auf Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes berichtet, dass im Jahr 2021 rund 37 Prozent der Theorie-Prüfungen nicht bestanden worden seien. Bei der praktischen Prüfung für die Pkw-Führerscheinklasse B habe die Durchfallquote bei 43 Prozent gelegen. Woran liegt’s? Die WAZ Gladbeck hat bei denjenigen nachgefragt, die es wissen müssen: bei Fahrlehrern.
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Karl-Heinz Demski meint: „Eine Durchfallquote zu schätzen, ist schwierig. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass in einer Gruppe 100 Prozent bestehen.“ Der Gladbecker Fahrlehrer sieht gleich ein ganzes Paket von Stolpersteinen, die Prüflinge ausbremsen. Da ist einmal die praktische Seite. „Die Fahrprüfungen dauern heutzutage länger als früher, 55 statt 35 bis 45 Minuten. Und die meisten Fehler passieren in der Endphase“, stellt Demski fest. Irgendwann lassen oft die Konzentration und die Aufmerksamkeit nach. Hinzu komme erschwerend die immer größere Verkehrsdichte.
Gladbecker Fahrlehrer beobachten: Theorie und Praxis sind gleichermaßen ein schwer überwindbarer Brocken
Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands: „Die Zahl der Fahrzeuge steigt unablässig, und der Straßenverkehr wird komplexer.“ Und Kurt Bartels, Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Nordrhein, ergänzt, die Menge an Regelungen sei in den vergangenen 20 Jahren stark gestiegen. Ein Grund, dass auch die Theorie ein – für manche Prüflinge unüberwindbarer – Brocken auf dem Weg zum Führerschein darstellt?
Im Unterricht müsse er immer wieder mahnen, doch das Handy abzuschalten. Wegen der Ablenkung. Nicht bei der Sache – sprich: im Straßenverkehr – zu sein, kann später am Lenkrad fatale Folgen haben, sollte es irgendwann ‘mal mit dem „Lappen“ funktioniert haben. Fragebögen sind passé, moderne Medien kommen zum Einsatz. Demski: „Die Fahrschüler lernen digital.“ Außerdem schauen sie Filme, in denen die Aufgabenstellungen mit genauem Blick und „scharfem Verstand“ lösbar seien. Aber: „Manche Fahrschüler werden nervös, wenn sie nicht gleich weiterwissen.“
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Ein Gesichtspunkt, der manchen jungen Menschen einen Strich durch die Planung macht. „Wir waren früher robuster und widerstandsfähiger. Viele Prüflinge heute sind sehr sensibel“, berichtet Demski mit 48 Jahren Berufserfahrung. Diese Empfindlichkeit ziehe eine Kritikunfähigkeit nach sich. Tipps und Verbesserungen verpuffen, die Schützlinge fühlten sich angegriffen. „Ich höre viele Ausreden, dabei lernen junge Menschen doch aus Korrekturen.“ Wenigstens sollte es so sein.
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Doch richtig aufs Gas drückt offenbar so mancher, der sich in einer Fahrschule anmeldet, offenbar nicht. Demski erzählt: „Die Motivation, einen Führerschein zu machen, hat nachgelassen.“ Manche seiner Schützlinge müsse er sogar anrufen und an den Unterricht erinnern: „Ausreden haben sie immer genug.“
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Harry Yol von der gleichnamigen Fahrschule stimmt seinem Kollegen zu: Der Antrieb lasse bisweilen zu wünschen übrig. „Die Generation Z interessiert sich nicht fürs Autofahren im Allgemeinen, sondern eher für Medien.“ Er vermisst manchmal einfach den Ehrgeiz, den Führerschein zu erlangen. Yol schätzt, dass in der Theorie von zehn Prüflingen sechs, sieben durchfallen – „in der Praxis sieht’s nicht besser aus“. Das liege am gestiegenen Verkehrsaufkommen. Aber nicht nur.
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Wie Demski sagt auch Yol, dass es zum Ende der Prüfung oft eng werde: „Wenn wir überhaupt die Endphase erreichen.“ Fast eine Stunde unter Argusaugen der Profis unterwegs, das halten nicht alle Aspiranten durch. „Die Prüfer sagen selber, dass junge Leute nicht mehr so belastbar sind wie früher“, berichtet Yol.
Smartphone statt Autoverkehr
In den ersten drei Quartalen des Jahres 2022 ist die Zahl der durchgeführten praktischen Fahrprüfungen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf 1,33 Millionen gestiegen. Das haben Daten der Prüforganisationen TÜV und DEKRA ergeben. „Die Zahl der Fahrprüfungen nähert sich nach einem Rückgang während der Corona-Pandemie wieder dem Niveau des Rekordjahres 2019 an“, so Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands.
Kurt Bartels, Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Nordrhein, erkennt eine geringere Verkehrswahrnehmung junger Menschen als früher, die auch auf deren Handy-Nutzung zurückzuführen sei. Kinder, die mit ihren Eltern im Auto sitzen, schauen lieber aufs Smartphone als auf den Verkehr. Deshalb fehle dem Nachwuchs die „natürliche Affinität zum Verkehrsgeschehen wie früher“. Welche älteren Semester erinnern sich nicht an das Kennzeichen-Raten während einer längeren Fahrt?
Eine gewisse Unzuverlässigkeit erlebt auch dieser Fahrlehrer: „Es ist alles bezahlt. Aber keiner erscheint zum Unterricht.“
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Stefan Wulfekotte hat andere Erfahrungen: „Es fallen ungefähr gleich viele Prüflinge durch wie früher.“ Der Fahrlehrer erklärt hingegen: „Der Führerschein wird teurer. Wenn ein gewisses Budget ausgegeben ist, drängen junge Leute darauf, zur Prüfung antreten zu können.“ Und diese werde immer anspruchsvoller und umfangreicher. „Der Prüfer kann verlangen, dass der Fahrschüler den Tempomaten einschaltet.“ Es könne auch technisches Wissen, beispielsweise zu Brems- und Spurassistenten, Leuchten und Reifen, abgefragt werden. Fast 1200 Fragen in der theoretischen Prüfung – das sei schon anspruchsvoll.
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Was Wulfekotte allerdings ebenfalls beobachtet: „Immer weniger junge Menschen sind bereit, zu lernen. Es fehlt an der Motivation, sich dahinter zu klemmen.“