Gladbeck. Menschen, die ohne Ticket Bus fahren, belasten den Steuerzahler in Gladbeck. Bei einer Anzeige nach zweimaligem Schwarzfahren droht Gefängnis.
Wer in Deutschland mehrfach ohne Fahrschein erwischt wird, muss mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Die Vestische Straßenbahnen GmbH, deren Busse auch durch Gladbeck fahren, erstattet nach eigenen Angaben Anzeige, wenn ein Fahrgast zweimal innerhalb von zwölf Monaten ohne gültiges Ticket angetroffen wird. Über die Polizei geht die Sache dann zur Staatsanwaltschaft.
Geregelt ist das in Paragraf 265a des Strafgesetzbuches (StGB). Wörtlich heißt es dort zum Thema Schwarzfahren: „Wer … die Beförderung durch ein Verkehrsmittel … in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft…“. Wegen des „Erschleichens von Leistungen“ wurden 2019 bundesweit mehr als 46.000 Menschen zu Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt, im Corona-Jahr 2020, als Busse und Bahnen weniger genutzt wurden, waren es fast 40.000 Menschen. Konkrete Zahlen für den Kreis Recklinghausen gibt es nicht. „Wir werden zwar von der Staatsanwaltschaft über den Verlauf informiert, aber eine Statistik führen wir in dieser Hinsicht nicht“, sagt Jan Große-Geldermann, Sprecher der Vestischen, auf Anfrage der Redaktion.
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Die Dunkelziffer von Schwarzfahrern in den Bussen der Vestischen ist wohl hoch
Konkret erfasst wird von dem heimischen Nahverkehrsunternehmen allerdings die Quote der überführten Schwarzfahrer. 2021 sind 3,36 Prozent aller kontrollierten Fahrgäste in dieser Hinsicht negativ aufgefallen. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres waren es nach Angaben Große-Geldermanns 2,9 Prozent. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
Für die Einnahmeausfälle, die auf eine sechs- bis siebenstellige Summe taxiert werden, kommt am Ende der Steuerzahler auf, weil die kommunalen Gesellschafter (Kreis Recklinghausen mit Gladbeck sowie Bottrop und Gelsenkirchen) die Verluste des Nahverkehrsunternehmens abdecken müssen. Wer erwischt wird, muss seit dem 1. August 2015 ein „erhöhtes Beförderungsentgelt“ von 60 Euro bezahlen.
Fahren ohne gültigen Fahrschein gilt auch als Armutsdelikt
Doch nicht jeder Schwarzfahrer ist ein kühler Rechner, der das Risiko, erwischt zu werden, gegen den finanziellen Vorteil abwägt. Fahren ohne gültigen Fahrschein gilt auch als Armutsdelikt. Der Kriminologische Dienst aus Nordrhein-Westfalen stellt in einer Analyse fest, dass Menschen, die aufgrund von Fahren ohne Fahrschein verurteilt würden, bei Haftantritt „verarmt, krank, sozial ausgeschlossen und im strafrechtlichen Sinne nicht gefährlich“ seien. In Deutschland hat sich eine Initiative („Freiheitsfonds“) gegründet, die mithilfe von Spenden die Geldstrafen von Gefangenen übernimmt. Inzwischen seien rund 400 Betroffene auf diese Weise aus dem Gefängnis herausgeholt worden, heißt es. Da ein Hafttag den Steuerzahler im Durchschnitt rund 170 Euro kostet, habe man dem Staat knapp 4,3 Millionen Euro gespart, so die Initiative.
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Die Bundesregierung hat eine Überarbeitung des umstrittenen Paragrafen 265a StGB angekündigt. Im Bundesjustizministerium werde geprüft, ob das Fahren ohne gültigen Fahrschein entkriminalisiert und zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden kann. Die Betroffenen wären dann nicht mehr vorbestraft, die Strafzahlungen würden deutlich geringer ausfallen. Nach den Rückmeldungen, die die Vestische von der Staatsanwaltschaft erhält, werden die meisten Verfahren gegen Schwarzfahrer im Vest wegen Geringfügigkeit eingestellt. „Uns ist kein Fall bekannt, dass jemand im Gefängnis gelandet ist“, berichtet Jan Große-Geldermann.