Gladbeck. Geflüchtete aus der Ukraine haben Anspruch auf Hartz IV. Warum der Jobcenter-Chef im Kreis Recklinghausen mehr Chancen als Risiken sieht.
Die Aufnahme geflüchteter Ukrainer in die Grundsicherung (Hartz IV) dürfte sich nach Einschätzung von Detlef Scheele, dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, in den kommenden Monaten negativ in den Arbeitsmarktdaten niederschlagen. Der Leiter des Jobcenters Kreis Recklinghausen, Dominik Schad, macht sich um den hiesigen Arbeitsmarkt, dazu zählt auch der Gladbecker Arbeitsmarkt, allerdings keine Sorgen. „Ich sehe das eher als Chance, denn als Risiko“, sagt er. „Wir haben im Kreis Recklinghausen immer noch einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt.“
Geflüchtete aus der Ukraine haben nach einem Beschluss der Ampelkoalition in Berlin seit dem 1. Juni Anspruch auf Hartz IV. Sie erhalten damit etwas höhere Sozialleistungen als über das Asylbewerberleistungsgesetz und haben auch automatisch Kontakt zu den Arbeitsvermittlern in den Jobcentern. Das bewertet auch Dominik Schad als großen Vorteil dieser Lösung.
- Lesen Sie weitere Nachrichten aus Gladbeck:
- Ukraine-Krieg. Flüchtlinge wollen Job: „Ukrainerinnen arbeiten immer!“
- Corona. Corona-Herbst: Gesundheitsamt befürchtet Softwareprobleme
- Zerstörung. Vandalismus gehört in Gladbecker Schulen zum Alltag
- Kriminalgeschichte. Geiseldrama Gladbeck: Netflix-Doku zeigt drastische Bilder
- Urlaubszeit. Polizei: „Nachbarn sind der beste Einbruchschutz“
945 Familien haben einen Antrag auf Leistungen gestellt
Das Jobcenter Kreis Recklinghausen hat jetzt eine Zwischenbilanz gezogen: Von 4240 schutzsuchenden Menschen aus der Ukraine, die von den kreisangehörigen Städten aufgenommen worden sind, haben sich bislang 3415 von den Ausländerbehörden offiziell registrieren lassen und damit die Voraussetzung geschaffen, beim Jobcenter einen Antrag auf Leistungen zu stellen. 945 Familien (Bedarfsgemeinschaften) mit 2019 Personen haben – Stand 20. Juni – von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
61 Prozent sind im Erwachsenenalter
Von den 4240 Schutzsuchenden aus der Ukraine, die seit Beginn des Krieges in den Städten des Kreises Recklinghausen Zuflucht gefunden haben, sind 77 Prozent weiblich61 Prozent sind im Erwachsenenalter (ab 18 Jahren), 28 Prozent zwischen sechs und 17 Jahren alt, elf Prozent bis zu fünf Jahre alt.
Nach der Unterbringung in Wohnungen beziehungsweise Sammelunterkünften und der Sicherstellung des Unterhalts steht für Betroffene nun der dritte Schritt an: die Schaffung einer individuellen Perspektive. Alle potenziell erwerbsfähigen Leistungsbezieher (aktuell 1315 Menschen zwischen 16 Jahren und dem Rentenalter) sollen in den nächsten sechs Wochen vom Jobcenter zu einem Gespräch auf freiwilliger Basis eingeladen werden.
Dominik Schade: Die Menschen aus der Ukraine decken die ganze Bandbreite der Berufe ab
Dort werden die Berater mit ihnen über Zukunftspläne reden. Ist eine Rückkehr in die Ukraine geplant? Besteht Interesse an einem Sprachkurs, einer Qualifizierung oder einer Vermittlung in Arbeit? „Wir wollen jedem, der möchte, ein Angebot machen“, berichtet Dominik Schad. Auch bei den Anträgen zur Anerkennung von Berufsabschlüssen, die bei der Bezirksregierung Münster gestellt werden müssen, will das Jobcenter beraten und helfen. Schad sieht hier durchaus Optionen für den Arbeitsmarkt. Die Menschen aus der Ukraine deckten die ganze Bandbreite der Berufe ab und brächten insgesamt ein hohes Bildungsniveau mit. Tatsächlich, so der Jobcenter-Chef, habe es im Kreis Recklinghausen bereits 25 bis 30 Arbeitsaufnahmen seitens ukrainischer Staatsbürger gegeben.
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++
Unterdessen ist die Fluchtwelle aus dem vom Krieg gezeichneten Land deutlich abgeebbt. Zuletzt seien nur noch 25 Ukrainerinnen und Ukrainer innerhalb einer Woche im Kreis Recklinghausen aufgenommen worden. In den ersten Wochen des Krieges waren es bis zu 180 – am Tag. Eine Prognose zum weiteren Verlauf möchte Dominik Schad allerdings nicht wagen. „Das hängt davon ab, wie sich die Lage in der Ukraine entwickelt.“