Gelsenkirchen. Die Gelsenkirchener SPD trotzt politischen Herausforderungen und zeigt sich kämpferisch. Ihre neuen Pläne würden die Stadt aber Millionen kosten.
Es hat schon mildere Umstände für die Gelsenkirchener SPD gegeben, wenn sie sich – wie am Samstag – zu ihrem jährlichen Unterbezirksparteitag getroffen hat. Schließlich wurde die einstige sozialdemokratische Hochburg bei der diesjährigen Wahl des Europaparlamentes in Gelsenkirchen sowohl von der CDU als auch von der AfD zerschlagen. Und weiterhin schwebt auch die Unbeliebtheit der Ampel-Regierung ein Jahr vor der Kommunal- und Bundestagswahl wie ein Damoklesschwert über der hiesigen SPD, die sich nun allen Widrigkeiten zum Trotz kämpferisch zeigt. Oder wie es Parteichef Markus Töns formulierte: Politik zu machen, ist in diesen Zeiten alles andere als einfach, aber die SPD hat dieser Stadt noch viel zu geben.“
Zuversicht haben die Gelsenkirchener Sozialdemokraten also, Klarheit aber noch nicht. Die Frage, ob Oberbürgermeisterin Karin Welge für ihre Partei 2025 wieder antreten wird, bleibt nämlich auch nach dem Parteitag offen. Die amtierende OB äußerte sich dazu bisher noch nicht, während nach WAZ-Informationen hinter den Kulissen weiter Alternativen diskutiert werden.
Karin Welge: „Kontrahenten fachen Zwietracht, Polarisierung, Feindbilder an. SPD sichert sozialen Frieden“
Gleichwohl zeigte sich Welge in ihrer Begrüßungsrede kämpferisch, wurde sehr laut, als sie unterstrich, dass die „Mitbewerber“ Gelsenkirchen und die SPD vor allem schlecht- und kleinredeten, um von der Misere der SPD im Bund auch in der Emscherstadt Profit zu schlagen.
Dabei, so Welge, sei es ja die SPD, die die Probleme in der Stadt anpacke und nicht nur in Sonntagsreden Stimmung mache. So fragte die Oberbürgermeisterin das Plenum immer wieder lautstark, wer es denn gewesen sei, der den Kommunalen Ordnungsdienst aufgestockt habe, wer denn Künstliche Intelligenz gegen Vandalismus etwa eingeführt habe, wer denn eine bundesweit beachtete Rückbauoffensive für Schrottimmobilien ausgehandelt habe? „Das waren wir, die SPD!“, rief Welge den Sozialdemokraten im Saal zu.
Auch interessant
Die „Kontrahenten“, wie Welge die „Mitbewerber“ eigentlich in ihrer Rede zunächst nicht nennen wollte, lebten von Zwietracht, Polarisierung, von Feindbildern. Die SPD sei es, die den sozialen Frieden in der Stadt sichere, erinnerte Welge die Sozialdemokraten ein Jahr vor der Bundes- und Kommunalwahl. Der Applaus war der Oberbürgermeisterin sicher, die sich ansonsten nicht in die Karten blicken ließ, wie ihre eigenen Pläne für 2025 sind.
Geklärt ist aber die Frage, wen die hiesige SPD nach Berlin schicken will. Der amtierende Bundestagsabgeordnete, Markus Töns, setzte sich klar gegen seinen Gegenkandidaten Karsten Borowski mit 98 zu 31 Stimmen durch.
Kostenlose Kita für alle in Gelsenkirchen?
Klarheit gibt es nun auch bei manchem (Wahlkampf)-Thema. So folgte die Mehrheit der Genossinnen und Genossen etwa einem Antrag, die Elternbeiträge für Kindertageseinrichtungen in Gelsenkirchen zu streichen. Damit würde man nicht nur Familien helfen, für die die Beiträge eine finanzielle Belastung sind, „eine beitragsfreie Kindertagesbetreuung macht Gelsenkirchen auch für junge Familien attraktiver und kann dazu beitragen, dass sich mehr Familien für Gelsenkirchen als Wohnort entscheiden“, hoffen die Sozialdemokraten. Die Ratsfraktion der SPD solle diesen Wunsch nun an die Stadtverwaltung herantragen und möglichst umsetzen.
Zum Nulltarif gibt es den Nulltarif aber natürlich nicht.
Die Summe der Elternbeiträge in Gelsenkirchen lag 2023 bei etwa 4,2 Millionen Euro. Allerdings zahlen ohnehin nur vergleichsweise wenig Familien überhaupt Beiträge: Weil mittlerweile zwei Kita-Jahre kostenlos sind und es viele Befreiungsgründe von den Gebühren gibt, muss nur für knapp unter 25 Prozent der rund 9500 Kita-Kinder in Gelsenkirchen ein monatlicher Elternbeitrag gezahlt werden. Neben einem niedrigen Einkommen gibt es laut Stadt zahlreiche weitere Gründe, von den Beiträgen befreit zu werden. Diese sind zum Beispiel der Bezug von Wohngeld, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder Bürgergeld.
Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder abonnieren Sie uns kostenlos auf Whatsapp und besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.
Trotzdem müssten die Millionen, die durch die Beiträge bisher erhoben werden, zunächst einmal auch kompensiert werden. Für eine chronisch klamme Stadt wie Gelsenkirchen ist das eine Herausforderung. Zumal das nicht der einzige Antrag war, dem die Mehrheit der Genossen auf Kosten des städtischen Haushalts zugestimmt haben.
SPD: Erzieherinnen und Erzieher sollen in Gelsenkirchen mehr verdienen
Geht es nach der SPD, soll die Entgeltstufe für Erzieherinnen und Erzieher in Gelsenkirchen von aktuell 8a SuE TvöD auf 8b SuE TvöD steigen. „Wir wollen für Erzieherinnen und Erziehern nicht nur klatschen, sondern auch konkret etwas für die Betroffenen tun“, so Nicole Schmidt, die für die SPD Gelsenkirchen zuletzt auch bei der Europawahl kandidierte. Auf dem Parteitag hat zwar kein Delegierter danach gefragt, aber die WAZ hatte Antragstellerin Nicole Schmidt im Vorfeld gefragt, was diese Maßnahme kosten würde. Nach ihren Angaben würde das die Stadt jährlich rund 2,5 Millionen Euro kosten - Tendenz steigend.
Eine höhere Vergütung könne aber dazu beitragen, den Beruf attraktiver zu gestalten und mehr qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden. Damit würde auch die Qualität der Betreuung und Bildung in den Einrichtungen gesteigert, argumentieren die Antragsschreiber.
Terminfreier Tag in den Gelsenkirchener Bürgerbüros
Auf Antrag der Jusos soll sich die SPD im Stadtrat außerdem dafür einsetzen, dass in den Bürgerbüros der Stadt (Buer, Erle, Horst und HSH) mindestens an einem Tag pro Woche ein Besuch ohne vorherige Terminvereinbarung möglich ist. An diesem Tag sollen die Bürgerbüros sowohl vormittags als auch nachmittags geöffnet sein. Um eine effiziente Bearbeitung der Anliegen sicherzustellen, soll dieser terminfreie Tag durch eine ausreichende Anzahl von Mitarbeitern unterstützt werden
Ein Jahr vor den entscheidenden Wahlen im Bund und der Kommune zeigt sich die SPD Gelsenkirchen entschlossen, ihren sozialdemokratischen Kern zu stärken und gegen das Erstarken der politischen Rechten in der Stadt anzukämpfen.