Gladbeck. Der Unfallatlas 2021 gibt straßengenau Informationen über Verkehrsunfälle in Gladbeck. Polizei-Experte erklärt Ursachen und Hintergründe.

Meldungen über Verkehrsunfälle in Gladbeck bringt die WAZ fast täglich. Mal hat es hier gescheppert, mal dort. Einen Blick aufs große Ganze ermöglicht der interaktive Unfallatlas 2021 der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Bis auf Straßenabschnitte genau lassen sich detailliert Informationen abrufen – über Schwerpunkte, beteiligte Personengruppen, Schäden. Polizeihauptkommissar Jörg Teichert, Leiter des Bereichs Verkehrsunfallprävention im Polizeipräsidium Recklinghausen, ordnet das Geschehen ein, erklärt Ursachen und Wege, Crashs zu vermeiden.

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Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als Statistisches Landesamt mitteilt, ist die Zahl der Unfälle mit Personenschaden in NRW im Jahr 2021 im Vergleich zu 2019 um 11,6 Prozent auf 54.339 gesunken. Im Vorjahr handelte es sich um 61.471 Fälle. Das Polizeipräsidium Recklinghausen hat 209 Verunglückte in Gladbeck im vergangenen Jahr 2021 aufgeführt. Das bedeutet eine Steigerung um sechs im Vergleich zu 2020. Zwei Unfallbeteiligte starben, seit 2018 (ein Opfer) waren bis dato keine Tote mehr stadtweit zu beklagen.

Polizei-Experte Jörg Teichert: „Die Leute verstehen einfach nicht, dass ein Handy im Straßenverkehr nichts zu suchen hat“

In der Polizeistatistik des Kreises Recklinghausen ging die Zahl der Schwerverletzten zuletzt im Jahresvergleich auf 34 zurück – minus vier. Es wurden jedoch mehr Unfallbeteiligte registriert, die leichte Verletzungen davontrugen: Ein Anstieg um acht Fälle auf 173.

Im Kreuzungsbereich Sandstraße und Konrad-Adenauer-Allee kommt es in Gladbeck häufiger zu Verkehrsunfällen.
Im Kreuzungsbereich Sandstraße und Konrad-Adenauer-Allee kommt es in Gladbeck häufiger zu Verkehrsunfällen. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Experte Teichert nennt für Gladbeck zwei Unfallhäufungsstellen. Eine ist die Konrad-Adenauer-Allee/Sandstraße/Mühlenstraße. „Die Ursache ist das Abbiegen unter Beteiligung von Fußgängern und Radfahrern.“ Ebenfalls sehr häufig kracht es auf der B224, in Höhe des Freibads in Richtung Norden: „Dort kommt es immer wieder zu Auffahrunfällen und Spurwechselfehlern.“

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Wer es noch genauer wissen will, welche Straßen in Gladbeck im vergangenen Jahr Unfallorte waren, schaut in den aktualisierten Unfallatlas, den Landesstatistiker unabhängig von der Polizei erstellen. Kleinteilig sind dort alle relevanten Informationen aufgeführt. Werfen wir zum Beispiel einen Blick auf die Innenstadt, sehen wir eine Liste von Autounfällen mit leicht und schwer verletzten Beteiligten, einmal war eine Person auf einem Drahtesel beteiligt. Wer die entsprechende Zeile anklickt, erfährt, dass sich der Unfall auf der Bottroper Straße ereignete – ebenso auch etwas weiter die Straße entlang ein weiterer mit einem Fußgänger. Auf der Wilhelmstraße und rund um den Goetheplatz sind gleichfalls Reihen von Unfallstellen markiert.

Polizeihauptkommissar Jörg Teichert stellt fest: Nach wie vor stellt überhöhte Geschwindigkeit eine Hauptursache für Verkehrsunfälle dar.
Polizeihauptkommissar Jörg Teichert stellt fest: Nach wie vor stellt überhöhte Geschwindigkeit eine Hauptursache für Verkehrsunfälle dar. © Polizeipräsidium Recklinghausen

Ein Wechsel zum Stadtteil Brauck zeigt eine Kette von roten Punkten auf der Horster Straße, wie auch auf Butendorfer Gebiet, und B224 – allesamt Unfallstellen. Die Stadtteile Zweckel und Rentfort wirken dagegen vergleichsweise unberührt, doch auch hier gab es Verletzte. Mehrere rote Punkte sind beispielsweise auf der Dorstener und Frentroper Straße eingetragen. Für Schultendorf sind zwar relativ wenig Unfälle eingezeichnet, aber ein Klick auf die Zusatzinformation zeigt: Auf der Rentforter Straße starb ein Mensch, der mit dem Auto unterwegs war.

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„Die Zahlen für Gladbeck sind im Fünf-Jahresvergleich die zweitniedrigsten“, sagt Teichert. Als Auslöser für Verkehrsunfälle macht er, losgelöst von der Stadt, vor allem einen Aspekt aus: „Ich habe den Eindruck, dass einige Menschen zu unvorsichtig sind.“ Das gelte für alle Gruppen im Straßenverkehr. „Regeln werden missachtet. Fußgänger überqueren zum Beispiel die Straße, ohne nach rechts und links zu gucken. Autofahrer setzen keinen Blinker beim Spurwechsel, die Menschen sind oft abgelenkt“, nennt Teichert Beispiele.

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Ein zunehmendes Problem, insbesondere bei Jüngeren, stelle die Nutzung von mobilen Geräten überall dar, sei es am Steuer, auf dem Fahrrad oder per pedes: „Die Menschen mit Stöpseln in den Ohren oder Kopfhörern sind von der Außenwelt abgekapselt. Dabei ist im Straßenverkehr eine ganzheitliche Wahrnehmung wichtig. Wir müssen da viel einschreiten. Die Leute verstehen einfach nicht, dass ein Handy im Straßenverkehr nichts zu suchen hat.“

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Das Aufmerksamkeitsdefizit werde sich durch Elektroautos verschärfen. Da sie so gut wie lautlos rollen, könnten sie mitunter zu spät bemerkt werden. Gleichfalls im Visier: Menschen auf Pedelecs und Fahrrädern. Nicht nur, dass auch der Gebrauch dieser Fortbewegungsmittel gelernt sein will. Regeln gibt’s ebenfalls. Teichert verweist beispielsweise auf Geisterradler.

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Eine Hauptunfall-Ursache ist in Augen von Jörg Teichert nach wie vor überhöhte oder der Situation nicht angepasste Geschwindigkeit. Abbiegefehler stehen im Ranking ebenfalls oben. An diesen Punkten kann eine Unfall-Vermeidungsstrategie ansetzen, wenn eine Kommission von Fachleuten aus mehreren Bereichen, darunter eben die Polizei, eine Stelle als Häufungsstelle klassiert.

Verkehrserziehung der Polizei

Die Fachleute der Polizei legen den Grundstock für das Verhalten im Straßenverkehr bereits bei Kindern, beispielsweise Erstklässlern. In der vierten Stufe steht für Grundschüler Radfahrtraining auf dem Plan.

„Eine Auffrischung des Gelernten gibt es in der Sekundarstufe I“, so Teichert, „das soll verhindern, dass die Schüler in alte, schlechte Gewohnheiten zurückfallen.“ Doch „unsere wichtigste Zielgruppe sind ist die der jungen Autofahrer zwischen 17 und 25 Jahren“.

Der Polizei-Fachmann: „Bei unseren Veranstaltungen Crash Kurs erzählen Einsatzkräfte wie Notarzt, Rettungsassistent und Seelsorger von Unfällen, die sich in der jeweiligen Stadt ereignet haben und von denen die Teilnehmer meistens gehört haben.“ Das berühre die jungen Menschen enorm und bleibe im Gedächtnis.

Der „Werkzeugkasten“ ermöglicht den Griff auf diverse Instrumente. Da wären bauliche Maßnahmen wie Verengungen der Fahrbahn und Schwellen in Wohngebieten, um die Geschwindigkeiten zu drosseln. Tempolimits, wie auf der B224, und Überholverbot sind weitere Optionen als verkehrsregelnde Maßnahmen. Teichert betont: „Gibt es Mängel vor Ort, müssen wir das ändern.“

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Die Anwendung „Unfallatlas” steht kostenlos zur Verfügung: https://unfallatlas.statistikportal.de

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